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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Schüchterne Freundlichkeit

Es ist kaum zu glau­ben: Es gibt noch Tex­te von Ber­tolt Brecht, die noch nicht gesam­melt publi­ziert wor­den sind! Noah Wil­l­um­sen hat sich der Inter­views von Brecht ange­nom­men und gibt sie nun, sorg­fäl­tig recher­chiert, her­aus. Inter­views in Zei­tun­gen und Radio – und sie­he: Vie­le waren unbe­kannt. Das Schö­ne dabei ist, dass der Her­aus­ge­ber auch die jewei­li­ge Zei­tung und den Inter­view­er (so eru­ier­bar) vor­stellt und die chro­no­lo­gi­sche Anord­nung eine Art bio­gra­fi­sche Drauf­sicht ermög­licht. Auch die all­mäh­li­che Ent­wick­lung die­ses Gen­res im 20. Jahr­hun­dert ist dabei erkennbar.

Was beson­ders auf­fällt: Fast kei­ner der Fra­ge­stel­ler kommt um eine Beschrei­bung von Brechts Äuße­rem her­um. Neben der ein­fa­chen Klei­dung ist oft von den wiss­be­gie­ri­gen Augen die Rede. »Welt­li­cher Mönch« oder »schüch­ter­ne Freund­lich­keit« sind wei­te­re Attri­bu­te des angeb­lich rede­un­lu­sti­gen Welt­dra­ma­ti­kers. Ein Revo­luz­zer, ein Revo­lu­tio­när und schüch­tern? Die Tex­te offen­ba­ren tat­säch­lich einen etwas ande­ren Brecht. Zwar ist meist immer von der not­wen­di­gen Erneue­rung des Thea­ters durch sei­ne Dra­ma­tik die Rede, aber doch meist vor­sich­tig. Brecht will gespielt wer­den, und so weist er immer wie­der (vor allem im Exil) auf geplan­te und dann doch oft nicht rea­li­sier­te Auf­füh­run­gen hin. Er jam­mert nicht, er schreibt und er organ­siert (bzw. lässt orga­ni­sie­ren). Der Migrant Brecht will nicht aus­ge­wie­sen wer­den, und so ant­wor­tet er so, dass das Gast­land ihm nichts anla­sten kann. Brecht will ver­stan­den wer­den, und so ver­schreckt er die Leser und Hörer nicht unnö­tig. Sei­ne Theo­rien schei­nen ein­fach. Dass Kunst gesell­schaft­li­chen Bestre­bun­gen zu die­nen habe, steht für ihn fest. In sei­nen letz­ten Jah­ren in der DDR, stellt er sich vor die­sen »sei­nen« Staat, nicht immer geschickt, aber kom­pro­miss­los. Am lieb­sten preist er sei­ne Insze­nie­run­gen, sei­ne Schau­spie­ler, sein Publi­kum und ist erpicht, von sei­nen oft aus­län­di­schen Inter­view­part­nern etwas Neu­es über das Thea­ter bei ihnen zu erfah­ren. Es scheint fast, als wie­der­ho­le er sich nicht gern, denn in sei­nen theo­re­ti­schen und thea­ter­prak­ti­schen Schrif­ten ist er wesent­lich aus­führ­li­cher und detail­lier­ter. So ist der Inter­view­band vor allem eine inter­es­san­te Ergänzung.

Ber­tolt Brecht: Unse­re Hoff­nung heu­te ist die Kri­se, Inter­views 1926-1956, Suhr­kamp 2023, 752 S., 35 €.