Die Hochglanzbeilage der Stuttgarter Zeitung (2.12.) hat diesmal den Titel Wickert. Das ist auch so eine Marke, die nicht viel bedeutet. Der Mann hat ein neues Buch geschrieben, und um dafür ein bisschen Werbung zu machen, spaziert er mit »uns« durch Heidelberg. Das ist nun nicht weiter von Bedeutung, da man ja irgendetwas braucht, um den Platz zwischen der geistlosen Werbung mit einem »redaktionellen« Text auszufüllen.
Wir erinnern uns, dass auch der klassenbewusste Bernd Riexinger hier in seiner Glanzzeit als Linken-Vorsitzender vorkochen durfte. Es scheint den Inhabern dieses Blättchens aber nicht besonders geschmeckt zu haben, so ist er in der verdienten Versenkung verschwunden.
Ansonsten (1.) findet man dort alles, was man nicht braucht.
Ansonsten (2.) geht es bei den Reichen nicht ohne Stiftungen, mit denen sie uns behelligen. Hier geht es um eine Frau, deren Mann sein Geld mit einer Gin Marke gemacht hat. Diese meist farblose Substanz wird gern zu Cocktails verwendet, passt also wunderbar zu den Menschen, die sich viele Dinge, um die um Herrn Wickert herum geworben wird, kaufen können. (Hätten sie mal ordentlich Steuern und ihre Mitarbeiter besser bezahlt, das wäre des Guten genug gewesen, aber sie wollen für ihre Taten auch noch das Licht dazu, das sie früher – beim Geldmachen – gescheut haben.)
Ich hatte mal ein blaublütiges Halbblut zum Kollegen, dessen verbliebenes Erbe im kulturellen Kapital bestand, sonst sah es eher mau aus, sonst wäre er aber auch nicht mein beliebter Kollege geworden. Seine Lieblingslektüre war schon damals »Stilvoll verarmen«, das hatte so ein gefallener Graf o. ä. geschrieben. Nun, das Thema ist aktueller denn je, nicht bei den Erben obiger Gin-Marke, aber bei anderen. Auch für diese weiß die StZ Rat: »So fällt verzichten leichter.« Wie immer, wenn es in der bürgerlichen Welt ums Geld geht, sind die Psychologen nahe und ihr Rat gefragt. Und so will es das Vorurteil, dass ein israelisch-amerikanischer Psychologe uns seine »Prospect-Theorie« erklärt, die aber mit obig beschriebenem Prospekt nichts zu tun hat, sondern: Wir nehmen Verluste stärker wahr, als Gewinne. Ich hoffe, ich habe diese nobelbepreiste (2002) Theorie richtig verstanden. Wie immer bei diesen Psychologen wird nicht erklärt, warum das so ist. Nun, ich weiß es, bekomme dafür aber leider keinen Preis: Nach unten ist weniger Spielraum als nach oben. Wenn ich nur ein paar Hundert Euro verdiene, meine Stromrechnung sich fast verdoppelt, erzeugt das naturgemäß andere Gefühle, als wenn ich einmal Weihnachtsgeld bekomme. Wer nichts hat, dem wird genommen, wer viel hat, dem wird gegeben.
Entscheidend ist hier der präfrontale Kortex, der uns hilft, kurzfristige Impulse zugunsten langfristiger Ziele zu unterdrücken. (Die beste Idee, das Abo der Stuttgarter Zeitung zu sparen, steht natürlich nicht da. Oder bei der Institution zu sparen, der Herr Wickert seine Bekanntheit verdankt.)
Nun wird es aber entscheidend: Um mit den kommenden Verlusten rational im Sinne derjenigen umzugehen, denen wir diese verdanken, »müssen wir uns unseren Handlungsspielraum bewusst machen und uns durch klares Priorisieren den Verzicht schmackhaft machen«. Na, da fühlt man sich doch richtig gut beraten.