Erster August, Jahrestag der Kriegserklärung Kaiser-Deutschlands an Russland 1914. Ich wache auf mit dem Deutschlandfunk. Agnieszka Brugger, Fraktionsvize von B90/Grüne, fordert im Interview die Lieferung deutscher Luft-Boden Lenkflugkörper »LFK Taurus« (Reichweite: 500 km) an die Ukraine. Pistorius und sein Chef zieren sich noch. Sind halt noch nicht so weit. Frau Brugger kann warten und findet es schon mal gut, dass darüber jetzt diskutiert wird.
Kurz vor Mitternacht: Derselbe Sender zitiert aus ausgesuchten Kommentaren »der Presse von morgen«. Der Hirnriss der olivgrünen Frontfrau Brugger vom frühen Morgen ist jetzt zur »Debatte« geworden. Der DLF hat ausschließlich Kommentare ausgewählt, die – wie könnte es anders sein – Frau Brugger beipflichten. Zögerlichkeit in puncto Waffenlieferungen sei albern, weil sich die Befürchtung, Putin könne eskalieren, in der Vergangenheit »nicht bestätigt« habe (Badische Zeitung). Weiß man doch, worauf sie es angelegt haben!
Der Kommentator der Südwest-Presse ist schon einen Schritt weiter und denkt praktisch: Die Frage, ob Deutschland der Ukraine außer bei der Verteidigung und Rückeroberung auch bei einem Gegenangriff auf Russland helfen dürfe, sei »ein ethischer Knackpunkt« und »im Verteidigungsfall« brauche man den Taurus vielleicht selbst. Von 600 Stück im Bestand der Luftwaffe sind lt. Tagesschau aktuell 150 einsatzbereit.
Der Bundespräsident, von Amts wegen zuständig für triviales Politik-Blabla an Weihnachten und für die Simulation eines gesellschaftlichen »Wir«, das es im Kapitalismus nicht geben kann, äußert im ZDF-Sommerinterview Verständnis dafür, dass die Bundesregierung den USA wegen der Lieferung von Streumunition an die Ukraine »in der gegenwärtigen Situation (…) nicht in den Arm fallen« kann. 2008 hatte derselbe Dr. Steinmeier, damals Außenminister, für Deutschland in Oslo das internationale Abkommen zur Ächtung der Streumunition unterschrieben, das dann Eingang in das Kriegswaffenkontrollgesetz fand. Jedenfalls hat seine Verlogenheit in dieser Angelegenheit ihm gerade eine Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Bonn eingebracht. Eine Bestrafung braucht er in dieser verlotterten Republik gleichwohl nicht mehr zu fürchten als der Hofnarr im Shakespeare-Drama.
Ich träume: Der Appell von Wolfgang Borchert (»Sag Nein!«) wird gehört und endlich ernst genommen: Deutschland lernt Französisch – auf der Straße. Am Wahlsonntag bleiben alle zu Hause – niemand ist mehr bereit, den Parteien der Großen Kriegstreiber-Koalition mit seiner Stimmabgabe zu demokratischer Legitimation zu verhelfen, um hinterher weiter Knecht zu sein und die Kohlen aus dem Feuer zu holen. Die Gewerkschaften haben aus der Vergangenheit gelernt und rufen auf – zum Generalstreik! Das gibt Ärger, aber den Frieden erhalten ist allererste Proletarierpflicht! Arbeiter schießen nie wieder auf Arbeiter! Von deutschem Boden geht nie wieder Krieg aus. Wir werden ein Volk der guten Nachbarn sein.
Indes nehmen die Ereignisse ihren Lauf (siehe oben!) und Borcherts Aufruf droht ungehört zu verhallen. Sie werden uns auch diesmal nicht fragen, ob es noch ein bisschen Krieg mehr sein darf. Die Entscheidungen fällen andere und haben sie schon gefällt. Im Pentagon, im Nato-Hauptquartier und in Ramstein, wo die europäischen Vasallen sich einzufinden haben, wenn die obersten Warlords L. Austin (US-»Verteidigungs«minister) und Chr. Cavoli (USA, Nato-Oberbefehlshaber) ihre Direktiven ausgeben. Allerhöchste Zeit, ihnen in den Arm zu fallen und laut und unversöhnlich »Nein« zu sagen!