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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Rückblick: Unerträglich und beleidigend

»Uner­träg­lich und belei­di­gend« sei es, wenn der Vize­prä­si­dent des DFB, Her­mann Wink­ler, den Prä­si­den­ten der Ukrai­ne bei Insta­gram und Face­book einen »ehe­ma­li­gen ukrai­ni­schen Schau­spie­ler« nennt. So sagt es Bernd Neu­en­dorf, Prä­si­dent des DFB (MAZ, 16.05.23). Wie­so eigent­lich »ehe­ma­lig«? Er spielt den krie­ge­ri­schen Prä­si­den­ten doch gera­de her­vor­ra­gend? Naja, beim ESC durf­te er nicht auf­tre­ten. War auch bes­ser so. Bei die­sen Dar­bie­tun­gen dabei zu sein, sei es auch nur mit einer vir­tu­el­len Anspra­che, wäre nicht image­för­dernd gewesen.

Uner­träg­lich und geschmacks­be­lei­di­gend war der deut­sche Bei­trag zum ESC. Null Punk­te! Das Schlim­me war ja weder die Musik noch die Dar­bie­tung, das Schlim­me war: Der Sän­ger war nicht in gelb-blau geklei­det, son­dern in rot! Wie konn­te das pas­sie­ren? Glück­li­cher­wei­se erwie­sen die Zuschau­er und die Jury mehr Geschmack und kür­ten – wenn schon nicht den ukrai­ni­schen Bei­trag – doch immer­hin blau-gelb zur Sie­ge­rin: Schwe­dens Bei­trag. Das war unge­fähr­lich, die Sän­ge­rin hat­te schon mal gewon­nen, sie hat Stim­me, und der Song war nicht schlecht, also allen wohl und kei­nem weh. Außer den Deut­schen, und die sind das ja gewohnt. Die neh­men den Wett­be­werb eben nicht ernst.

Genau­so wenig ernst wie Außen­po­li­tik. Die ehe­ma­li­ge deut­sche Völ­ker­ball­stu­den­tin Anna­le­na beschei­nigt den Sau­dis, mit Gesprä­chen im Jemen den rich­ti­gen Weg zu gehen. Wenn sie jetzt noch mit ihren Frau­en das Gespräch suchen wür­den, wären sie per­fek­te Öl- und Gas­lie­fe­ran­ten. Und mehr will Anna­le­na ja gar nicht von ihnen. Die Chi­ne­sen – die den Sin­nes­wan­del der Sau­dis in Bezug auf den Jemen mit ihren Ver­hand­lun­gen in Gang gebracht hat­ten – sol­len dage­gen in sich gehen und die Men­schen­rech­te respek­tie­ren! Uner­träg­lich, die­se Beleh­run­gen von Frau Baer­bock, aber die Höf­lich­keit der chi­ne­si­schen Gast­ge­ber bleibt. (Wis­sen Sie, wie »Baer­bock« auf Chi­ne­sisch heißt? Kei Bil-dung.)

Uner­träg­lich fin­det Prä­si­dent Erdo­gan, dass er gegen sei­nen Her­aus­for­de­rer Kilicda­ro­g­lu jetzt in die Stich­wahl muss, obwohl er ihn doch wohl her­ab­wür­di­gend genug belei­digt hat: Ein Säu­fer sei das und ein Betrun­ke­ner! Und obwohl Erdo­gans Ver­bün­de­ter, Dev­let Bah­ce­li, der Vor­sit­zen­de der faschi­sti­schen MHP, der Oppo­si­ti­on ange­droht hat­te, die­se »Ver­rä­ter wer­den ent­we­der lebens­läng­li­che Haft oder Kugeln in ihre Kör­per bekom­men« (jW, 16.05.23). Da die Tür­kei aber in der Nato ist, wo es ja nur ein­wand­freie Demo­kra­tien gibt, wer­den auch die zahl­rei­chen Wahl­fäl­schun­gen und Ter­ror­ak­te gegen die Oppo­si­ti­on nichts dar­an ändern, dass Erdo­gan wei­ter machen kann und von unse­ren Regie­ren­den hofiert wird.

Im Sudan tobt ein hef­ti­ger Krieg riva­li­sie­ren­der Mili­tärs. Da muss die Bun­des­wehr dabei sein! Wenig­stens bei der Eva­ku­ie­rung von Zivi­li­sten. Da muss man doch zustim­men im Bun­des­tag, wenn auch nur nach­träg­lich. Nicht alle stimm­ten zu. Im Sudan wird ein »robu­stes Man­dat« der Bun­des­wehr als alter­na­tiv­los dar­ge­stellt. Dabei wird nicht berück­sich­tigt, dass es ver­schie­de­ne For­men einer Eva­ku­ie­rung gibt. In bei­den Fäl­len wäre eine zivi­le »schnel­le Luft­ab­ho­lung« mög­lich gewe­sen. Die UNO hat in den ver­gan­ge­nen Tagen über 1.200 Men­schen zivil auf dem Land­weg in Sicher­heit gebracht. Dies zeigt, »dass es zu kei­nem Zeit­punkt eine Not­wen­dig­keit für einen bewaff­ne­ten Ein­satz gab« (Ali Al-Dai­la­mi ver­tei­di­gungs­po­li­ti­scher Spre­cher und stell­ver­tre­ten­der Vor­sit­zen­der der Frak­ti­on Die Lin­ke im Bun­des­tag in: jW, 28.04.23)

Uner­träg­lich, die­se pazi­fi­sti­sche Infragestellung!

Im Fall Hein­rich Bücker (Ossietzky berich­te­te) gab es vor Gericht einen Frei­spruch wegen kei­nem ein­zi­gen Ukrai­ner. Die Rich­te­rin war zwar über­zeugt, dass Bücker Kriegs­ver­bre­chen gebil­ligt habe. Der Ange­klag­te habe Äuße­run­gen getä­tigt, »wo einem der Atem stockt«. Doch sei dies auf einer Kund­ge­bung gesche­hen, wo nur Bückers »Fans«, aber »kein ein­zi­ger Ukrai­ner« anwe­send gewe­sen sei­en. Die Rede sei daher nicht geeig­net gewe­sen, den durch Para­graf 140 geschütz­ten öffent­li­chen Frie­den zu stö­ren, begrün­de­te sie den Frei­spruch »aus recht­li­chen Grün­den« (jW, 28.04.23). Das muss die­se berühm­te »Rede­frei­heit« sein, die unse­ren wer­te­frei­en Westen so aus­zeich­net. Man muss jetzt nicht nur auf­pas­sen, was man sagt, son­dern auch vor wem man es sagt.

Und wo man hin­geht, allein oder als Beglei­tung des Ehe­part­ners. Frau So-Yeon Schrö­der-Kim war mit ihrem Ehe­mann, Ex-Kanz­ler Ger­hard Schrö­der, beim Emp­fang der rus­si­schen Bot­schaft zum Jah­res­tag des Sie­ges der Roten Armee über die faschi­sti­sche Wehr­macht erschie­nen. Jetzt wur­de ihr ihre Arbeit bei NRW Glo­bal Busi­ness gekündigt.

Reprä­sen­tan­ten von NRW Glo­bal Busi­ness wüss­ten, dass sie sich »bezüg­lich des rus­si­schen Angriffs­kriegs auf die Ukrai­ne« öffent­lich zurück­zu­hal­ten haben, erklär­te eine Spre­che­rin der Lan­des­re­gie­rung (jW, 17.05.23). Und also auch bezüg­lich des sowje­ti­schen Sie­ges über das faschi­sti­sche Deutsch­land, denn bekannt­lich hat die ukrai­ni­sche Armee zusam­men mit den Deut­schen die Rus­sen besiegt, oder so ähn­lich, nach der neue­sten Geschichts­schrei­bung. UNERTRÄGLICH UND BELEIDIGEND.