»Unerträglich und beleidigend« sei es, wenn der Vizepräsident des DFB, Hermann Winkler, den Präsidenten der Ukraine bei Instagram und Facebook einen »ehemaligen ukrainischen Schauspieler« nennt. So sagt es Bernd Neuendorf, Präsident des DFB (MAZ, 16.05.23). Wieso eigentlich »ehemalig«? Er spielt den kriegerischen Präsidenten doch gerade hervorragend? Naja, beim ESC durfte er nicht auftreten. War auch besser so. Bei diesen Darbietungen dabei zu sein, sei es auch nur mit einer virtuellen Ansprache, wäre nicht imagefördernd gewesen.
Unerträglich und geschmacksbeleidigend war der deutsche Beitrag zum ESC. Null Punkte! Das Schlimme war ja weder die Musik noch die Darbietung, das Schlimme war: Der Sänger war nicht in gelb-blau gekleidet, sondern in rot! Wie konnte das passieren? Glücklicherweise erwiesen die Zuschauer und die Jury mehr Geschmack und kürten – wenn schon nicht den ukrainischen Beitrag – doch immerhin blau-gelb zur Siegerin: Schwedens Beitrag. Das war ungefährlich, die Sängerin hatte schon mal gewonnen, sie hat Stimme, und der Song war nicht schlecht, also allen wohl und keinem weh. Außer den Deutschen, und die sind das ja gewohnt. Die nehmen den Wettbewerb eben nicht ernst.
Genauso wenig ernst wie Außenpolitik. Die ehemalige deutsche Völkerballstudentin Annalena bescheinigt den Saudis, mit Gesprächen im Jemen den richtigen Weg zu gehen. Wenn sie jetzt noch mit ihren Frauen das Gespräch suchen würden, wären sie perfekte Öl- und Gaslieferanten. Und mehr will Annalena ja gar nicht von ihnen. Die Chinesen – die den Sinneswandel der Saudis in Bezug auf den Jemen mit ihren Verhandlungen in Gang gebracht hatten – sollen dagegen in sich gehen und die Menschenrechte respektieren! Unerträglich, diese Belehrungen von Frau Baerbock, aber die Höflichkeit der chinesischen Gastgeber bleibt. (Wissen Sie, wie »Baerbock« auf Chinesisch heißt? Kei Bil-dung.)
Unerträglich findet Präsident Erdogan, dass er gegen seinen Herausforderer Kilicdaroglu jetzt in die Stichwahl muss, obwohl er ihn doch wohl herabwürdigend genug beleidigt hat: Ein Säufer sei das und ein Betrunkener! Und obwohl Erdogans Verbündeter, Devlet Bahceli, der Vorsitzende der faschistischen MHP, der Opposition angedroht hatte, diese »Verräter werden entweder lebenslängliche Haft oder Kugeln in ihre Körper bekommen« (jW, 16.05.23). Da die Türkei aber in der Nato ist, wo es ja nur einwandfreie Demokratien gibt, werden auch die zahlreichen Wahlfälschungen und Terrorakte gegen die Opposition nichts daran ändern, dass Erdogan weiter machen kann und von unseren Regierenden hofiert wird.
Im Sudan tobt ein heftiger Krieg rivalisierender Militärs. Da muss die Bundeswehr dabei sein! Wenigstens bei der Evakuierung von Zivilisten. Da muss man doch zustimmen im Bundestag, wenn auch nur nachträglich. Nicht alle stimmten zu. Im Sudan wird ein »robustes Mandat« der Bundeswehr als alternativlos dargestellt. Dabei wird nicht berücksichtigt, dass es verschiedene Formen einer Evakuierung gibt. In beiden Fällen wäre eine zivile »schnelle Luftabholung« möglich gewesen. Die UNO hat in den vergangenen Tagen über 1.200 Menschen zivil auf dem Landweg in Sicherheit gebracht. Dies zeigt, »dass es zu keinem Zeitpunkt eine Notwendigkeit für einen bewaffneten Einsatz gab« (Ali Al-Dailami verteidigungspolitischer Sprecher und stellvertretender Vorsitzender der Fraktion Die Linke im Bundestag in: jW, 28.04.23)
Unerträglich, diese pazifistische Infragestellung!
Im Fall Heinrich Bücker (Ossietzky berichtete) gab es vor Gericht einen Freispruch wegen keinem einzigen Ukrainer. Die Richterin war zwar überzeugt, dass Bücker Kriegsverbrechen gebilligt habe. Der Angeklagte habe Äußerungen getätigt, »wo einem der Atem stockt«. Doch sei dies auf einer Kundgebung geschehen, wo nur Bückers »Fans«, aber »kein einziger Ukrainer« anwesend gewesen seien. Die Rede sei daher nicht geeignet gewesen, den durch Paragraf 140 geschützten öffentlichen Frieden zu stören, begründete sie den Freispruch »aus rechtlichen Gründen« (jW, 28.04.23). Das muss diese berühmte »Redefreiheit« sein, die unseren wertefreien Westen so auszeichnet. Man muss jetzt nicht nur aufpassen, was man sagt, sondern auch vor wem man es sagt.
Und wo man hingeht, allein oder als Begleitung des Ehepartners. Frau So-Yeon Schröder-Kim war mit ihrem Ehemann, Ex-Kanzler Gerhard Schröder, beim Empfang der russischen Botschaft zum Jahrestag des Sieges der Roten Armee über die faschistische Wehrmacht erschienen. Jetzt wurde ihr ihre Arbeit bei NRW Global Business gekündigt.
Repräsentanten von NRW Global Business wüssten, dass sie sich »bezüglich des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine« öffentlich zurückzuhalten haben, erklärte eine Sprecherin der Landesregierung (jW, 17.05.23). Und also auch bezüglich des sowjetischen Sieges über das faschistische Deutschland, denn bekanntlich hat die ukrainische Armee zusammen mit den Deutschen die Russen besiegt, oder so ähnlich, nach der neuesten Geschichtsschreibung. UNERTRÄGLICH UND BELEIDIGEND.