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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Robert Siewert – Eine Biografie

Die damals belieb­te Ber­li­ner Zei­tung BZA (Ber­li­ner Zei­tung am Abend) ver­öf­fent­lich­te in einem Son­der­druck den Bei­trag vom 3. Febru­ar 1964 »Der Jun­ge aus ›Nackt unter Wöl­fen‹ lebt – Buchen­wald­kind gefun­den«. Dar­in heißt es: »In einer der Bun­ker­zel­len (des Kon­zen­tra­ti­ons­la­gers Buchen­wald) war es, wo Robert Sie­wert geschun­den wur­de, weil er in einer gehei­men, aber ver­ra­te­nen Fei­er die Gedenk­re­de für den ermor­de­ten Ernst Thäl­mann gehal­ten hat­te. Er führ­te die Maurerkolonne.«

Fünf­zig Jah­re nach sei­nem Tod ist im Ber­li­ner ver­lag am park eine von Harald Jentsch geschrie­be­ne Bio­gra­fie erschie­nen. Der Autor, aus­ge­wie­se­ner Ken­ner der deut­schen Arbei­ter­be­we­gung, recher­chier­te umfang­reich und gründlich.

Aus­führ­lich und mit vie­len Details wird der Lebens­weg einer Per­sön­lich­keit nahe­ge­bracht, die in frü­he­ster Jugend bereits zu ver­in­ner­li­chen beginnt, dass es lohnt, orga­ni­siert für eine bes­se­re Welt ein­zu­tre­ten. Als jun­ger Mau­rer­ge­sel­le, Gewerk­schaf­ter und Mit­glied der Sozi­al­de­mo­kra­ti­schen Par­tei Deutsch­lands sam­mel­te er auf der Wan­der­schaft mensch­li­che, fach­li­che und poli­ti­sche Erfah­run­gen. Begeg­nun­gen mit Lenin, Cla­ra Zet­kin, Her­mann Dun­cker, Hein­rich Brand­ler und die Freund­schaft mit Fritz Heckert präg­ten sei­ne anti­mi­li­ta­ri­sti­sche und gegen­über der SPD-Füh­rung kri­ti­sche Hal­tung. Nach­dem er als Sol­dat ab 1915 den Krieg erlebt hat­te, sah er die gesell­schaft­li­che Alter­na­ti­ve in der rus­si­schen Revo­lu­ti­on vom Novem­ber 1917. Er ver­ließ die SPD und schloss sich der USPD, spä­ter der 1919 gegrün­de­ten Kom­mu­ni­sti­schen Par­tei Deutsch­lands an, in der er sich zu einem aner­kann­ten und geach­te­ten Funk­tio­när entwickelte.

1920 nahm er als gewähl­ter deut­scher Dele­gier­ter am IV. Welt­kon­gress der Kom­mu­ni­sti­schen Inter­na­tio­na­le in Mos­kau teil. In den Jah­ren 1920 bis 1929 gehör­te Robert Sie­wert der KPD-Frak­ti­on im Säch­si­schen Land­tag an. Span­nun­gen in der KPD führ­ten dazu, dass das Zen­tral­ko­mi­tee der Par­tei über sei­nen wei­te­ren Ein­satz ver­füg­te. Bei Bei­be­hal­tung sei­nes Land­tags­man­dats in Sach­sen wur­de er beauf­tragt, den Par­tei­ver­lag »Ver­ei­ni­gung inter­na­tio­na­ler Ver­lags­an­stal­ten GmbH« (VIVA) in Ber­lin zu lei­ten. Neben Par­tei­li­te­ra­tur gab die VIVA u. a. zeit­wei­lig eine sati­ri­sche Zeit­schrift zur Unter­stüt­zung kom­mu­ni­sti­scher Agi­ta­ti­on her­aus. Der »Knüp­pel« wur­de maß­geb­lich von John Heart­field gestaltet.

Am Ende des Jah­res 1928 wur­de Robert Sie­wert von allen Funk­tio­nen ent­bun­den und im Janu­ar 1929 wegen »rech­ter Abwei­chun­gen« aus der KPD aus­ge­schlos­sen. Er hat­te sich zur KPD-Oppo­si­ti­on (KPD-O) um Hein­rich Brand­ler und August Thal­hei­mer bekannt. Nach der Macht­über­tra­gung an die Faschi­sten gehör­te Robert zu den Ver­ant­wort­li­chen, die die KPD-O in die Ille­ga­li­tät führ­ten. Im April 1935 erfolg­te sei­ne Ver­haf­tung und im Dezem­ber sei­ne Ver­ur­tei­lung zu drei Jah­ren Zucht­haus wegen »Vor­be­rei­tung zum Hochverrat«.

Nach Ver­bü­ßung der Haft­stra­fe wies ihn die Gesta­po im Sep­tem­ber 1938 in das noch im Auf­bau befind­li­che KZ Buchen­wald ein, wo er als poli­ti­scher Häft­ling die Num­mer 5044 erhielt. Sei­ne fach­li­che Kom­pe­tenz ver­an­lass­te die SS, ihn als Funk­ti­ons­häft­ling (»Kapo«) im Bau­kom­man­do ein­zu­set­zen. Kraft sei­ner Wür­de aus­strah­len­den Per­sön­lich­keit, sei­ner Sou­ve­rä­ni­tät und sei­nes Mutes ret­te­te Robert Sie­wert das Leben vie­ler gefähr­de­ter Kame­ra­den. Als wäh­rend des Krie­ges auch immer mehr Kin­der und Jugend­li­che in das KZ Buchen­wald kamen, war es Robert Sie­wert, der der SS die Zustim­mung abtrotz­te, die Jun­gen zu Bau­ar­bei­tern auszubilden.

Als im Lager bekannt wur­de, dass die SS Ernst Thäl­mann ermor­det hat­te, führ­ten Häft­lin­ge ein ille­ga­les Geden­ken durch, auf dem Robert Sie­wert sprach. Er und ande­re Betei­lig­te wur­den ver­ra­ten, am 30. Okto­ber 1944 ver­haf­tet und von der Gesta­po bestia­lisch gefol­tert. Robert Sie­wert über­leb­te ein hal­bes Jahr schwer­ster Folter.

Im Mai 1945 konn­te er das Lager ver­las­sen und ging auf Vor­schlag der Lei­tung des ille­ga­len Buchen­wal­der Par­tei­ak­tivs der KPD nach Hal­le, um erste Schrit­te für den Wie­der­auf­bau ein­zu­lei­ten. Bereits im Juli 1945 erfolg­te die Bestä­ti­gung für Robert Sie­wert in der Funk­ti­on als 1. Vize­prä­si­dent und Innen­mi­ni­ster der Pro­vinz Sach­sen. Ent­eig­nung von Nazi- und Kriegs­ver­bre­chern, Boden­re­form, Schul­re­form, Säu­be­rung von Ver­wal­tung, Poli­zei und Justiz wur­den Berei­che, denen er sich mit hohem per­sön­li­chem Ein­satz erfolg­reich zuwand­te. Zugleich enga­gier­te er sich in der 1947 gegrün­de­ten Ver­ei­ni­gung der Ver­folg­ten des Nazi­re­gimes (VVN) zu deren lei­ten­den Funk­tio­nä­ren er gehörte.

Im Zusam­men­hang mit Par­tei­über­prü­fun­gen in der SED bezog er öffent­lich zu sei­ner Mit­glied­schaft in der KPD-O Stel­lung. Sein stän­di­ges Drän­gen auf Aner­ken­nung sei­ner unun­ter­bro­che­ne Par­tei­mit­glied­schaft seit Ein­tritt in die SPD 1906 hat­te 1959 Erfolg, wobei ange­merkt wur­de, dass er von 1929 bis 1933 der par­tei­feind­li­chen Grup­pie­rung KPD-O ange­hör­te. Im Alter von sechs­und­acht­zig Jah­ren ver­starb Robert Sie­wert 1973.

Die ver­dienst­vol­le Bio­gra­fie von Harald Jentsch hät­te eine sorg­fäl­ti­ge­re Arbeit des Ver­lags ver­dient. Druck­feh­ler sowie inhalt­li­che Feh­ler hät­ten sich ver­mei­den las­sen. In der Inhalts­an­ga­be wird als Geburts­jahr 1987 ange­ge­ben, in der Kapi­tel­über­schrift wie­der­holt sich das. Im Ver­lags­text auf der Rück­sei­te des Buches erhält er plötz­lich den Beruf Zim­mer­mann. Im Ver­lags­text heißt es »Sie­wert gehör­te der Lager­lei­tung an«. Das ist falsch! Das Lager wur­de allein von der SS gelei­tet. Es gab auch kei­ne »ille­ga­le Lager­lei­tung« (nd, eben­da). Es gab das ille­ga­le inter­na­tio­na­le Lager­ko­mi­tee der Häft­lin­ge. Bedauerlich!

Harald Jentsch: Robert Sie­wert. Eine Bio­gra­fie, ver­lag am park in der edi­ti­on ost. Ber­lin, 2023. 395 S., 25 €.