Wir beleidigen überreiche Menschen zu wenig. Das ist mein Gefühl, nachdem ich das Buch »Die Reichen und Hässlichen« von Marco Höne gelesen habe.
In dem Roman geht es um Kai Brommel, Sohn einer Familie von Stahlindustriellen. Er lebt ein dekadentes Bussi-Bussi Leben auf Sylt und weiß im Grunde nichts mit sich anzufangen. Als der Vater gesundheitlich absackt, steht aber die Frage im Raum, wie das Erbe eines Firmenimperiums übergeben wird – und an wen.
Kai hat mehrere Geschwister. Die Frage der Nachfolge scheint dem Jungmillionär nochmal Hoffnung auf einen Lebenssinn zu geben, aber weil er halt kein besonders talentierter Mensch ist, wird das nicht allzu leicht. Und da sind wir auch bei dem Punkt, der mich so anfasst. Das Buch übertreibt, spritzt zu, ist am Ende Fiktion, aber: Es zelebriert das Fatale. Überreiche sind keine Übermenschen! Die ökonomische Macht in diesem Staat ist vielfach in der Hand von Menschen, die genauso dumm, verloren und hedonistisch sind wie alle anderen auch. Ihr moralischer Kompass ist dank sozialer Schwäche vermutlich sogar unterdurchschnittlich, wie Interviews immer wieder beweisen. Wo Politiker/innen zumindest noch demokratische Verfahren überstehen müssen, können Firmen mit tausenden Beschäftigten an Trottel vererbt werden. Das ist doch irgendwie irre, auch wenn es alle im Kapitalismus so akzeptieren.
Irre endet das Buch auch, weil Kai sein Unvermögen dank seinem Vermögen nicht zu erkennen vermag und völlig in Überheblichkeit eskaliert.
Der Autor, Marco Höne, ist laut Google kein unbekannter. Er war mal in Schleswig-Holstein für DIE LINKE tätig und organisierte Demonstrationen für Vermögenssteuern auf Sylt direkt bei der »High-Society«. Spürbar, dass er hier wohl noch eine Rechnung offen hatte. Aber mich hat er abgeholt. Ich finde, es braucht mehr solcher gegen die Superreichen ätzende Bücher. Nicht nur Sachbücher auch Literatur muss den Zeitgeist verändern, damit die Konfliktlinie zwischen oben und unten, anstatt zwischen innen und außen verläuft.
Wir beleidigen Reiche zu wenig. Wir diskutieren ihren Lifestyle und seine gesellschaftlichen Kosten zu wenig. Wir reden zu wenig darüber, dass wir uns konzentrierten Reichtum gar nicht leisten sollten.
Marco Höne: Die Reichen und Hässlichen, Omnino Verlag, Berlin 2024, 364 S., 18 €.