Skip to content

Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

Menu
Menu

Reich und hässlich

Wir belei­di­gen über­rei­che Men­schen zu wenig. Das ist mein Gefühl, nach­dem ich das Buch »Die Rei­chen und Häss­li­chen« von Mar­co Höne gele­sen habe.

In dem Roman geht es um Kai Brom­mel, Sohn einer Fami­lie von Stahl­in­du­stri­el­len. Er lebt ein deka­den­tes Bus­si-Bus­si Leben auf Sylt und weiß im Grun­de nichts mit sich anzu­fan­gen. Als der Vater gesund­heit­lich absackt, steht aber die Fra­ge im Raum, wie das Erbe eines Fir­men­im­pe­ri­ums über­ge­ben wird – und an wen.

Kai hat meh­re­re Geschwi­ster. Die Fra­ge der Nach­fol­ge scheint dem Jung­mil­lio­när noch­mal Hoff­nung auf einen Lebens­sinn zu geben, aber weil er halt kein beson­ders talen­tier­ter Mensch ist, wird das nicht all­zu leicht. Und da sind wir auch bei dem Punkt, der mich so anfasst. Das Buch über­treibt, spritzt zu, ist am Ende Fik­ti­on, aber: Es zele­briert das Fata­le. Über­rei­che sind kei­ne Über­men­schen! Die öko­no­mi­sche Macht in die­sem Staat ist viel­fach in der Hand von Men­schen, die genau­so dumm, ver­lo­ren und hedo­ni­stisch sind wie alle ande­ren auch. Ihr mora­li­scher Kom­pass ist dank sozia­ler Schwä­che ver­mut­lich sogar unter­durch­schnitt­lich, wie Inter­views immer wie­der bewei­sen. Wo Politiker/​innen zumin­dest noch demo­kra­ti­sche Ver­fah­ren über­ste­hen müs­sen, kön­nen Fir­men mit tau­sen­den Beschäf­tig­ten an Trot­tel ver­erbt wer­den. Das ist doch irgend­wie irre, auch wenn es alle im Kapi­ta­lis­mus so akzeptieren.

Irre endet das Buch auch, weil Kai sein Unver­mö­gen dank sei­nem Ver­mö­gen nicht zu erken­nen ver­mag und völ­lig in Über­heb­lich­keit eskaliert.

Der Autor, Mar­co Höne, ist laut Goog­le kein unbe­kann­ter. Er war mal in Schles­wig-Hol­stein für DIE LINKE tätig und orga­ni­sier­te Demon­stra­tio­nen für Ver­mö­gens­steu­ern auf Sylt direkt bei der »High-Socie­ty«. Spür­bar, dass er hier wohl noch eine Rech­nung offen hat­te. Aber mich hat er abge­holt. Ich fin­de, es braucht mehr sol­cher gegen die Super­rei­chen ätzen­de Bücher. Nicht nur Sach­bü­cher auch Lite­ra­tur muss den Zeit­geist ver­än­dern, damit die Kon­flikt­li­nie zwi­schen oben und unten, anstatt zwi­schen innen und außen verläuft.

Wir belei­di­gen Rei­che zu wenig. Wir dis­ku­tie­ren ihren Life­style und sei­ne gesell­schaft­li­chen Kosten zu wenig. Wir reden zu wenig dar­über, dass wir uns kon­zen­trier­ten Reich­tum gar nicht lei­sten sollten.

Mar­co Höne: Die Rei­chen und Häss­li­chen, Omni­no Ver­lag, Ber­lin 2024, 364 S., 18 €.