Die DEFA-Stiftung verwaltet die Kinofilme der DDR und macht sie als Teil des nationalen Kulturerbes für die Öffentlichkeit nutzbar. Darüber hinaus unterhält die Stiftung ein umfangreiches Archiv audiovisueller Zeitzeugenberichte und betreut Publikationen, die im Zusammenhang mit den DEFA-Filmen stehen, so auch den jetzt vorgelegten Band »Sie – Regisseurinnen und ihre Filme«.
Die Filmwissenschaftlerin und Dramaturgin Cornelia Klauß und der Filmwissenschaftler und Publizist Ralf Schenk hatten die Idee, eine Liste aller DEFA-Regisseurinnen zusammenzustellen und waren überrascht, auf wie viele Namen sie bei ihren Recherchen stießen. Daraus entwickelten sie das oben genannte Buch.
Im einleitenden Kapitel »Die eigene Handschrift« schreibt Cornelia Klauß: »Der ›weibliche Blick‹ zeigt sich unbestritten erst einmal in der Blickrichtung der Regisseurinnen, die einen vornehmlichen Fokus auf Frauenthemen hatten. Sie waren mit ihren Protagonistinnen auf Augenhöhe. […] Und sie haben dezidiert die offizielle Frauenpolitik der DDR, auf die ›man‹ so stolz war, auf dem Prüfstand gestellt.«
Das Buch berichtet über die Jahre zwischen 1946 und 1992, in denen mehr als sechzig Regisseurinnen für die DEFA – vom Spiel- und Dokumentarfilm über den populärwissenschaftlichen und den Werbefilm bis zum Trickfilm und der Wochenschau »Der Augenzeuge« – tätig waren. Für jede der Künstlerinnen steht ein Beitrag in essayistischer Form, in der Regel von vier Seiten und mit einem Porträtfoto und der Filmografie, im Band.
Zur Rolle der Frauen in der Filmbranche schreibt Ralf Schenk: »Im Kino der Vorkriegszeit und in der Bundesrepublik galt Regie lange Zeit als Männersache, sieht man einmal von Leni Riefenstahl ab oder von Lotte Reiniger im Animationsfilm. Auch im DEFA-Spielfilmstudio kommen nach Bärbl Bergmann mit der früh verstorbenen Ingrid Reschke, mit Iris Gusner, Hannelore Unterberg und Evelyn Schmidt erst um 1970 ein paar wenige Frauen auf den Regiestuhl. Stattdessen wurde es zu einer Art Markenzeichen des DEFA-Spielfilms, dass viele Männer immer wieder Geschichten von starken Frauen erzählten […] Diese Filme wurden oft von Autorinnen geschrieben; ich denke nur an Helga Schütz. Auch in der DEFA-Dramaturgie arbeiteten viele Frauen, brachten ihre Themen geschickt ›an den Mann‹.«
Die erste Frau, die bei der DEFA als Regisseurin Spielfilme drehen durfte – wenn auch nur von 30 bis 60 Minuten Länge –, war Bärbl Bergmann (1931 – 2003). Ihren ersten Film, »Ein ungewöhnlicher Tag« drehte sie 1959, mit Daniela Dahn als Hauptdarstellerin, damals 10 Jahre alt.
Beiträge für den Band lieferten unter anderem der Trickfilmer Jörg Hermann, der zeichnende Autor Harald Kretzschmar, der Dramaturg Hans Müncheberg und die Journalistin Anke Westphal. Zum Buch gehören zwei DVDs mit 18 DEFA-Filmperlen aus den Jahren von 1949 bis 1990.
Der Dokumentarfilm »Aktfotografie – Gundula Schulze« von Helke Misselwitz, produziert 1983, widerspricht der Behauptung, es habe in der DDR keinen Feminismus geben.
Cornelia Klauß/Ralf Schenk (Hg.): »Sie – Regisseurinnen der DEFA«, Schriftenreihe der DEFA-Stiftung, 416 Seiten, 2 DVDs, 29 €, Bezug über Bertz + Fischer Verlag, Görlitzer Straße 7, 10997 Berlin, mail@bertz-fischer.de