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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Regelbasiert

Die welt­wei­ten CO2-Emis­sio­nen aus fos­si­len Ener­gie­trä­gern stei­gen wei­ter an. Sie wer­den 2023 aller Vor­aus­sicht nach mit 36,8 Mil­li­ar­den Ton­nen einen neu­en Höchst­wert erreicht haben, schrei­ben For­scher der Uni­ver­si­tät Exe­ter (Groß­bri­tan­ni­en) in einem am 05.12.23 im Fach­ma­ga­zin Earth System Sci­ence Data ver­öf­fent­lich­ten Bericht. Das wären 1,1 Pro­zent mehr als 2022. Damit könn­te das Ziel, die Erd­er­wär­mung auf 1,5 Grad Cel­si­us im Ver­gleich zum vor­in­du­stri­el­len Zeit­al­ter zu begren­zen, schon in sie­ben Jah­ren Maku­la­tur sein. »Es wird immer dring­li­cher«, sag­te Stu­di­en­au­tor Pierre Fried­ling­stein. Die Welt­kli­ma­kon­fe­renz COP 28 in Dubai müs­se »jetzt« etwas gegen die Ver­schmut­zung durch fos­si­le Ener­gie­trä­ger unter­neh­men. Um genau das zu ver­hin­dern, hat die Öl-, Gas- und Koh­le­indu­strie mehr als 2.400 Lob­by­isten zur COP geschickt – so vie­le wie nie zuvor. Die ach­te­ten dar­auf, dass die Beschlüs­se von Dubai regel­ba­siert blie­ben. Bör­sen-regel­ba­siert. (AFP/​dpa/​jW 06.12.23)

Zwar wur­de in Dubai end­lich ein lan­ge gefor­der­ter Fonds für die Ver­lu­ste und Schä­den ein­ge­rich­tet, aber erst knapp 700 Mil­lio­nen US-Dol­lar an Mit­teln zuge­sagt. Nötig wären 100 bis 500 Mil­li­ar­den US-Dol­lar im Jahr. Deutsch­land ver­sprach für den Fonds 100 Mil­lio­nen US-Dol­lar. RWE soll hin­ge­gen für die vor­zei­ti­ge Stilllegung sei­ner ohne­hin nahe­zu abge­schrie­be­nen Braun­koh­le­kraft­wer­ke 2,6 Mil­li­ar­den Euro erhal­ten. Und für Dienst­wa­gen­pri­vi­leg, Die­sel­ver­gün­sti­gun­gen und ande­re Sub­ven­tio­nen fos­si­ler Brenn­stof­fe wer­den hier­zu­lan­de jähr­lich über 60 Mil­li­ar­den Euro auf­ge­wen­det bezie­hungs­wei­se Steu­ern erlas­sen, wie das Umwelt­bun­des­amt errech­net hat (jW 14.12.23) Natür­lich regelbasiert!

Da lässt sich aber auch nicht so ein­fach ein­spa­ren: Tau­sen­de Land­wir­te haben im Dezem­ber und Janu­ar in Ber­lin mit ihren Trak­to­ren demon­striert, dass sie sich die Strei­chung der Steu­er­vor­tei­le für Land­wir­te bei Die­sel nicht gefal­len las­sen wer­den. Prompt will Land­wirt­schafts­mi­ni­ster Özd­emir nach­ver­han­deln. Wenn deut­sche Bau­ern Fran­zö­sisch ler­nen, wird es eng für Grü­ne Mini­ster. Da pfeift die Basis auf Regeln!

Aber auch die Regie­ren­den bie­gen sich ihre Regeln gern nach Bedarf zurecht. Die FDP drängt in der Haus­halts­kri­se auf Ver­schlan­kung des Staa­tes und Kür­zung von Aus­ga­ben, aber nicht in den von ihr geführ­ten Mini­ste­ri­en für Finan­zen und Justiz. Wäh­rend Bau-, Umwelt- und Fami­li­en­mi­ni­ste­ri­um nur jeweils eine Beför­de­rung ange­mel­det hät­ten und das Wirt­schafts­mi­ni­ste­ri­um fünf Mit­ar­bei­ter anhe­ben wol­le, sei­en in Bun­des­ju­stiz- und Bun­des­fi­nanz­mi­ni­ste­ri­um (bei­de FDP) aktu­ell 59 Namen geli­stet, berich­tet der digi­ta­le Medi­en­dienst Table Media. Das Finanz­mi­ni­ste­ri­um sprach von einer »regu­lä­ren Per­so­nal­ent­wick­lung für Füh­rungs­kräf­te« (dpa/​jW 07.12.23). War­um nicht gleich von einer regelbasierten?

Aber immer­hin: Zwei posi­ti­ve Nach­rich­ten lie­ßen fast weih­nacht­li­che Gefüh­le auf­kom­men: Wind, Son­ne und ande­re erneu­er­ba­re Ener­gie­quel­len haben im ver­gan­ge­nen Jahr erst­mals mehr als die Hälf­te des Brut­to­strom­ver­brauchs in Deutsch­land gedeckt. Das erga­ben vor­läu­fi­ge Berech­nun­gen des Zen­trums für Son­nen­en­er­gie- und Was­ser­stoff­for­schung und des Bun­des­ver­bands der Ener­gie- und Was­ser­wirt­schaft. Dem­nach stieg der Anteil der Erneu­er­ba­ren im Ver­gleich zum Vor­jah­res­zeit­raum um fünf Pro­zent­punk­te auf 52 Pro­zent (AFP/​jW 19.12.23).

Und in einem Aus­nah­me­fall kann es viel­leicht mal ohne krie­ge­ri­sche Aus­ein­an­der­set­zun­gen gehen: Vene­zue­la und Gua­ya­na ver­han­deln über die Staats­ho­heit über ein Gebiet, vor des­sen Küste Ölfel­der ent­deckt wur­den, deren Aus­beu­tung sich Exxon gesi­chert hat mit einem Ver­trag mit der Regie­rung Guya­nas. 75 Pro­zent der Gewin­ne darf sich die Fir­ma laut Ver­trag ein­stecken, nur 25 Pro­zent muss sie mit der Regie­rung Gua­ya­nas tei­len. Das Gebiet ist seit 100 Jah­ren umstrit­ten. 1962 rekla­mier­te Vene­zue­la offi­zi­ell bei den Ver­ein­ten Natio­nen sei­ne Ansprü­che auf »Gua­ya­na Ese­qui­ba«. Kurz vor der Unab­hän­gig­keit Guya­nas im Mai 1966 unter­zeich­ne­ten Cara­cas und Lon­don in Genf ein bis heu­te gül­ti­ges Abkom­men, in dem sie sich ver­pflich­te­ten, die gegen­sei­ti­gen Ansprü­che in Ver­hand­lun­gen zu klä­ren, um eine ein­ver­nehm­li­che Lösung zu fin­den. Im aktu­el­len Kon­flikt wirft Vene­zue­las Regie­rung Guya­na vor, gegen die Gen­fer Ver­ein­ba­rung zu ver­sto­ßen. Aber immer­hin: Es wird nicht geschos­sen, son­dern ver­han­delt Auch wenn es »kein ein­tä­gi­ges Kricket­spiel« wird, wie Gast­ge­ber Ralph Gon­sal­ves, der Pre­mier­mi­ni­ster von St. Vin­cent und den Gre­na­di­nen, vor­ab mein­te (jW 16./17.12.23). Immer noch bes­ser ein regel­ba­sier­tes Kricket­spiel als regel­ba­sier­te Außen­po­li­tik á la Baerbock.

Kurz nach Weih­nach­ten gab es dann noch einen Fuß­tritt vom sozi­al­de­mo­kra­ti­schen Arbeits­mi­ni­ster für die Bezie­her von Bür­ger­geld. Heil erklär­te im Inter­view mit BILD: Wer »zumut­ba­re« Jobs ablehnt, dem soll die Regel­lei­stung bis zu zwei Mona­te kom­plett gestri­chen wer­den. Ledig­lich die Kosten für die Unter­kunft soll der Staat wei­ter über­neh­men, um die Betrof­fe­nen vor Obdach­lo­sig­keit zu bewah­ren. Die­se Sank­ti­on ist noch schär­fer als die Sank­tio­nen im alten Hartz-IV-System und soll den ange­spann­ten Haus­halt um bis zu 250 Mil­lio­nen Euro jähr­lich »ent­la­sten« (jW 06./07.01.24).

Sol­len sie doch Regeln fres­sen, wür­de Köni­gin Marie-Antoi­net­te gesagt haben, bevor sie regel­ba­siert guil­lo­ti­niert wurde.