Die Wahl im fünfzigsten Jahr des Sturzes der faschistischen Diktatur durch die Nelken-Revolution vom 25. April 1974, brachte am 10. März einen klaren Rechtsruck. Als Sieger der Wahl fühlt sich die rechtsextreme, profaschistische Partei Chega.
Zur Erinnerung: Am 25. April 1974 sang der antifaschistische Sänger José Afonco sein Lied: »Grândola Vila Morena« – Grândola braungebrannte Stadt – im katholischen Rádio Renascença. Das war das Zeichen zur Beendigung des vom Diktator António de Oliveira Salazar begründeten faschistischen Estado Novo.
Bei der jetzigen März-Wahl war die Beteiligung der Wähler sehr hoch. Es kamen Wähler, die vorher der Stimmenabgabe fernblieben, darunter auch zahlreiche Protestwähler. Ihre Stimme ist wohl der Schlüssel zum Erfolg der Partei Chega, übersetzt aus dem Portugiesischen: »Es reicht«. Die Partei wurde vom promovierten Juristen André Ventura im April 2019 gegründet, der 2017 noch als Kandidat der Partido Social Democrata zum Stadtrat von Loures im Großraum von Lissabon gewählt worden war. Im Jahr 2019 konnte Chega kein Mandat erreichen, bei der Wahl im Januar 2022 kam sie bereits auf 1,1 Millionen Stimmen und 12 Mandate. Jetzt wird die Chega mit 48 Abgeordneten in das 230 Sitze umfassende Parlament in Lissabon einziehen und ist damit die drittstärkste politische Kraft in Portugal.
Das Wahlprogramm der Chega ist national-konservativ und nimmt das Erbe des Estado Novo von Salazar auf. Die Partei wendet sich gegen Abtreibung und Sterbehilfe, gegen politische Korrektheit, kulturellen Marxismus und die Ideologie der Geschlechtertheorie – was immer das genau sein mag.
Gewinner der Parlamentswahl ist die Aliança Democrática (Demokratische Allianz AD), zu der sich die drei Parteien PSD/CDS und PPM verbunden haben; die AD erreichte 79 Abgeordnetensitze. Die Partido Socialista (mit Hilfe der SPD am 19.04.1973 in der Kurt-Schumacher-Akademie in Bad Bergneustadt gegründet), die unter dem Ministerpräsidenten António Costa 8 Jahre mit absoluter Mehrheit regierte, verlor 42 Mandate und ist nur noch mit 77 Mandaten im Parlament vertreten. Der Chega folgen einige kleinere Parteien, die für die Mehrheitsbildung kaum eine Rolle spielen werden.
Der »Rote Alentejo« ist nach der Wahl ohne Kommunisten. Bereits bei der Wahl 2022 konnte die PCP in ihren traditionellen Bezirken Santarém und Évora keine Mandate mehr gewinnen. Die Agrarreform im Alentejo die mit der Nelken-Revolution ihren Anfang nahm, ist längst rückgängig gemacht worden. Das Land ist wieder in den Händen derer, die dank ihrer Geburt Besitz haben.
Ein Genosse der PC in Alezur/Algarve schrieb zur Wahl am 10. März 2024 einen Brief. Hier heißt es: »Liebe Genossinnen und Genossen, das Phänomen des Erstarkens rechtsextremer Parteien ist nicht nur in dieser kleinen Ecke der Welt zu beobachten, sondern in allen westlichen Ländern. Im Fernsehen und in den ›ehrfürchtigen‹ Zeitungen proben die Fachleute ihre langweiligen und kurzsichtigen Analysen und behaupten, dass die PCP dieses oder jenes hätte tun müssen, um die vorhergesagte Katastrophe zu vermeiden. (…) Ich war in einem der zwei Wahllokale dabei. Wir wurden still und ängstlich, als wir sahen, wie der Stapel der Stimmen für Chega wuchs. Ich war enttäuscht, aber mir kam es nie in den Sinn, das Handtuch zu werfen.«
Das gibt für Portugal Hoffnung, dass die Nelken-Revolution noch nicht vergessen ist. Bis jetzt hat der Wahlgewinner, die Demokratische Allianz, jede Koalition mit der Chega abgelehnt. Auch die Partido Socialista steht nicht für eine Regierung mit der AD bereit, sie will in die Opposition gehen. Somit kommt es voraussichtlich zu einer Minderheitsregierung der Demokratischen Allianz die von den anderen Parteien im Parlament – mit Ausnahme der Chega – toleriert wird.
Nachtrag: Nicht nur die Partei Chega wirft einen Schatten auf die Republik, auch der Staatspräsident der República Protuguesa, Marcelo Rebelo de Sousa, mit Parteibuch Nummer 3 Mitglied der Partido del Socialismo Democrático, dessen Taufpate niemand geringeres als Diktator António de Oliveira Salazar war. Das steht weder in einem Lexikon noch in der Wikipedia.