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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Rechtsruck in Portugal

Die Wahl im fünf­zig­sten Jahr des Stur­zes der faschi­sti­schen Dik­ta­tur durch die Nel­ken-Revo­lu­ti­on vom 25. April 1974, brach­te am 10. März einen kla­ren Rechts­ruck. Als Sie­ger der Wahl fühlt sich die rechts­extre­me, pro­fa­schi­sti­sche Par­tei Che­ga.

Zur Erin­ne­rung: Am 25. April 1974 sang der anti­fa­schi­sti­sche Sän­ger José Afon­co sein Lied: »Grân­do­la Vila More­na« – Grân­do­la braun­ge­brann­te Stadt – im katho­li­schen Rádio Ren­as­cen­ça. Das war das Zei­chen zur Been­di­gung des vom Dik­ta­tor Antó­nio de Oli­vei­ra Sala­zar begrün­de­ten faschi­sti­schen Estado Novo.

Bei der jet­zi­gen März-Wahl war die Betei­li­gung der Wäh­ler sehr hoch. Es kamen Wäh­ler, die vor­her der Stim­men­ab­ga­be fern­blie­ben, dar­un­ter auch zahl­rei­che Pro­test­wäh­ler. Ihre Stim­me ist wohl der Schlüs­sel zum Erfolg der Par­tei Che­ga, über­setzt aus dem Por­tu­gie­si­schen: »Es reicht«. Die Par­tei wur­de vom pro­mo­vier­ten Juri­sten André Ven­tura im April 2019 gegrün­det, der 2017 noch als Kan­di­dat der Part­ido Social Demo­cra­ta zum Stadt­rat von Lou­res im Groß­raum von Lis­sa­bon gewählt wor­den war. Im Jahr 2019 konn­te Che­ga kein Man­dat errei­chen, bei der Wahl im Janu­ar 2022 kam sie bereits auf 1,1 Mil­lio­nen Stim­men und 12 Man­da­te. Jetzt wird die Che­ga mit 48 Abge­ord­ne­ten in das 230 Sit­ze umfas­sen­de Par­la­ment in Lis­sa­bon ein­zie­hen und ist damit die dritt­stärk­ste poli­ti­sche Kraft in Portugal.

Das Wahl­pro­gramm der Che­ga ist natio­nal-kon­ser­va­tiv und nimmt das Erbe des Estado Novo von Sala­zar auf. Die Par­tei wen­det sich gegen Abtrei­bung und Ster­be­hil­fe, gegen poli­ti­sche Kor­rekt­heit, kul­tu­rel­len Mar­xis­mus und die Ideo­lo­gie der Geschlech­ter­theo­rie – was immer das genau sein mag.

Gewin­ner der Par­la­ments­wahl ist die Ali­an­ça Demo­crá­ti­ca (Demo­kra­ti­sche Alli­anz AD), zu der sich die drei Par­tei­en PSD/​CDS und PPM ver­bun­den haben; die AD erreich­te 79 Abge­ord­ne­ten­sit­ze. Die Part­ido Socia­li­sta (mit Hil­fe der SPD am 19.04.1973 in der Kurt-Schu­ma­cher-Aka­de­mie in Bad Berg­neu­stadt gegrün­det), die unter dem Mini­ster­prä­si­den­ten Antó­nio Costa 8 Jah­re mit abso­lu­ter Mehr­heit regier­te, ver­lor 42 Man­da­te und ist nur noch mit 77 Man­da­ten im Par­la­ment ver­tre­ten. Der Che­ga fol­gen eini­ge klei­ne­re Par­tei­en, die für die Mehr­heits­bil­dung kaum eine Rol­le spie­len werden.

Der »Rote Alen­te­jo« ist nach der Wahl ohne Kom­mu­ni­sten. Bereits bei der Wahl 2022 konn­te die PCP in ihren tra­di­tio­nel­len Bezir­ken Sant­a­rém und Évo­ra kei­ne Man­da­te mehr gewin­nen. Die Agrar­re­form im Alen­te­jo die mit der Nel­ken-Revo­lu­ti­on ihren Anfang nahm, ist längst rück­gän­gig gemacht wor­den. Das Land ist wie­der in den Hän­den derer, die dank ihrer Geburt Besitz haben.

Ein Genos­se der PC in Alezur/​Algarve schrieb zur Wahl am 10. März 2024 einen Brief. Hier heißt es: »Lie­be Genos­sin­nen und Genos­sen, das Phä­no­men des Erstar­kens rechts­extre­mer Par­tei­en ist nicht nur in die­ser klei­nen Ecke der Welt zu beob­ach­ten, son­dern in allen west­li­chen Län­dern. Im Fern­se­hen und in den ›ehr­fürch­ti­gen‹ Zei­tun­gen pro­ben die Fach­leu­te ihre lang­wei­li­gen und kurz­sich­ti­gen Ana­ly­sen und behaup­ten, dass die PCP die­ses oder jenes hät­te tun müs­sen, um die vor­her­ge­sag­te Kata­stro­phe zu ver­mei­den. (…) Ich war in einem der zwei Wahl­lo­ka­le dabei. Wir wur­den still und ängst­lich, als wir sahen, wie der Sta­pel der Stim­men für Che­ga wuchs. Ich war ent­täuscht, aber mir kam es nie in den Sinn, das Hand­tuch zu werfen.«

Das gibt für Por­tu­gal Hoff­nung, dass die Nel­ken-Revo­lu­ti­on noch nicht ver­ges­sen ist. Bis jetzt hat der Wahl­ge­win­ner, die Demo­kra­ti­sche Alli­anz, jede Koali­ti­on mit der Che­ga abge­lehnt. Auch die Part­ido Socia­li­sta steht nicht für eine Regie­rung mit der AD bereit, sie will in die Oppo­si­ti­on gehen. Somit kommt es vor­aus­sicht­lich zu einer Min­der­heits­re­gie­rung der Demo­kra­ti­schen Alli­anz die von den ande­ren Par­tei­en im Par­la­ment – mit Aus­nah­me der Che­ga – tole­riert wird.

Nach­trag: Nicht nur die Par­tei Che­ga wirft einen Schat­ten auf die Repu­blik, auch der Staats­prä­si­dent der Repú­b­li­ca Pro­tu­guesa, Mar­ce­lo Rebe­lo de Sou­sa, mit Par­tei­buch Num­mer 3 Mit­glied der Part­ido del Socia­lis­mo Demo­crá­ti­co, des­sen Tauf­pa­te nie­mand gerin­ge­res als Dik­ta­tor Antó­nio de Oli­vei­ra Sala­zar war. Das steht weder in einem Lexi­kon noch in der Wiki­pe­dia.