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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Rechts, wo die Mitte ist

So lau­tet der Titel eines Buches, in dem ich das Wie­der­auf­le­ben des Natio­na­lis­mus in der Bun­des­re­pu­blik geschil­dert habe, als in Gestalt von Wil­ly Brandt erst­mals nach dem Zwei­ten Welt­krieg ein Sozi­al­de­mo­krat ins Bun­des­kanz­ler­amt ein­ge­zo­gen war (S. Fischer Ver­lag, 1972). Der Medi­en­wis­sen­schaft­ler Har­ry Pross gewann bei der Lek­tü­re den Ein­druck, dass – wie er im Vor­wort for­mu­lier­te – in der Mit­te der bun­des­re­pu­bli­ka­ni­schen Sze­ne­rie argu­men­tiert wer­de, »wie die Toten­grä­ber der Wei­ma­rer Repu­blik argu­men­tiert haben«. Für mich stan­den CDU und CSU immer »rechts, wo die Mit­te ist«.

Dar­an haben die Kanz­ler­schaft Ange­la Mer­kels und ihr Wir­ken als CDU-Vor­sit­zen­de nichts geän­dert. Tei­le der Par­tei sind hin­ge­gen der Mei­nung, die Christ­lich Demo­kra­ti­sche Uni­on habe ihren Stand­ort nach links ver­la­gert und das Auf­kom­men der AfD dadurch ermög­licht, wes­halb Ange­la Mer­kel »weg« müs­se. Sie set­zen ihre Hoff­nun­gen auf den ehe­ma­li­gen Vor­sit­zen­den der Uni­ons­frak­ti­on im Bun­des­tag Fried­rich Merz, der von sich sagt, er ste­he für Auf­bruch und Erneue­rung und traue sich zu, die AfD zu hal­bie­ren. Von einem »Wei­ter so«, wie er das bei sei­nem Mit­be­wer­ber um den Par­tei­vor­sitz, Armin Laschet, ver­mu­tet, hält er nichts.

In wel­che Rich­tung die CDU auf­bre­chen soll­te, kann nach allem, was man von Merz weiß, nicht zwei­fel­haft sein. Umso über­ra­schen­der sei­ne Aus­sa­ge in den ARD-Tages­the­men vom 25. Febru­ar, nie­mand in der CDU möch­te eine »Rechts­ver­schie­bung«. Er wol­le, dass sich die Par­tei »zurück in die Mit­te« bewe­ge. Dort hät­ten sich frü­her die Stamm­wäh­ler der Par­tei befun­den. Aber ist der sprich­wört­li­che gol­de­ne Mit­tel­weg, auf dem sich kon­ser­va­ti­ve Wäh­ler wäh­nen, wenn sie ihr Kreuz bei der CDU machen, wirk­lich das Ziel von Fried­rich Merz, der sich nach sei­nen eige­nen Wor­ten nicht mehr für Ausch­witz in Haf­tung neh­men las­sen will?

Die einst soge­nann­ten Mit­tel­par­tei­en ver­hal­fen der NSDAP am 5. März 1933 im Reichs­tag zu einer Mehr­heit für das Ermäch­ti­gungs­ge­setz, das Hit­ler den Weg frei mach­te für Will­kür und Macht­miss­brauch. Mit die­sen Par­tei­en war nach dem Ende der Nazi­dik­ta­tur eben­so wenig Staat zu machen wie mit den Mit­glie­dern der Nazi­par­tei. Sie fan­den mehr­heit­lich Unter­schlupf in der von Kon­rad Ade­nau­er unter Miss­brauch des Wor­tes christ­lich ins Leben geru­fe­nen CDU. Schon im drit­ten Jahr sei­ner Kanz­ler­schaft ver­lang­te er, »mit der Nazi­rie­che­rei Schluss zu machen«, was dann auch geschah.

Kurt Georg Kie­sin­gers Mit­glied­schaft in der NSDAP spiel­te bei sei­ner Wahl zum Bun­des­kanz­ler kei­ne Rol­le. Alfred Dreg­ger wur­de pro­blem­los zum Vor­sit­zen­den der Uni­ons­frak­ti­on im Bun­des­tag gewählt, obwohl auch er der Nazi­par­tei ange­hört hat. Hät­te nach dem Ende der DDR eine sol­che Kar­rie­re auch einem ehe­ma­li­gen Mit­glied der SED offen­ge­stan­den? Nach sei­nem poli­ti­schen Stand­ort befragt, ant­wor­te­te Dreg­ger 1971: »Ich bin ein Mann der Mit­te.« 1982 rief er alle Deut­schen auf, »aus dem Schat­ten Hit­lers her­aus­zu­tre­ten« und »nor­mal« zu wer­den. Auch Franz Josef Strauß war für ihn grund­sätz­lich ein Mann der Mitte.

»Was ist denn in der Bun­des­re­pu­blik rechts, wenn Herr Strauß und Sie Män­ner der Mit­te sind?« woll­te der Spie­gel 1971 von Dreg­ger wis­sen. »Rechts ist die NPD«, gab er zur Ant­wort. Im Übri­gen war der Rechts­ra­di­ka­lis­mus für ihn kein aktu­el­les Pro­blem. »Die gro­ße Gefahr für die Demo­kra­tie in die­ser Zeit ist der Links­ra­di­ka­lis­mus.« Wohin die­se Sicht­wei­se geführt hat, erle­ben wir nahe­zu jeden Tag aufs Neue. Der­sel­be Horst See­ho­fer, der den Rechts­po­pu­li­sten lan­ge nach dem Mun­de gere­det hat, bezeich­net den Rechts­extre­mis­mus inzwi­schen als die größ­te Gefahr für die Demo­kra­tie in der Bun­des­re­pu­blik. Was den Frak­ti­ons­vor­sit­zen­den der AfD im Bun­des­tag, Alex­an­der Gau­land, und sein schlim­mes Wort von der Nazi­zeit als »Vogel­schiss« angeht, soll­te man sich gele­gent­lich dar­an erin­nern, dass die­ser Mann 40 Jah­re Mit­glied der CDU gewe­sen ist. Wahr­schein­lich ver­steht auch er sich als »Mann der Mit­te«. Jeden­falls hält er die AfD für eine bür­ger­li­che Partei.

Wer von den drei Bewer­bern um den CDU-Vor­sitz auf dem Son­der­par­tei­tag der CDU am 25. April die mei­sten Stim­men bekommt, ist schwer zu sagen. Ent­schei­den sich die Dele­gier­ten für Fried­rich Merz, wäre das der offe­ne Bruch mit Ange­la Mer­kel und wahr­schein­lich das Ende ihrer Kanz­ler­schaft. Dann stün­den Neu­wah­len ins Haus. An denen kann der CDU ein­ge­denk ihres Wahl­de­ba­kels in Ham­burg und des Offen­ba­rungs­ei­des bei der Abwahl des thü­rin­gi­schen Mini­ster­prä­si­den­ten Bodo Rame­low nicht gele­gen sein.