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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Rassismus in der DDR?

Seit eini­gen Mona­ten wird in der Pres­se ver­stärkt das The­ma Ras­sis­mus in der DDR anhand eines angeb­li­chen frem­den­feind­lich kon­no­tier­ten Mor­des eines jun­gen Mosam­bi­ka­ners im Jah­re 1986 gepflegt. Auch dann noch, als eine staats­an­walt­schaft­li­che Unter­su­chung sowie die Recher­che von zwei Jour­na­li­stin­nen der Ber­li­ner Zei­tung erge­ben hat­ten, dass mit­nich­ten Bele­ge für einen Mord an Manu­el Dio­go oder eine Ver­tu­schung des­sel­ben vor­lie­gen (vgl. Frank Schu­mann: Dio­go – Auf­ar­bei­tung der »Auf­ar­bei­tung«, in: Ossietzky 6/​2021). Bis heu­te hat sich noch kei­nes der öffent­li­chen Medi­en, die zum Teil wie­der­holt die aus­ge­dach­te Mord­s­to­ry ver­brei­te­ten, dafür ent­schul­digt oder zumin­dest die Fak­ten rich­tig dargestellt.

Wenn man sich mit den Vor­wür­fen eines in der DDR gras­sie­ren­den Ras­sis­mus, von dem vor allem der sich als Histo­ri­ker aus­ge­ben­de Har­ry Waibel gern schwa­dro­niert und die Sto­ry der Ermor­dung von Dio­go am Leben erhält, befasst, ist ein Blick in die deutsch-deut­sche Geschich­te, fokus­siert auf Ras­sis­mus und Frem­den­feind­lich­keit, immer recht aufschlussreich.

Damit sind nicht die soge­nann­ten Base­ball­schlä­ger­jah­re nach dem Mau­er­fall und der deut­schen Ver­ei­ni­gung gemeint, als die mit ein­mal zu Hun­dert­tau­sen­den auf den Arbeits­äm­tern sich tref­fen­den nun schon ehe­ma­li­gen DDR-Bür­ger ihre Exi­stenz und die ihrer Fami­li­en bedroht sahen und dafür nach Opfern such­ten, die sie ihren Frust spü­ren lie­ßen – so die als Kon­kur­ren­ten auf dem Arbeits­markt betrach­te­ten noch in Deutsch­land ver­blie­be­nen Ver­trags­ar­bei­ter –, son­dern es ist die Zeit ab Ende der 1970er Jah­re gemeint. Eine sol­che Rück­schau sei vor allem den­je­ni­gen emp­foh­len, die der DDR-Geschich­te unkun­dig und der Mei­nung sind, dass in dem ost­deut­schen Staat (fast) flä­chen­decken­der Ras­sis­mus aus­zu­ma­chen gewe­sen sei.

Eine Iro­nie der Geschich­te spie­gelt sich in fol­gen­dem Vor­gang wider: Auf die Fra­ge eines Repor­ters nach einem zu Beginn der 1970er Jah­re erleb­ten Ras­sis­mus ant­wor­te­te die auf einer Bahn­fahrt gera­de noch grob als »Neger­mi­sch­ling« bezeich­ne­te Toxi Nwa­ko, dass sie sehr wohl Ras­sen­dis­kri­mi­nie­rung erlebt habe: »Wo ich bin, ob in einem Ver­kehrs­mit­tel oder in einer Gast­stät­te, ja selbst auf einer Par­ty, zu der ich ein­ge­la­den wer­de, (…) immer spü­re ich, dass man mich mei­ner Haut­far­be wegen anders, nicht gleich­wer­tig behan­delt; mal plump frech, mal her­ab­las­send mit gespiel­ter Gut­mü­tig­keit (…), aber immer als unter­ge­ord­ne­te Fremde.«

Toxi Nwa­ko wur­de nach einem ras­si­sti­schen Vor­fall in der Eisen­bahn dis­kri­mi­niert, und als sie sich mit juri­sti­schen Mit­teln dage­gen zur Wehr setz­te, wur­de sie ange­fein­det, ver­leum­det, bedroht. Dies geschah indes nicht irgend­wo in der DDR-Pro­vinz, son­dern in Mün­chen. Der bekann­te DDR-Rechts­an­walt Fried­rich Karl Kaul ver­tei­dig­te die Schau­spie­le­rin, die schon mit Heinz Rüh­mann vor der Kame­ra gestan­den hat­te, gegen die­sen offen zu Tage getre­te­nen Ras­sis­mus im Jah­re 1971 vor einem Gericht in der Bundesrepublik.

Nur ein Bei­spiel wider das Ver­ges­sen und die Ver­dre­hung der Tat­sa­chen! Von Ras­sis­mus in der DDR kann man nicht spre­chen, denn das hät­te orga­ni­sier­te Netz­wer­ke, offe­ne ras­si­sti­sche Pro­pa­gan­da, ent­spre­chen­de Lite­ra­tur, offi­zi­el­le Reden, Miss­ach­tung der Justiz gegen ent­spre­chen­de Anzei­gen vor­aus­ge­setzt. Das gab es alles in der DDR nicht.

Der dama­li­ge DDR-Außen­mi­ni­ster Otto Win­zer erklär­te unter ande­rem in einer Rede auf der XXVIII. Tagung der UNO-Voll­ver­samm­lung Mit­te der 1970er Jah­re, dass die DDR den Kampf gegen Kolo­nia­lis­mus und Ras­sis­mus »stets als hei­li­ge Pflicht betrach­tet« habe, man ste­he damit auf dem Boden der von der UNO beschlos­se­nen Direk­ti­ven: »In der DDR gibt es kei­ne poli­ti­schen oder öko­no­mi­schen Grup­pen, deren Pro­fit­stre­ben und Export­in­ter­es­sen einer Poli­tik der Erfül­lung der Beschlüs­se und Emp­feh­lun­gen der UNO ent­ge­gen­ste­hen wür­den.« Die Kon­zen­tra­ti­on auf die Besei­ti­gung der poli­ti­schen und öko­no­mi­schen Grund­la­gen des Ras­sis­mus in der DDR ent­sprach ihrem Selbst­ver­ständ­nis als anti­fa­schi­sti­scher Staat. In der DDR, so Erich Hon­ecker im August 1978, sei »der men­schen­feind­li­che Ras­sis­mus mit der Wur­zel aus­ge­rot­tet« wor­den. Damit ist gesagt, dass kei­ner­lei Vor­aus­set­zun­gen für das Ent­ste­hen und die Ver­brei­tung von ras­si­sti­schem Gedan­ken­gut in der DDR exi­stier­ten. Das wur­de der DDR inter­na­tio­nal posi­tiv ange­rech­net. Ein hoch­ran­gi­ger UNO-Beam­ter, der nige­ria­ni­sche Diplo­mat Aga­bai­du Edwin Ogbu, erklär­te sei­ner­zeit: »Die DDR steht im Kampf gegen Ras­sis­mus und Apart­heid mit in der ersten Rei­he. Die kon­se­quen­te Hal­tung der DDR in die­sem Kampf ist Grund­in­halt ihrer Poli­tik, die bereits lan­ge vor ihrer Auf­nah­me als Mit­glied der UNO wirk­sam wurde.«

Es sagt jedoch nichts dar­über aus, dass es durch­aus ras­si­sti­sche Res­sen­ti­ments gege­ben hat. Dass sol­che in einem Volk von meh­re­ren Mil­lio­nen Erwach­se­nen, die noch eini­ge Jah­re vor­her den faschi­sti­schen Rat­ten­fän­gern hin­ter­her­ge­lau­fen und dem Ras­sen­wahn ver­fal­len waren, vor­han­den gewe­sen sind, kann nicht bestrit­ten wer­den. Das hat in der DDR auch nie­mand behaup­tet. Aus die­sem Grun­de gab es ent­spre­chen­de Para­gra­fen im Straf­ge­setz­buch der DDR, wo es hieß: »Wer einen Men­schen wegen sei­ner Zuge­hö­rig­keit zu einem ande­ren Volk, einer ande­ren Nati­on oder Ras­se belei­digt oder ver­leum­det, wird mit Frei­heits­stra­fe bis zu zwei Jah­ren, Ver­ur­tei­lung auf Bewäh­rung, Geld­stra­fe oder mit öffent­li­chem Tadeln bestraft« (Straf­ge­setz­buch der DDR vom 12. Janu­ar 1968, in: Gesetz­blatt I, Ber­lin 1968, S. 1 [Neu­fas­sung vom 19.12.1974, Ber­lin 1975]).

Wur­de ein Fall von ras­si­sti­schem Ver­hal­ten bekannt, wur­de der »Täter« mit aller Här­te von den Poli­zei- und Justiz­or­ga­nen ver­folgt. Denn in der DDR-Ver­fas­sung hieß es im Arti­kel 6, § 5: »Mili­ta­ri­sti­sche und revan­chi­sti­sche Pro­pa­gan­da in jeder Form, Kriegs­het­ze und Bekun­dung von Glau­bens-, Ras­sen- und Völ­ker­hass wer­den als Ver­bre­chen geahn­det.« Ent­spre­chen­de Geset­zes­ver­let­zun­gen wur­den also hart bestraft; nach dem »Friedensschutzgesetz«-Paragrafen 1 bis 6 aus dem Jah­re 1950 mit Gefäng­nis­stra­fen. Allein schon die Vor­be­rei­tung und der Ver­such von Völ­ker- und Ras­sen­het­ze, eben­so wie Kriegs­pro­pa­gan­da oder -het­ze waren ver­bo­ten – das war im Staa­te DDR Kon­sens. Auch im spä­ter ver­ab­schie­de­ten Gesetz­buch der DDR von 1968 heißt es in Para­graf 92, dass Völ­ker- und Ras­sen­het­ze mit Frei­heits­stra­fe von zwei bis zu zehn Jah­ren geahn­det wird. Bereits die Vor­be­rei­tung und der Ver­such stell­ten eine Straf­tat dar. Das war übri­gens der dama­li­gen inter­na­tio­na­len Gemein­schaft bekannt, und die­se – etwa die UNO – wuss­ten dies auch zu schätzen.

Zwi­schen Ras­sis­mus und ras­si­sti­schen Res­sen­ti­ments besteht also ein gro­ßer Unterschied.