In HR-Inforadio vom 14. Februar 2023 wird ein – wie gewohnt: völlig unkritischer – Bericht über den Besuch der deutschen Außenministerin beim Nato-Anwärterstaat Finnland gebracht. »Wegen« seiner langen Grenze mit Russland habe Finnland über 50.000 Bunker, und fast ganz Helsinki gebe es praktisch noch einmal unter der Erde. Faszinierend und vorbildlich findet das die deutsche Außenministerin. Nach ein bisschen Herumgehüpfe für die BILD-Zeitung (14.2.2023), blödelt Baerbock im Bunker und stimmt über ihre medialen Verstärker (namens: »Journalist(inn)en«) das deutsche Publikum auf herrliche Zeiten unter der Erde ein. Denn, überlegen Sie mal: Warum soll denn die Bundesregierung ihr Versprechen von jährlich 400.000 gebauten überirdischen Sozialwohnungen einhalten, wenn man das Ganze auch unterirdisch machen kann? Das sind doch endlich mal Perspektiven! Ein Leben im Atombunker, wie schön! Ist das nicht toll? Eine olivgrüne Utopie deutet sich an – und die braven Redaktionen stehen bestimmt schon Gewehr bei Fuß. Jeder Weltuntergang ist ihnen lieber als ein Verhandlungsfrieden mit Russland.
Schon der Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach und sein Tweet »Wir sind im Krieg mit Putin« (SPIEGEL.de, 01.10.2022) sowie Bundesaußenministerin Annalena Baerbocks Verkündung im Europarat »Wir kämpfen einen Krieg gegen Russland« (ZDF.de, 26.01.2023) wurden weltweit teils mit Verwunderung beachtet, zum Glück oft als Quatsch missachtet und zumeist kritisiert. In den deutschen Qualitätsmedien wurden diese Aussagen von Mitgliedern der Regierung der Bundesrepublik Deutschland weitgehend bagatellisiert und damit auf die Ebene von Wirtshaus-Großmäuligkeiten herabgesetzt. Womit sich die Frage stellt, ob in Krisen- und Kriegszeiten tatsächlich Personal die Regierungsgeschäfte übernehmen sollte, welches sich offenbar nicht ganz über die Auswirkungen solcher Äußerungen für die eigene Bevölkerung bewusst ist.
Die deutsche Professorenschaft ereilte nach dem 4. August 1914 die Tollwut. Ihr Nationalismus und die Waffen-Besoffenheit verwandelten ganz normale deutsche Akademiker in fanatische Militaristen. Elemente dessen lassen sich auch heute beobachten. Und noch während die Regierung über die Lieferung von Kampf-Panzern diskutiert, verlangt der ukrainische Vize-Außenminister Melnyk bereits Kampf-Jets und Kampf-Schiffe. In dieser Logik dauert es wirklich nicht mehr lange, bis auch deutsche Soldaten offiziell Krieg führen gegen russische Soldaten – mit allen Weltkriegs- und Nuklearkriegsgefahren für Europa. Die Tollwut scheint mal wieder ausgebrochen zu sein. Erstaunlicherweise haben dabei heutzutage hochrangige Militärs des Westens noch am wenigsten Schaum vorm Mund. Dagegen ertönt in Medien, Wissenschaft und Politik gerade dort das Kriegsgeschrei am lautesten, wo die geringsten militärischen Kompetenzen, Kenntnisse und Praxen vorzuweisen sind.
Mit Sprüchen, wie »Verschonen Sie uns – rechts wie links – mit Radio Moskau!«, versucht die Rüstungslobbyistin und Vorsitzende des Verteidigungsausschusses des deutschen Bundestages Marie-Agnes Strack-Zimmermann am 19. Januar 2023 vor dem Bundestag alle Stimmen gegen Waffenlieferungen zum Schweigen zu bringen. Sie, die sich selbst schon vor Jahren mit dem letzten Aufgebot der Nazi-Wehrmacht verglich: »Ich bin gut für den Volkssturm. (…) Russen, passt auf, was Sache ist!« (Heute Show, 16.2.2019), schlussfolgert: »Wer unser System hier zerstören will, wird es mit uns allen Demokraten zu tun bekommen.« Das heißt? Wann sollen deutsche Soldaten auch direkt auf Russen schließen? Wann sollen sie die zu über 90 Prozent prorussische Krim wieder für Kiew zurückerobern, damit deren Regierung erstmal hunderttausende Krim-Bewohner vertreiben kann? Wann wird mit den ersten Raketen auf Berlin und Ramstein gerechnet? Diese Eskalations-Politik ist nicht nur unangenehm, sondern verboten – unabhängig davon, ob die Nato- oder die russische Propaganda stimmt. Und niemand hat etwas davon, wenn auf seinem/ihrem Grabstein steht: Er/Sie war im Recht. Es zeigt sich: Strack-Zimmermanns »Radio Rheinmetall« ist auf jeden Fall nicht besser als »Radio Moskau«.
Wenn der US-Präsident im Beisein des Bundeskanzlers die Sabotage deutscher Energieversorgung ankündigt, wenn der US-Außenminister dann nach dem Terror-Anschlag darüber jubelt, wenn der ehemalige polnische Außenminister »Thank you, USA!« twittert und die damalige britische Premierministerin vor lauter Ekstase über ihren ungeschützten Handy-Kanal »We did it« sendet, müsste sich die Bundesregierung schon fragen, was das für »Freunde« sind (vgl. Hersh 2023). Wenn dann noch der US-Verteidigungsminister zur Nato-Konferenz auf den US-Truppen-Stützpunkt Rammstein in Rheinland-Pfalz (BRD) einlädt, als wär’s ein US-Bundestaat, darf auch gefragt werden, wie souverän die Bundesrepublik Deutschland eigentlich ist. Aber das ist ja bestimmt alles nur Kreml-Propaganda.
Noch während die Bundesregierung verzweifelt versucht, diese Politik gegen die energetischen und industriellen Interessen Deutschlands als angebliche »Einheit der zivilisierten, westlichen Welt« schön zu reden, schmiedet die US-Regierung als nächstes noch ein riesiges protektionistisches Konjunkturprogramm, dessen Gelder nur US-Konzerne erhalten dürfen – ein explizit anti-europäisches- und antideutsches Maßnahmenpaket. Umso sichtbarer demnach die Spaltungslinien im Nato-Westen hervortreten, desto verzweifelt-euphorischer feiert die Ampel-Koalition die sog. Einheit des Westens.
Indessen sinnt die politische Führung Deutschlands schweigend darüber nach, wie viele »befreundete« Staaten bzw. Geheimdienste wohl nicht am Nord Stream-Anschlag beteiligt waren. Und zugleich wird noch eine weitere Problemdimension sichtbar: Sollte sich der deutsche Bundeskanzler doch noch an seinen Amtseid erinnern und ein wenig Souveränität gegenüber den USA einfordern, ist es nicht unwahrscheinlich, dass relativ umgehend NSA-Überwachungsprotokolle seiner Cum-Ex-Gespräche »zufällig« auftauchen, die ihn politisch zu Fall bringen dürften. Ähnlich würde es der Präsidentin der EU-Kommission ergehen, deren gelöschte Dateien, Mails und sonstige Nachrichten über millionen- bzw. milliardenschwere Geschäfte mit dubiosen Beraterfirmen des Bundesverteidigungsministeriums oder zu Geheimverträgen mit dem Pfizer-Chef und anderen sich sicherlich noch in NSA-Besitz befinden und »plötzlich« auftauchen würden. Doch letztere Gefahr ist recht unwahrscheinlich, da sich von der Leyen noch wesentlich atlantiktreuer gibt als der ein wenig weltkriegs-skeptische Bundeskanzler.
Aber was erwarten wir auch anderes? Wer einen cum-ex-dementen Chef hat, darf auch Insolvenzen leugnen oder Waffen liefern, egal, was die Wähler denken. Schließlich hat es in dieser Traumwelt in den letzten 40 Jahren auch keinen Krieg in Europa gegeben, an den sich die Außenministerin erinnert. Die Kriege in und gegen Jugoslawien in den 1990er Jahren hat sie wahrscheinlich nicht mitbekommen. Egal.
Dass ein Finanzminister als Privatbürger einen günstigen Kredit bei einer Bank erhält, ist ebenfalls kein Problem. Wenn er dann für die gleiche Bank ein hübsches Grußwort als Minister schreibt, wird’s schon schwieriger. Wenn er jedoch danach einen noch günstigeren Kredit bei derselben Bank erhält, bekommt das gesamte Prozedere zumindest ein gewisses Geschmäckle. Und wenn jemand Gesundheitsminister ist, darf er auch gern mal neue autoritäre Varianten des Strafrechts ersinnen. »Rücksichtslose Gefährdung der Rettungskräfte sollte ein Grund zur Kündigung der Wohnung sein«, twitterte der Bundesgesundheitsminister am Morgen des 1. Januar 2023 (Tagesspiegel.de, 3.1.2023). Das kann nur noch die Bundesinnenministerin toppen mit ihrer Forderung nach Beendigung der rechtsstaatlichen Unschuldsvermutung und Umkehr der Beweislast gegen »Staatsfeinde im Staatsdienst«. Wie heißt es so treffend: wie der Herr, so’s Gescherr.