Nach der Premiere des »Don Quijote« am 12. Oktober im Deutschen Theater holte großer Applaus die Schauspieler Ulrich Matthes und Wolfram Koch wieder und wieder auf die Bühne zurück – Jan Bosses Inszenierung war stimmungsvoll angenommen worden, man fühlte sich gut unterhalten und rundum zufrieden. Es war, als seien alle mit Bosses’ Sicht auf den Ritter von der traurigen Gestalt und der Darstellung der Mimen eins gewesen: So und nicht anders! Ob da auch einige waren, die sich den Don Quijote weniger naiv, trotziger, männlicher und weit, weit verrückter vorgestellt hatten als Ulrich Matthes ihn gab, gekleidet wie er war im weißen Gewand mit locker übergeworfenem Kettenhemd und einer Art mit Blumen geschmücktem Helm auf dem Kopf? Was den Sancho Panza anging: Zwar werden die meisten einen dicklichen Knecht erwartet haben, einen untersetzten bäuerlichen Sancho Panza, den aber konnte Wolfram Koch nicht verkörpern, denn Koch ist groß und stark. Das Wesen des Panza jedoch offenbarte er mit Verve, Witz und Schläue und mit einer Verschlagenheit, die getarnt war durch Ergebenheit. Und erst diese enorme Agilität – Koch sprang und kletterte, schlug hin wie ein gefällter Baum, schlief schnarchend, und in den wachen Stunden pflegte er oftmals seinen Bauch. Er scharwenzelte um seinen Herrn herum, redete ihm zu Munde, überschüttete ihn mit Tiraden und machte sich so zum Bestimmenden. Der Don in seiner Sanftheit gab sich als unterlegen, er lächelte resigniert und wirkte ziemlich hilflos. Und als er schließlich ein Ohr verlor, zeigte er sich dem Sancho Panza ausgeliefert wie ein verwundeter Krieger dem Sanitäter im Lazarett. Einmal – warum bloß? – musste sich Quijote vom Panza fesseln lassen, und es kennzeichnete ihr Miteinander, dass er wie eine Mumie zu verharren hatte bis Panza ihn befreite. Spätestens da zeichnete sich ab, dass Panza die Oberhand über Quijote hatte – ein Hinweis auf Zukünftiges! Ein Untergebener musste nicht allzeit untergeben bleiben. Im Stück fehlte Quijote das Ross, und jenes heiß begehrte Weib, seine Dulcinea del Toboso, gab es nur in der Phantasie. Real und bedrohlich blieb, was sich ihm entgegen zu stellen schien: Windmühlen, Hammelherden und Rotweinschläuche. Dabei kamen Ritter und Knecht kaum vom Fleck, rund um eine riesige Kiste hatten sie zu agieren, zuweilen oben drauf, zuweilen auch im Inneren, die Kiste war für beide die Welt, in der sie zu bestehen, sich ihrer Haut zu wehren hatten und gegen die anzukämpfen war – oh, wie schwer es Don Quijote fiel, sich zu behaupten! Schwer auch für die Mimen: Der über tausend Seiten starke Roman des Miguel de Cervantes lastete auf den Schultern von Ulrich Matthes und Wolfram Koch. Das hatten die beiden auszuhalten, und mit Bravour hielten sie es an die drei Theaterstunden aus!
Nächste Vorstellungen: 30. November, 26. Dezember; mit englischen Übertiteln.