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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Prozess gerät zur Farce

Der Pro­zess in Madrid gegen zwölf Kata­la­nen, ange­klagt wegen angeb­li­cher Rebel­li­on, Auf­ruhr und Ver­un­treu­ung von Steu­er­gel­dern, wird immer mehr zu einer Far­ce. Zwei der Ange­klag­ten, Jor­di Cuix­art, Prä­si­dent der gemein­nüt­zi­gen kata­la­ni­schen Kul­tur­or­ga­ni­sa­ti­on »Òmni­um Cul­tu­ral«, und Jor­di Sàn­chez, Prä­si­dent des »Assem­blea Nacio­nal Cata­l­a­na« (ANC), die für ein unab­hän­gi­ges Kata­lo­ni­en ein­tritt, waren bereits in Haft, als am 27. Okto­ber 2017 die kata­la­ni­sche Repu­blik aus­ge­ru­fen wur­de. Den­noch wer­den sie der gewalt­sa­men Erhe­bung (Rebel­li­on) beschul­digt. Aber gehört zu einer Rebel­li­on nicht der Ein­satz von Waf­fen und Explo­siv­stof­fen? Weder Waf­fen noch Spreng­stoff wur­den gefun­den. Dazu passt, dass spa­ni­sche Natio­na­li­sten lan­ge vor Aus­ru­fung der kata­la­ni­schen Repu­blik Carles Puig­de­mont als Rädels­füh­rer bezeichneten.

Seit dem 12. Febru­ar wird nun an vier Tagen pro Woche vorm Ober­sten Gericht in Madrid ver­han­delt. Bereits im Vor­feld des Pro­zes­ses erklär­ten spa­ni­sche Juri­sten, dass es am 1. Okto­ber 2017, dem Tag des Refe­ren­dums, in Kata­lo­ni­en weder eine Rebel­li­on noch einen Auf­ruhr gab, die Anschul­di­gung sei eine Belei­di­gung der Kata­la­nen. Auch feh­len hier­für eben­so wie für die Ver­un­treu­ung von Steu­er­gel­dern Bele­ge. Gro­ße Erin­ne­rungs­lücken haben die Zeugen.

Die Unab­hän­gig­keit des Vor­sit­zen­den Rich­ters Manu­el Mar­chena, seit 2007 am Ober­sten Gerichts­hof tätig, ist frag­lich. Zuneh­mend wird der Mann bei sei­ner Pro­zess­füh­rung ner­vö­ser und trägt nicht zur Auf­klä­rung bei. Damit der Pro­zess nicht vor­zei­tig endet, schränkt Mar­chena die Rech­te der Ver­tei­di­ger ein. Bereits im Vor­feld des Pro­zes­ses wur­den den Ange­klag­ten und ihren Ver­tei­di­gern nicht alle Doku­men­te zur Ver­fü­gung gestellt. Jüngst woll­te die Ver­tei­di­gung einen Zeu­gen aus den Rei­hen der Guar­dia Civil mit Video­auf­nah­men kon­fron­tie­ren. Rich­ter Mar­chena ver­wei­ger­te der Anwäl­tin Mari­na Roig das Zei­gen des Vide­os. Der Guar­dia-Civil-Beam­te hat­te aus­ge­sagt, dass bei der Durch­su­chung eines Gebäu­des die Mos­sos (kata­la­ni­sche Poli­zei) völ­lig untä­tig geblie­ben sei­en. Das Video hät­te den Mann der Lüge über­führt, zeig­te es doch, wie die Mos­sos d’Es­qua­dra die Men­schen weg­tru­gen, um den Weg für die Guar­dia Civil frei­zu­ma­chen. Auch die Pro­zess­be­ob­ach­ter und Juri­sten vom Inter­na­tio­nal Tri­al Watch (ITW) und der L’As­so­cia­ci Cata­l­a­na Defen­sa pels Drets Civils (kata­la­ni­sche Ver­ei­ni­gung für Bür­ger­rech­te) hal­ten den Vor­sit­zen­den Rich­ter nicht für unbefangen.

Die Staats­an­walt­schaft for­dert in dem Mam­mut­ver­fah­ren – über 500 Zeu­gen wur­den benannt – 17 bis 25 Jah­re Haft für die Ange­klag­ten. Die rechts­extre­me, pro­fa­schi­sti­sche Par­tei VOX hat sich als »acu­sa­ción popu­lar« (Volks­an­walt) Sitz und Stim­me in dem Pro­zess gesi­chert und for­dert Haft­stra­fen bis zu 74 Jah­ren. Der spa­nisch-argen­ti­ni­sche Rechts­an­walt Javier Orte­ga Smith ver­tritt VOX in dem Ver­fah­ren. Er ist ehe­ma­li­ges Mit­glied der »Spe­cial Ope­ra­ti­ons Group« der spa­ni­schen Streit­kräf­te, der soge­nann­ten grü­nen Baret­te. Zu sei­nem Cou­sin Juan Chich­ar­ro Orte­ga, einem Ex-Gene­ral und Mit­glied der Fran­cis­co-Fran­co-Stif­tung, pflegt er engen Kon­takt. In der Par­tei ist Javier Orte­ga Smith nach dem Vor­sit­zen­den Sant­ia­go Abas­cal der zwei­te Mann in der VOX-Hier­ar­chie. Vor Pro­zess­be­ginn for­der­te Smith, »lebens­läng­lich« wie­der als Stra­fe in Spa­ni­en ein­zu­füh­ren. VOX nutzt den Pro­zess als idea­le Platt­form für die anste­hen­de Par­la­ments­wahl am 28. April.