Dankbar für den Fingerzeig von Michael Klundt auf den systemkonformen Wissenschaftler Wolfgang Streeck – nicht zu verwechseln mit dem Virologen Hendrik Streeck – in »Polarisierung skandieren, dann skandalisieren« (Ossietzky 6/2020) füge ich zwei Aspekte hinzu:
Erstens ist dieser Gesellschaftswissenschaftler beispielhaft für viele Intellektuelle und Medien mit solcher Zielgruppe darin, zwar die destruktiven und antidemokratischen Entwicklungen im Kapitalismus, besonders unter seiner Re-Form des Neoliberalismus, zu erkennen und zu beschreiben. Aber es werden keine Konsequenzen daraus gezogen – im Falle Streeck als SPD-Mitglied und Unterstützer von Schröders Agenda 2010 und Entsolidarisierungspolitik wären es sehr bittere. Auch werden Alternativen ignoriert. Das sind nicht nur unkritische Haltungen, sondern pseudowissenschaftliche Übernahmen des Status Quo. Der Psychologieprofessor Rainer Mausfeld hat diese mir nur als Tiefenindoktrination erklärbare Verdrängung analysiert.
Zweitens: Da wir in einer neuen Epoche, dem Anthropozän mit vom Größenwahn gezeichneten Unbekannten leben, müssen meines Erachtens nach aufklärende Warnungen viel lauter und immer wiederholt veröffentlicht werden. Die Protestbasis muss wachsen. Albert Camus hat die Lage schon vor 1960 so formuliert: »Die mechanische Zivilisation (heute ist hinzuzufügen »und die digitale Zivilisation«) hat ihren höchsten Grad der Verwilderung erreicht. Man wird in Zukunft zwischen dem kollektiven Selbstmord und der intelligenten Verwendung wissenschaftlicher Errungenschaften wählen müssen.« (aus Artikel im Combat)
Combat: 1944 von der Résistance-Gruppe Combat gegründete Tageszeitung; 1974 eingestellt.