Die Parteien der politischen Mitte unserer Zeit, mit ihrem populistischen Anspruch alleinige Repräsentanten von Demokratie und Menschenrechten zu sein, beherrschen mit Hilfe der Massenmedien sehr weitgehend die öffentliche Meinung. Kritik wird kaum zugelassen, und alternative Auffassungen zur gesellschaftlichen Entwicklung – etwa »rechte« und »linke« – werden pauschal als totalitär verteufelt. Trotz unverkennbarer Grenzen wird weiterhin auf Wachstum bei Erzielung möglichst hoher Profite gesetzt und die wachsende Kluft zwischen arm und reich, ein bedrohlicher Klimawandel sowie die Vermüllung der Weltmeere in Kauf genommen. Gegenmaßnahmen werden ergriffen, soweit der Fortbestand des Systems gefährdet ist. Unter dem Deckmantel, zum Wohl der Menschen Demokratie und Menschenrechte auf andere Länder zu übertragen, zögert man nicht, den eigenen Machtbereich expansiv zu erweitern, dafür Kriege anzuzetteln und dadurch verursachte Flüchtlingsströme sowie zunehmenden Hunger in der Welt als angeblich unvermeidbare Kollateralschäden hinzustellen, ohne die gesellschaftlichen Ursachen all dieser Mängel zu benennen oder Lösungsansätze aufzuzeigen. Das politische System des Westens bringt damit selbst eine Tendenz hervor, die eigenen Werte wie Demokratie und Menschenrechte auszuhöhlen bzw. allenfalls zum Schein zu wahren, und diese Heuchelei trägt in Verbindung mit einer Geringschätzung und gar Missachtung elementarer Lebensinteressen der Menschen wesentlich sowohl zur Politikverdrossenheit sowie zur Hinwendung zu alternativen Konzepten der Politik bei. Die Parteien der politischen Mitte sind damit selbst als konservativ zu bezeichnen und eher rechts einzuordnen; denn sie wirken für die Erhaltung eines Systems, das sich als unfähig erweist, die Probleme der Welt zu lösen.
Der im Zuge der Wiedervereinigung aus dem politischen System der DDR hervorgegangenen Partei des demokratischen Sozialismus »Die Linke« haftet seit jeher ungerechtfertigt der Ruf einer totalitären politischen Richtung an. Ihr Zuspruch ist in den letzten Jahren deutlich zurückgegangen, offenbar weil das Engagement zur Umsetzung der in ihrem Parteigramm genannten hochgesteckten Ziele zum Umbau der globalen Herrschaft des Kapitalismus in Richtung einer solidarischen Gesellschaft nur unzureichend zur Geltung kam.
Auf dem Hintergrund der immer deutlicher hervortretenden Gebrechen des bestehenden kapitalistischen Systems konnte mit dem prägnanteren Parteiproramm im linken »Bündnis Sahra Wagenknecht« (BSW) bei den Europawahlen 2024 mit 6,2 Prozent Stimmenanteil ein Aufbruch erzielt werden. Darin kommt die Nichtübereinstimmung mit der durch die angeblich so demokratische Mitte vertretenen Politik zum Ausdruck, die das Diktat eskalierender Profitinteressen von Konzernen mittels der Gesetze des Marktes stützt und die sich daraus ableitenden Widersprüche unangetastet lässt.
Das BSW erklärt wirtschaftliche Vernunft und Gerechtigkeit auf der Basis demokratischer Willensbildung und Mitbestimmung zum Ziel politischen Handelns und räumt der Aufwertung wie Weiterentwicklung des Sozialstaates einen hohen Stellenwert in der Gesellschaft ein. Zugleich wird die Aufmerksamkeit auf die Gestaltung und Pflege eines bedarfsgerechten Bildungswesens zur Aufrechterhaltung und Weiterentwicklung der Leistungskraft von Industrie und Gewerbe in Deutschland gelenkt, und dazu erweisen sich dringend erforderliche Maßnahmen zur Verbesserung der öffentlichen Infrastruktur ebenso als unverzichtbar. Bisher werden wider alle Vernunft bedeutende finanzielle Mittel mit der Begründung einer angenommenen Bedrohung durch Russland in die eigene Hochrüstung sowie die Bereitstellung von Waffen zur Unterhaltung des Krieges in der Ukraine investiert, ohne dass ein Ende oder auch nur klare Ziele absehbar sind. Das BSW lehnt die Lösung von Konflikten mit militärischen Mitteln grundsätzlich ab, strebt erneut Abrüstung und Entspannung, neue Verträge zur Sicherheit sowie insgesamt eine europäische Sicherheitsstruktur unter Einschluss Russlands an. Damit werden entscheidende Hauptinteressen der Menschen in den Mittelpunkt gerückt: die Bewahrung eines friedlichen Lebens, das nicht durch die Eskalation zu einem großen europäischen Krieg etwa zwischen der Nato und Russland gefährdet werden darf.
Dem bei Wahlen gewachsenen Zuspruch der in der öffentlichen Meinung durchgängig als »rechts« eingestuften »Alternative für Deutschland« liegt ebenfalls ein Protest gegen das Verharren im dominierenden politischen System mit seinen zahlreichen Widersprüchen zugrunde, ohne dass dabei im Unterschied zu linken Positionen der Kapitalismus in seinem Streben nach Profitmaximierung grundsätzlich in Frage gestellt wird. Benachteiligungen und Missachtung vieler ehrlich erbrachter Lebensleistungen, wie sie sich aus der Wiedervereinigung durch Anschluss ergaben, hinterließen in ostdeutschen Kommunen erhöhte Unzufriedenheit, so dass der Stimmenanteil der AfD hier bei den Europawahlen 2024 im Mittel etwa doppelt so hoch ausfiel wie in den alten Bundesändern. Im Unterschied zu linken Positionen macht die AfD die Vernachlässigung nationaler Interessen zum Ausgangspunkt der Kritik und knüpft dabei propagandistisch in unverantwortlicher Weise oft auch an rechtsradikales Gedankengut aus der Zeit des deutschen Faschismus an.
Die AfD lehnt aufgrund nationaler Interessen die zunehmend führende Einbeziehung Deutschlands in den Krieg gegen Russland in der Ukraine ab. Es ist jahrzehntelang das strategische Ziel der USA, Russland vom europäischen Markt zu verdrängen, durch einen inzwischen zweieinhalb Jahre andauerndem Abnutzungskrieg zu schwächen sowie durch Einbindung der Ukraine in das westliche Bündnis zur Regionalmacht zu degradieren. Das aber entspricht keineswegs dem nationalen Interesse Deutschlands. Auch die AfD macht auf die Gefahr der Eskalation zu einem großen europäischen Krieg mit Russland aufmerksam. Während die Zerstörungen in Deutschland in diesem Fall unabsehbar wären, würden sich die USA zum dritten Mal an einem Krieg in Europa beteiligen, ohne dass auch nur eine Fensterscheibe kaputt ginge. Grundlegende Sicherheitsbedürfnisse zur Friedenserhaltung in Europa werden verletzt. Schließlich haben sich westeuropäische Länder und insbesondere Deutschland wiederholt an Russland »die Finger verbrannt«, und es widerspricht wirtschaftlich jeglicher Vernunft, fossile Energieträger aus Russland durch teure Fracking-Produkte aus den USA zu ersetzen.
Die deutschen Aufwendungen zur Unterstützung und Aufrechterhaltung des Ukrainekriegs in zwei Jahren werden mit weit mehr als 200 Milliarden Euro angegeben, dem höchsten Betrag nach den USA. Damit gehen eine Vernachlässigung seiner Infrastruktur sowie die Zurückhaltung notwendiger Aufstockungen im Bildungssystem einher. In der Weltrangliste der Wettbewerbsfähigkeit rückte Deutschland 2024 von Platz 6 auf Platz 24. Es ist daher verständlich, dass zahlreiche Entscheidungen, wie sie in der Gefolgschaft der Vereinigten Staaten und der EU sowie Nato getroffen werden auf Unverständnis stoßen und den Zulauf zur AfD fördern.
Wie schon 1789 sollten auch in unserer Zeit die Attribute »progressiv« und »links« an Positionen und ein politisches Handeln gebunden sein, das gesellschaftliche Veränderungen im Interesse elementarer Lebensbedürfnisse der Menschen vorantreibt, während die Bezeichnungen »konservativ« und »rechts« dem Althergebrachten, den oftmals noch mit Macht ausgestatteten Kräften, die dem Progressiven und lebenswichtigen Veränderungen entgegenstehen, vorbehalten bleiben.
Unter einem solchen Raster weisen sich das BSW und bedingt ebenso Die Linke in Deutschland als progressiv und links aus. Demgegenüber ist die AfD doppelgesichtig, einerseits dem kapitalistischen System ebenfalls zutiefst verhaftet und mit ihrem partiellen Bekenntnis zur deutschen faschistischen Vergangenheit sowie teilweise auch Leugnung von Verbrechen aus dieser Zeit extrem rechts und daher entschieden abzulehnen und zu bekämpfen. Andererseits verdienen die den aktuellen Sicherheits- und Lebensbedürfnissen der Menschen in Deutschland und Europa Rechnung tragenden Positionen Beachtung, da sie den Krieg von USA und Nato in der Ukraine gegen Russland unter maßgeblicher Beteiligung Deutschlands ablehnen.
Ungeachtet aller anderen extrem unterschiedlicher Positionen um die unser aller Leben bedrohende Gefahr der Ausbreitung eines Krieges in Europa, gibt es auf der Grundlage der Programme von BSW und AfD durchaus Gemeinsamkeiten, an denen politisch anzusetzen wäre:
- Ablehnung einer Einmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten.
- Um die sicherheitspolitischen Interessen Deutschlands zu wahren, darf die Nato ausschließlich als Verteidigungsbündnis in Aktion treten.
- Abzug von auf deutschem Boden stationierten Atomwaffen und alliierten Truppen.
- Wirtschaftliche Vernunft.
- Ende der Sanktionen und Ende des Krieges in der Ukraine gegen Russland.
- Schaffung einer europäischen Sicherheitsarchitektur, in die Russland einbezogen ist.
Neben sozialer Sicherheit gehören Friedenssicherung und Abwendung von Kriegsgefahr zweifellos zu den wichtigsten Erwartungen im Leben. Politische Positionen, die in einer Welt anhaltender kriegerischer Provokationen und Auseinandersetzungen die Lösung von Konflikten mit militärischen Mitteln ablehnen, sind daher als progressiv einzustufen. Erst wenn Hochrüstung und die Anwendung von Waffengewalt unterbleiben, entstehen Voraussetzungen, um existenzbedrohenden globalen Problemen wirksam zu begegnen. Als Prüfstein für eine Zuordnung zu links oder rechts bzw. treffender zu progressiv und konservativ erweist sich in unserer Zeit die Stellung zum Krieg in der Ukraine einschließlich der Ursachen, die zu ihm geführt haben. 32 Nato-Staaten bewaffnen die Ukraine im Krieg gegen Russland. Die Gefahr der Eskalation dieses Konflikts schwebt wie ein Damoklesschwert über uns und bedroht unser Leben. Die Vernunft gebietet, in einem ersten Schritt jede Unterstützung einer Fortsetzung dieses Krieges einzustellen.