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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Premigration!

Wie­der ein Hotel – und wie­der in Pots­dam! Weil CORRECTIV kei­ne Zeit hat­te, ist die Wahr­heits­droh­ne hin­ge­flo­gen und zeich­net alles auf, durchs offe­ne Fen­ster, im Auf­trag von Fox-News, wie sie frech behaup­tet. Sogar ein Inter­view wird ihr gege­ben, vom Anfüh­rer einer Geheim­or­ga­ni­sa­ti­on, die die »Pre­mi­gra­ti­on« von Mil­lio­nen Deut­schen nach Ame­ri­ka vorbereitet.

Herr Schmerz, was bedeu­tet »Pre­mi­gra­ti­on«?

Das Wort habe ich erfun­den. Es ver­bin­det die Wor­te pre­mi­um und gra­tia. Ich sage, dass nur die Besten mit­kom­men, und zwar von Mei­nen Gna­den. Die Vor­sil­be pre deu­tet über­dies an, dass wir dem Pro­jekt der Kon­kur­renz zuvor­kom­men: der Remigra­ti­on. Sehen Sie, Mil­lio­nen Men­schen ver­trei­ben ist anstren­gend. Ich mache das nicht. Statt­des­sen wan­dern wir sel­ber aus und las­sen die Wäh­ler der Kon­kur­renz mit den Aus­län­dern allein.

Aber Sie sind doch der näch­ste Kanzler.

Falsch. Ich tue zwar so, als wür­de ich der näch­ste Kanz­ler wer­den. In Wahr­heit bedeu­tet aber ein Kreuz für mei­ne Par­tei auf dem Wahl­zet­tel das Ticket für die Über­fahrt. Ich habe mit der Bun­des­wahl­lei­te­rin gespro­chen, die Zet­tel wer­den gesam­melt und mir aus­ge­hän­digt. Wer die rech­te unte­re Ecke geknickt und in der Wahl­ka­bi­ne ein Sel­fie gemacht hat, kommt mit.

Und war­um wol­len Sie alle weg?

Der gro­ße Aus­tausch ist nicht mehr auf­zu­hal­ten. Die Kon­kur­renz streut dem Wäh­ler Sand in die Augen, aber wir wis­sen: Die Deut­schen sol­len die Skla­ven der Aus­län­der wer­den, und das machen wir nicht mit. Die wer­den schön gucken, die Ausländer.

Sie gucken aber auch ganz schön. Ihr Blick kann einem ja Angst machen.

Rich­tig. Man nennt mich den Black­Rock-Vam­pir, und da ist was dran. Ich ent­stam­me einem alten sau­er­län­di­schen Vam­pir­ge­schlecht. Mein Blick hat die Kraft, alles Deut­sche anzu­sau­gen. Ist es ange­saugt, neh­me ich es mit nach Ame­ri­ka, und weg ist das kom­plet­te Rest­deut­sche aus dem so höch­stens noch genann­ten »Deutsch­land«.

War­um denn nach Amerika?

Wir fol­gen da einer Pro­phe­tie, die vor hun­dert­fünf­zig Jah­ren aus­ge­spro­chen wur­de. Damals war es wie heu­te, der ehr­li­che Deut­sche hat­te in sei­ner Hei­mat kei­ne Chan­ce. Ihm wur­de gesagt: Dein Dorf wird abge­schafft, und du musst in einer Stadt leben. Die Bestür­zung war groß, kei­ner wuss­te, was eine Stadt ist. Man wuss­te, dass da Zei­tun­gen und Bücher gedruckt wur­den, die kei­ner lesen konn­te. Man woll­te weit weg sein, wenn es pas­sier­te. In der Stun­de der Not stand in einem pfäl­zi­schen Dorf ein Pro­phet auf und kün­de­te: »Im Westen, hin­ter dem gro­ßen Was­ser, liegt ein Land, in dem es kei­ne Druckerzeug­nis­se und Städ­te, son­dern nur nied­li­che klei­ne Dör­fer gibt. In das Land müsst ihr zie­hen und hun­dert­fünf­zig Jah­re war­ten. Dann wird ein Prä­si­dent auf­ste­hen – und nach gestoh­le­nen vier Jah­ren gleich noch mal auf­ste­hen –, der sich eurer annimmt wie ein Bru­der. Euer Bru­der wird er sein, weil er von einem von euch, die ihr heu­te in die Fer­ne zieht, abstam­men wird.« So sprach der Pro­phet, den man bald den pfäl­zi­schen Mar­cus Gar­vey nann­te (»Exodus! Move­ment of de Päl­zer«). Wobei er mit bür­ger­li­chem Namen Dum­bold Tram­pel hieß.

Ach so, Sie mei­nen den Trump.

Rich­tig. Das ist der Enkel. In unse­ren Tagen erfüllt sich die Pro­phe­tie. Ich habe mit dem Prä­si­den­ten gespro­chen, deut­sche Ein­wan­de­rer sind will­kom­men. Wenn sie die Schnau­ze hal­ten und ame­ri­ka­ni­sche Autos und Grenz­zäu­ne bau­en, ver­gisst er die Sache mit dem Welt­krieg und den Whiskeyzöllen.

Der Groß­va­ter wur­de vom Deut­schen Reich aus­ge­bür­gert, als Fah­nen­flücht­ling. Sie sind Fah­nen­jun­ker, Herr Schmerz. Ist das dasselbe?

Im Gegen­teil. Ich wäre fast Reser­ve­of­fi­zier gewor­den, hab mir dann aber das Knie weh­ge­tan an der Pan­zer­lu­ke. Die Waf­fen sind zu klein hier. Wie die Boni. (Lacht)

Noch eine Fra­ge: Wer­den Ihre Wäh­ler Ihnen auch fol­gen – in ein unbe­kann­tes Land, so weit weg?

Sie spre­chen da ein Pro­blem an, das uns Kopf­zer­bre­chen berei­tet hat. Der Pro­phet drück­te sich in der Spra­che sei­ner Zeit aus. Und sei­ne Jün­ger glaub­ten ihm aufs Wort. Gesagt hat er: »Wenn ihr den Rauch des schwim­men­den Hau­ses aus dem Tal des gro­ßen Flus­ses auf­stei­gen seht, dann wal­let hur­tig her­nie­der von den Wein­ber­gen ans Ufer und rein in das Schwimme­haus!« Sie sehen das Pro­blem vor sich. Aber es ist gelöst! Wir las­sen tat­schlich Rad­damp­fer den Rhein run­ter­fah­ren nach Rot­ter­dam. Rat­ter rat­ter! Die wer­den mit deut­scher Stein­koh­le betrie­ben, die wir über die Jah­re gesam­melt haben. Wo war die ver­steckt? fra­gen Sie sich. Ant­wort: Im Kyff­häu­ser. Alle deut­schen Träu­me auf ein­mal wer­den wahr in mei­ner Gestalt.

Und wie wird das mit Trump und Ihnen auf dem Golf­platz? Haben Sie geübt?

Ach, wis­sen Sie, ich seh den Ball nicht mehr rich­tig. Mei­ne Füße sind so weit weg. Wegen mei­ner Steif­heit eig­ne ich mich immer­hin zu dem, was ich in der Schu­le war: zum Schlä­ger. In den rich­ti­gen Hän­den hab ich rich­tig Spaß. Olaf Scholz eig­net sich nur als Ball.

Sie und Trump – sehen wir da einer ech­ten Män­ner­freund­schaft entgegen?

Defi­ni­tiv. Im Puff wer­de ich eher auf die Anzieh­sa­chen auf­pas­sen. Aber die Kamin­ge­sprä­che über Deri­va­te und Kryp­to wer­den bestimmt schön.

Am Ende des Tages haben Sie dann aber nichts regiert, nir­gend­wo. Tut das nicht weh?

Nein. Die Reser­ve ist mein Ding. Wenn Sie in ein gro­ßes Land ein­mar­schie­ren, ent­schei­det die Reser­ve über den Sieg. Aus Zeit­grün­den. Da wird mein Freund an mir und meinen/​seinen Lands­leu­ten noch viel Freu­de haben. Die Last Ame­ri­cans (L.A.) – so heißt unse­re Geheim­or­ga­ni­sa­ti­on – sind ein­satz­be­reit bis zum letz­ten Schulbub.

Geheim­or­ga­ni­sa­ti­on? Dür­fen Sie dann über­haupt mit mir reden?

Ich rede all­ge­mein recht gern. Das ist so eine Art Hob­by von mir. Als Poli­ti­ker habe ich mein Hob­by zum Beruf gemacht.