Portugal ist kein Bollwerk mehr gegen Rechtsextreme. Gegründet wurde die Rechtspartei Chega! (Jetzt reicht´s!) 2017 vom ehemaligen Spitzenkandidaten der Partido Social Democrata, dem Juristen André Ventura. Zur Europawahl 2019 schloss sich Chega mit der Partido Popular Monárquico zum Bündnis Basta zusammen. 1,49 Prozent der Stimmen reichten nicht für ein Mandat, das Zweckbündnis wurde aufgelöst. Bei den Portugiesischen Parlamentswahlen am 8. Oktober 2019 erhielt Chega mit 1,3 Prozent der Stimmen ein Mandat. Der Parteivorsitzende André Ventura zog als Abgeordneter ins Parlament ein.
Damit hat sich Portugal verändert, mit der Partei ein rechtes Sprachrohr erhalten. Anfang des Jahres sorgte Ventura bereits für Aufregung. Er forderte die Deportation der schwarzen Parlamentarierin Joacine Katar Moreira von der Linkspartei Livre (Frei). Deren Partei wurde am 10. Mai 2017 vom portugiesischen Verfassungsgericht anerkannt und bekam bei den Parlamentswahlen 2019 1,09 Prozent der Stimmen, die Historikerin Moreira, geboren in Guinea-Bissau, zog ins Parlament ein.
André Ventura stört es, dass Joacine Katar Moreira auf die blutige portugiesische Kolonialgeschichte hinweist und die Rückgabe der geraubten Kulturgüter fordert. Die Abgeordnete ist ständigen rassistischen Angriffen von Ventura ausgesetzt. Die linken Parteien Partido Socialista, Partido Comunista Português und Bloco de Esquerda haben sich mit Moreira solidarisiert.
Angriffsziele der Chega sind Antifaschisten, Flüchtlinge, Schwarze und Transsexuelle. Das Europäische Netzwerk gegen Rassismus hat die portugiesische Regierung zum Handeln aufgefordert. Inzwischen gibt es gegen Parlamentarier Morddrohungen. Drohschreiben haben erhalten Joacine Katar Moreira von Livre und vom Bloco de Esquerda die Abgeordneten Mariana Mortágua und Beatriz Gomes. Auch der Gewerkschafter und Aktivist in der antirassistischen und antifaschistischen Bewegung Danilo Moreira. Absender der Briefe sind die »Neue Ordnung von Avis« und der »Nationale Widerstand«. Sie fordern von den Empfängern, das »nationale Territorium« binnen 48 Stunden zu verlassen und von allen politischen Ämtern zurückzutreten. Ist das Ultimatum abgelaufen, werden »wir Maßnahmen gegen Sie und Ihre Familie ergreifen, um die Sicherheit des portugiesischen Volkes zu garantieren«, heißt es in den Drohbriefen weiter.
Dass der Parteivorsitzende der Chega, Ventura, gute Kontakte in die gewalttätige Szene hat, ist in Portugal bekannt. Für den Politologen António Costa Pinto von der Universität Lissabon ist der Rassismus Treibstoff für Chega, die nun verschiedene rechte Gruppen vereinigt. Die Partei spreche das aus, was viele in Portugal denken, da die blutige Kolonialgeschichte des Landes bisher nicht aufgearbeitet wurde. Pinto: »In Portugal gab es immer Grüppchen der extremen Rechten, die aber bei Wahlen nie relevant wurden. Das ist jetzt vorbei.«