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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Politik im Wildweststil

Show­downs sind der Höhe­punkt klas­si­scher Wild­west­fil­me. Zwei Kon­tra­hen­ten zie­hen ihre Colts und machen end­gül­tig rei­nen Tisch. Ein sol­cher Show­down, wenig­stens des­sen Vor­be­rei­tung, wird uns erneut als »Ver­tei­di­gung« auf­ge­nö­tigt – erneut, nach­dem in den 1980er Jah­ren welt­weit Mil­lio­nen dage­gen pro­te­stier­ten, vor allem (tief in der Ver­gan­gen­heit, so scheint es) die Grünen.

Alles wie damals: Russ­land hat Rake­ten auf­ge­stellt, die Ber­lin oder Wies­ba­den errei­chen kön­nen. Reflex­haft und selbst­ver­ständ­lich stel­len »wir« (also die USA ver­mit­telt durch die Nato) eben­falls Rake­ten auf. Anna­le­na Baer­bock teilt uns mit, dass uns das »Schutz« bie­te: »Was uns jetzt schützt ist, dass wir in unse­re eige­ne Sicher­heit und Stär­ke inve­stie­ren – in der EU, in der Nato und in Deutsch­land. Und dazu zählt die Ent­schei­dung zur Sta­tio­nie­rung weit­rei­chen­der ame­ri­ka­ni­scher Waffensysteme.«

Ohne in die Ein­zel­hei­ten der frag­li­chen Waf­fen­sy­ste­me zu gehen, bedeu­tet die­ser »Schutz« das Fol­gen­de: Ost und West ste­hen sich in Euro­pa wie­der Auge in Auge gegen­über. Jeder zielt mit Angriffs­waf­fen aufs Herz des ande­ren. Mit mehr­fa­cher Schall­ge­schwin­dig­keit wür­den die Rake­ten her­an­ra­sen und jeweils nach weni­gen Minu­ten beim Geg­ner ein­schla­gen. Dabei bleibt offen, ob sie ato­mar bestückt sind oder nicht. Die so genann­ten Dual-Use-Rake­ten kön­nen kon­ven­tio­nel­le oder auch nuklea­re Spreng­köp­fe tra­gen. Die Früh­warn­sy­ste­me unter­schei­den das nicht. Für sie ist »sicher­heits­hal­ber« alles ein ato­ma­rer Angriff.

Fra­ge an Frau Baer­bock: Was wür­den Sie tun, wenn ihr Nach­bar mit der Pisto­le auf Sie zielt? Wür­den Sie nun eben­falls dicht an ihn her­an­tre­ten und ihre eige­ne Waf­fe auf des­sen Kopf rich­ten? »Natür­lich«, wür­de sie sagen, »das bie­tet mir Schutz!«

Aber ist das nicht ziem­lich ver­rückt? Fast schon abar­tig? Wie soll aus gegen­sei­ti­ger Gefähr­dung unter dem Strich Sicher­heit resul­tie­ren? Wie viel Intel­li­genz braucht es, um zu ver­ste­hen, dass das Gegen­teil viel wahr­schein­li­cher ist? Zwei Revol­ver­hel­den brin­gen ihre Waf­fen der­art in Anschlag, dass sie den ande­ren auf der Stel­le töten kön­nen. Alles hängt davon ab, dass jeder unver­züg­lich reagiert, sofern der ande­re irgend­wel­che Anstal­ten macht. Also etwa mit der Wim­per zuckt oder sich ein Fin­ger krümmt. Los­bal­lern auf Ver­dacht, heißt das.

Um es anders zu sagen: Die gegen­sei­ti­ge Bedro­hung mit ato­mar bestück­ba­ren Angriffs­waf­fen, und das aus aller­näch­ster Nähe, ist mit Sicher­heit alles ande­re als ein Schutz. Es han­delt sich um einen Selbst­zün­dungs­me­cha­nis­mus. Und zwar in einer Situa­ti­on, die den Prä­emp­tiv­schlag her­aus­for­dert und unter Umstän­den erzwingt. Prä­emp­tiv­schlä­ge mit oder ohne Atom­spreng­köp­fe sol­len das Angriffs­po­ten­ti­al des Fein­des ver­nich­ten, bevor es zum Ein­satz kommt. Um Prä­emp­tiv­schlä­ge des Geg­ners zu erken­nen, gibt es Vor­warn­sy­ste­me. Und genau dort klemmt es ganz gewaltig.

Denn auch Vor­warn­sy­ste­me sind nicht in der Lage, inner­halb von weni­gen Minu­ten sicher zu ent­schei­den, ob der Feind »abge­drückt« hat oder nicht. Dar­auf hat die Gesell­schaft für Infor­ma­tik in einem offe­nen Brief an die Bun­des­re­gie­rung 2022 hin­ge­wie­sen. Ein Atom­krieg aus Ver­se­hen sei gera­de­zu pro­gram­miert. Selbst­zün­dung also.

»Weder Men­schen noch Maschi­nen kön­nen bei Alarm­mel­dun­gen in Früh­warn­sy­ste­men in so kur­zer Zeit feh­ler­frei ent­schei­den, da die Daten­grund­la­ge unsi­cher, vage und unvoll­stän­dig und Über­prü­fung durch Men­schen in der kur­zen ver­füg­ba­ren Zeit nicht mög­lich ist«, so die Infor­ma­ti­ker Karl Hans Blä­si­us und Jörg Siek­mann. Bei­de sind aus­ge­wie­se­ne KI-Spe­zia­li­sten und befas­sen sich seit Lan­gem mit der zuneh­men­den Gefahr eines Atom­kriegs aus Ver­se­hen. Die Web­site unter die­sem Titel illu­striert, was auf uns zukom­men könn­te, wenn wir wei­ter »Sicher­heits­po­li­tik« im Wild­west­stil betreiben.

Aber Abschreckung muss doch sein, oder? Abschreckung sei »unse­re Lebens­ver­si­che­rung«, so Ver­tei­di­gungs­mi­ni­ster Pisto­ri­us. Er glaubt noch, dass auf der ande­ren Sei­te jemand ist, der sich abschrecken lässt. Aber da ist nie­mand. Abschreckung ist ein psy­cho­lo­gi­scher Begriff und setzt vor­aus, dass Men­schen sich von uner­wünsch­ten Hand­lun­gen abhal­ten las­sen, wenn man ihnen genü­gend Angst macht.

Aber Maschi­nen? Nie­mand hat bis jetzt behaup­tet, dass Maschi­nen Angst haben. Unse­re »Lebens­ver­si­che­rung« rich­tet ihr Anlie­gen an Maschi­nen, die ziem­lich auto­nom ent­schei­den, ob Atom­ra­ke­ten abge­feu­ert wer­den und es im Gefol­ge zur größ­ten bis­he­ri­gen Kata­stro­phe kommt. Denn wo die Vor­warn­zei­ten auf Minu­ten ver­kürzt wer­den, wo die Logik des Prä­emp­tiv­schlags regiert, es ein­zig auf urplötz­li­che Reak­ti­on ankommt, da schaut der Mensch nur noch zu. Boden­los dumm ver­wech­selt er »Sicher­heit« mit dem auto­ma­ti­schen Sui­zid. Vie­len Dank, Herr Pistorius!

Was bedeu­tet das für uns? Ich mei­ne für uns Bür­ge­rin­nen und Bür­ger, deren erstes Bedürf­nis es ist, leben zu wol­len? Vor allem dies: Wir sind die Gei­seln, die Gefan­ge­nen die­ser Wahn­sinns­kon­stel­la­ti­on. Ohne jemals zuge­stimmt zu haben, wird unser Leben an Gerä­te gekop­pelt, die nie­mand mehr unter Kon­trol­le hat. Machen sich die­se selb­stän­dig, ist es aus mit uns. Geht der Show­down dane­ben, kön­nen wir einpacken.

Aller­dings gibt es Unter­schie­de. Eini­ge von uns wer­den sofort tot sein, ande­re wer­den noch eini­ge Zeit dahin­sie­chen. Als noch bekannt war, wie gefähr­lich sol­che »Abschreckung« ist, hieß es: Die Leben­den wer­den die Toten benei­den. Das trifft es.

Sofort tot wer­den alle sein, die dort woh­nen, wo die rus­si­schen Rake­ten direkt ein­schla­gen. An jenen Punk­ten also, die von Russ­land aus gese­hen im Show­down so rasch wie mög­lich platt gemacht wer­den müs­sen. Ich zäh­le sie auf:

  • Wies­ba­den als künf­ti­ges Nato-Haupt­quar­tier für den Ukrai­ne­ein­satz gehört dazu, dann
  • Stutt­gart als Sitz des Euro­päi­schen Kom­man­dos der Ver­ei­nig­ten Staa­ten, schließlich
  • Bre­mer­ha­ven, die Dreh­schei­be für US-Trup­pen­trans­por­te Rich­tung Nato-Ost­gren­ze. Viel­leicht auch
  • Gra­fen­wöhr, ein Trup­pen­übungs­platz für die Aus­bil­dung ukrai­ni­scher Streit­kräf­te, vor allem aber
  • Büchel mit sei­nem Atom­waf­fen­la­ger für die »nuklea­re Teil­ha­be« und natür­lich das pfälzische
  • Ram­stein, das Zen­tral­mo­dul der glo­ba­len US-Kampfdrohneneinsätze.

Der Leser schaue selbst, wel­che grö­ße­ren Bal­lungs­ge­bie­te jeweils im Umkreis die­ser Haupt­zie­le lie­gen, die von Russ­land ver­nich­tet wer­den wür­den, falls es sich genau­so hirn­ris­sig »ver­tei­digt«, wie wir Deut­schen es vorhaben.

Auf die­se Zie­le wür­den rus­si­sche Rake­ten nur so ein­pras­seln. Eines ist dort also ver­bind­lich gesi­chert: Kei­ner müss­te sich quä­len, alle wäre sofort pul­ve­ri­siert – eigent­lich ver­dampft, denn der Atom­tod im Zen­trum des Gesche­hens ist ein Tod durch Ver­damp­fen. Der Rest Deutsch­lands wäre eine Höl­le, mit der ver­gli­chen Sta­lin­grad eine Idyl­le war.

»Wir spre­chen der Regie­rung das Recht ab, wei­ter­hin in unse­rem Namen zu han­deln und mit ihrer angeb­li­chen Sicher­heits­po­li­tik alles Leben zu gefähr­den!« Was die Mit­be­grün­de­rin der Grü­nen, Petra Kel­ly, 1983 im Deut­schen Bun­des­tag aus­rief, wäre zur­zeit mehr als aktu­ell. Ihr habt kein Recht, unser aller Leben zu riskieren!

Ist es nicht ver­rückt, dass die Grü­nen einst genau in die­ser Wei­se rebel­lier­ten und heu­te zu den­je­ni­gen gehö­ren, die eine Rebel­li­on hin­weg­fe­gen müss­te. Die (Mit)Macher einer töd­li­chen Poli­tik in Wildwestmanier!