Showdowns sind der Höhepunkt klassischer Wildwestfilme. Zwei Kontrahenten ziehen ihre Colts und machen endgültig reinen Tisch. Ein solcher Showdown, wenigstens dessen Vorbereitung, wird uns erneut als »Verteidigung« aufgenötigt – erneut, nachdem in den 1980er Jahren weltweit Millionen dagegen protestierten, vor allem (tief in der Vergangenheit, so scheint es) die Grünen.
Alles wie damals: Russland hat Raketen aufgestellt, die Berlin oder Wiesbaden erreichen können. Reflexhaft und selbstverständlich stellen »wir« (also die USA vermittelt durch die Nato) ebenfalls Raketen auf. Annalena Baerbock teilt uns mit, dass uns das »Schutz« biete: »Was uns jetzt schützt ist, dass wir in unsere eigene Sicherheit und Stärke investieren – in der EU, in der Nato und in Deutschland. Und dazu zählt die Entscheidung zur Stationierung weitreichender amerikanischer Waffensysteme.«
Ohne in die Einzelheiten der fraglichen Waffensysteme zu gehen, bedeutet dieser »Schutz« das Folgende: Ost und West stehen sich in Europa wieder Auge in Auge gegenüber. Jeder zielt mit Angriffswaffen aufs Herz des anderen. Mit mehrfacher Schallgeschwindigkeit würden die Raketen heranrasen und jeweils nach wenigen Minuten beim Gegner einschlagen. Dabei bleibt offen, ob sie atomar bestückt sind oder nicht. Die so genannten Dual-Use-Raketen können konventionelle oder auch nukleare Sprengköpfe tragen. Die Frühwarnsysteme unterscheiden das nicht. Für sie ist »sicherheitshalber« alles ein atomarer Angriff.
Frage an Frau Baerbock: Was würden Sie tun, wenn ihr Nachbar mit der Pistole auf Sie zielt? Würden Sie nun ebenfalls dicht an ihn herantreten und ihre eigene Waffe auf dessen Kopf richten? »Natürlich«, würde sie sagen, »das bietet mir Schutz!«
Aber ist das nicht ziemlich verrückt? Fast schon abartig? Wie soll aus gegenseitiger Gefährdung unter dem Strich Sicherheit resultieren? Wie viel Intelligenz braucht es, um zu verstehen, dass das Gegenteil viel wahrscheinlicher ist? Zwei Revolverhelden bringen ihre Waffen derart in Anschlag, dass sie den anderen auf der Stelle töten können. Alles hängt davon ab, dass jeder unverzüglich reagiert, sofern der andere irgendwelche Anstalten macht. Also etwa mit der Wimper zuckt oder sich ein Finger krümmt. Losballern auf Verdacht, heißt das.
Um es anders zu sagen: Die gegenseitige Bedrohung mit atomar bestückbaren Angriffswaffen, und das aus allernächster Nähe, ist mit Sicherheit alles andere als ein Schutz. Es handelt sich um einen Selbstzündungsmechanismus. Und zwar in einer Situation, die den Präemptivschlag herausfordert und unter Umständen erzwingt. Präemptivschläge mit oder ohne Atomsprengköpfe sollen das Angriffspotential des Feindes vernichten, bevor es zum Einsatz kommt. Um Präemptivschläge des Gegners zu erkennen, gibt es Vorwarnsysteme. Und genau dort klemmt es ganz gewaltig.
Denn auch Vorwarnsysteme sind nicht in der Lage, innerhalb von wenigen Minuten sicher zu entscheiden, ob der Feind »abgedrückt« hat oder nicht. Darauf hat die Gesellschaft für Informatik in einem offenen Brief an die Bundesregierung 2022 hingewiesen. Ein Atomkrieg aus Versehen sei geradezu programmiert. Selbstzündung also.
»Weder Menschen noch Maschinen können bei Alarmmeldungen in Frühwarnsystemen in so kurzer Zeit fehlerfrei entscheiden, da die Datengrundlage unsicher, vage und unvollständig und Überprüfung durch Menschen in der kurzen verfügbaren Zeit nicht möglich ist«, so die Informatiker Karl Hans Bläsius und Jörg Siekmann. Beide sind ausgewiesene KI-Spezialisten und befassen sich seit Langem mit der zunehmenden Gefahr eines Atomkriegs aus Versehen. Die Website unter diesem Titel illustriert, was auf uns zukommen könnte, wenn wir weiter »Sicherheitspolitik« im Wildweststil betreiben.
Aber Abschreckung muss doch sein, oder? Abschreckung sei »unsere Lebensversicherung«, so Verteidigungsminister Pistorius. Er glaubt noch, dass auf der anderen Seite jemand ist, der sich abschrecken lässt. Aber da ist niemand. Abschreckung ist ein psychologischer Begriff und setzt voraus, dass Menschen sich von unerwünschten Handlungen abhalten lassen, wenn man ihnen genügend Angst macht.
Aber Maschinen? Niemand hat bis jetzt behauptet, dass Maschinen Angst haben. Unsere »Lebensversicherung« richtet ihr Anliegen an Maschinen, die ziemlich autonom entscheiden, ob Atomraketen abgefeuert werden und es im Gefolge zur größten bisherigen Katastrophe kommt. Denn wo die Vorwarnzeiten auf Minuten verkürzt werden, wo die Logik des Präemptivschlags regiert, es einzig auf urplötzliche Reaktion ankommt, da schaut der Mensch nur noch zu. Bodenlos dumm verwechselt er »Sicherheit« mit dem automatischen Suizid. Vielen Dank, Herr Pistorius!
Was bedeutet das für uns? Ich meine für uns Bürgerinnen und Bürger, deren erstes Bedürfnis es ist, leben zu wollen? Vor allem dies: Wir sind die Geiseln, die Gefangenen dieser Wahnsinnskonstellation. Ohne jemals zugestimmt zu haben, wird unser Leben an Geräte gekoppelt, die niemand mehr unter Kontrolle hat. Machen sich diese selbständig, ist es aus mit uns. Geht der Showdown daneben, können wir einpacken.
Allerdings gibt es Unterschiede. Einige von uns werden sofort tot sein, andere werden noch einige Zeit dahinsiechen. Als noch bekannt war, wie gefährlich solche »Abschreckung« ist, hieß es: Die Lebenden werden die Toten beneiden. Das trifft es.
Sofort tot werden alle sein, die dort wohnen, wo die russischen Raketen direkt einschlagen. An jenen Punkten also, die von Russland aus gesehen im Showdown so rasch wie möglich platt gemacht werden müssen. Ich zähle sie auf:
- Wiesbaden als künftiges Nato-Hauptquartier für den Ukraineeinsatz gehört dazu, dann
- Stuttgart als Sitz des Europäischen Kommandos der Vereinigten Staaten, schließlich
- Bremerhaven, die Drehscheibe für US-Truppentransporte Richtung Nato-Ostgrenze. Vielleicht auch
- Grafenwöhr, ein Truppenübungsplatz für die Ausbildung ukrainischer Streitkräfte, vor allem aber
- Büchel mit seinem Atomwaffenlager für die »nukleare Teilhabe« und natürlich das pfälzische
- Ramstein, das Zentralmodul der globalen US-Kampfdrohneneinsätze.
Der Leser schaue selbst, welche größeren Ballungsgebiete jeweils im Umkreis dieser Hauptziele liegen, die von Russland vernichtet werden würden, falls es sich genauso hirnrissig »verteidigt«, wie wir Deutschen es vorhaben.
Auf diese Ziele würden russische Raketen nur so einprasseln. Eines ist dort also verbindlich gesichert: Keiner müsste sich quälen, alle wäre sofort pulverisiert – eigentlich verdampft, denn der Atomtod im Zentrum des Geschehens ist ein Tod durch Verdampfen. Der Rest Deutschlands wäre eine Hölle, mit der verglichen Stalingrad eine Idylle war.
»Wir sprechen der Regierung das Recht ab, weiterhin in unserem Namen zu handeln und mit ihrer angeblichen Sicherheitspolitik alles Leben zu gefährden!« Was die Mitbegründerin der Grünen, Petra Kelly, 1983 im Deutschen Bundestag ausrief, wäre zurzeit mehr als aktuell. Ihr habt kein Recht, unser aller Leben zu riskieren!
Ist es nicht verrückt, dass die Grünen einst genau in dieser Weise rebellierten und heute zu denjenigen gehören, die eine Rebellion hinwegfegen müsste. Die (Mit)Macher einer tödlichen Politik in Wildwestmanier!