Am 20.10.2024 starb in Berlin der Philosoph Peter Ruben. Er gilt noch heute vielen als der große Polemiker im philosophischen Marxismus. Er habe, wie Erhard Crome in seinem Nachruf zeigt (Das Blättchen Nr. 23, 04.11.2024), seine Grenzen gefunden an den parteipolitischen Institutionen der DDR. Das ist sicher richtig, muss aber ergänzt werden. In Nachrufen zum Tode des Philosophen Peter Ruben werden dessen Bemerkungen zu ökonomischen Fragen, wenn überhaupt, nur beifällig erwähnt. Und das mit gutem Grund.
Der Sozialphilosoph Georg Quaas (»Wertform-Analyse und Zeitmessung. Peter Rubens Messtheorie reloaded«, Metropolis-Verlag Marburg 2023) sagt, er halte Ruben für einen »der wenigen interessanten Philosophen der Deutschen Demokratischen Republik in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts« und findet »grundlegende Ideen Peter Rubens nach wie vor faszinierend« (S. 13). Doch Quaas zeigt auch, dass Ruben keineswegs immer fehlerfrei argumentiert und sich oft selbst widersprochen hat.
Besonders dann, wenn Ruben Streifzüge durch das ihm fremde Gebiet der Politischen Ökonomie unternimmt, zeigt sich, dass Ruben vor allem an sich selbst gescheitert ist. Anfang der 1980er Jahre veröffentlichten er und der Ökonom Hans Wagner gemeinsam einen Artikel über die Wertformen, mit denen Marx logisch-historisch erklärt, woher das Geld kommt und wie es entsteht. Darin vertraten sie eine Auffassung, die von der offiziellen politökonomischen Lesart abwich. Die SED-Oberen inszenierten, wie in ähnlichen Fällen typisch, einen völlig überzogenen und entbehrlichen politischen Feldzug gegen die beiden »Revisionisten«. Auch wenn man die unnötige Kampagne heute noch bedauern muss, bedeutet sie nicht, dass die inhaltlichen Argumente gegen Rubens und Wagners Darstellung des Problems falsch gewesen wären und die beiden Autoren in der Sache Recht gehabt hätten. »Möglicherweise«, so Georg Quaas, »findet man auch unter den zahlreichen unfreundlichen Einschätzungen und Beurteilungen der Philosophie Peter Rubens (…) die eine oder andere, die sachlich richtig war und ist« (S. 11).
Rubens und Wagners Fehler war, die Kategorie der abstrakten Arbeit auf ihren physiologisch-anthropologischen Gehalt zu reduzieren, auf die Verausgabung von Muskel, Nerv, Hirn und Hand. So konnten sie behaupten, dass der Wert unabhängig von jeglicher Warenproduktion existiere. Sie übersahen, dass die abstrakte Arbeit neben ihrer biologisch-natürlichen Grundlage einen gesellschaftlich-historischen Inhalt besitzt: Die physiologische Gemeinsamkeit der unterschiedlichsten menschlichen Arbeiten wird erst zur ökonomischen Kategorie der abstrakten Arbeit, wo die Menschen die Produkte als Waren, also für den Tausch, produzieren. Erst dann haben die Produkte nicht nur einen Gebrauchswert, sondern auch einen Wert, der die Grundlage der Tauschrelationen darstellt. Die abstrakte Arbeit ist eine physiologische und eine historisch-gesellschaftliche Kategorie. Erst die Einheit dieser beiden Seiten macht die allgemein menschliche Arbeit zur abstrakten und damit zur Arbeit, die Wert bildet.
Quaas geht noch schärfer mit Ruben ins Gericht. So sei diesem der Unterschied zwischen dem Wert und dem Tauschwert entgangen. Ruben sagt, Marx hätte nicht klar zwischen beiden Begriffen unterschieden – eine völlig abwegige Behauptung. Ruben ignoriert die Geldform des Werts als die vierte Wertform und gehörte »zu den Exegeten, die glauben, Marx nicht nur besser als er sich selbst verstehen zu können, sondern die ihr eigenes (Miss-) Verständnis dem interpretierten Autor unterstellen und diesen dann – aufgrund dieser Unterstellungen – kritisieren und berichtigen«. Quaas kommt zu dem Schluss, dass »weder Rubens Darstellung der Wertformen noch sein Wertbegriff etwas mit der Arbeitswerttheorie zu tun haben« (S. 151).
Tatsächlich hat sich Ruben in späteren Jahren vom Marxismus-Leninismus abgewandt und ist anderen theoretischen Leitsternen wie u.a. Joseph Schumpeter (1883-1950) gefolgt. Die Hinwendung zur bürgerlichen politischen Ökonomie legt gravierende ökonomische Schwächen bloß. Ruben missversteht den Wert als das Produkt aus Preis und Menge; er findet es kurios, dass ein Zeitmaß als Wertmaß gelten soll, und nennt es völlig unbegreiflich, dass die marxsche Formel W = c + v + m (Wert ist gleich konstantes Kapital plus variables Kapital plus Mehrwert) in einen Ausdruck für Arbeitszeit verwandelt werden kann. Die Äußerungen sind abstrus. Sie bestätigen nicht nur Quaas‘ Auffassung, dass Rubens Interpretation des Wertes nichts mit dem Marxschen Arbeitswertbegriff zu tun hat, sondern erwecken den Verdacht, Ruben könnte womöglich die Arbeitswerttheorie gar nicht verstanden haben. Schreibt er, sich auf Schumpeter beziehend, »der Streit zwischen Vertretern der Arbeitswertlehre und der subjektiven Nutzenlehre (sei) völlig überflüssig, (weil) der Arbeitswert der klassischen englischen Nationalökonomie mit dem Wert der subjektiven Wertlehre der Wiener Schule völlig übereinstimmt« – auch Quaas verweist auf die Gleichsetzung von Arbeitswert- und Nutzwert durch Ruben –, wird aus der Vermutung Gewissheit: Peter Ruben kann weder die Arbeitswerttheorie noch die Grenznutzentheorie verstanden haben. Andernfalls wäre die haarsträubende Gleichsetzung zweier Theorien, die gegensätzlicher nicht sein können, nicht möglich gewesen. »Peter Ruben hat einen Schatz sozialtheoretischer Überlegungen und Konzepte hinterlassen, die für weitere Überlegungen einer progressiven Zukunft Grundlagen liefert«, schreibt Crome. Das mag zutreffend sein. Andererseits steht fest, dass Ruben, obgleich darum bemüht, keinen Beitrag zur ökonomischen Theorie zu leisten vermochte.