Lion Feuchtwanger würde sich im Grab umdrehen, wenn er erführe, seine intimen Tagebücher seien der Öffentlichkeit präsentiert. Aber ein toter weltberühmter Schriftsteller kann sich nicht mehr wehren gegen Voyeure und Wissenschaftler, für die allein das jetzt veröffentlichte Buch einen Wert haben dürfte. 1991 bei einer Haushaltsauflösung der Wohnung der letzten Sekretärin Feuchtwangers entdeckt, hat es einige Zeit der Entzifferung und wohl auch Bedenkzeit gebraucht, um die aufgefundenen Teile (es fehlen wichtige Jahre und insgesamt reichen die Aufzeichnungen nur bis 1940) dann doch zu publizieren.
Man erfährt, wer zu Besuch war, mit wem Feuchtwanger – wie er schreibt – gevögelt und gehurt hat (und das immens oft!), wie er geschlafen hat, ob das Geld reichte, wann er onanierte oder zu viel trank oder spielte. Alles Details, die das tagtägliche Leben zwar strukturieren mögen, aber es sind stichwortartige Notizen, die Zusammenhänge, Hintergründe beziehungsweise Kommentare und eine tiefere Auseinandersetzung mit der eigenen Person und ihrer Zeit vermeiden. »Ein endloser Reigen männlicher Potenzprotzerei« schreibt Michael Naumann in der Zeit, und ich stimme ihm voll zu: »die peinlichsten und langweiligsten Tagebücher der deutschen Literaturgeschichte«.
Lion Feuchtwanger: »Ein möglichst intensives Leben. Die Tagebücher«, Aufbau, 640 Seiten, 26 €