In den Fünfzigerjahren des vorigen Jahrhunderts, kurz nach dem 2. Weltkrieg, gab es nicht nur Filme mit dem fiktiven Schriftsteller und Privatdetektiv Paul Temple vom Autor Francis Durbridge, sondern beim WDR auch Hörspiele. Eine wichtige Rolle spielte Pauls Frau Steve, die sich stets aktiv in das Geschehen einmischte. Paul Temple wurde von René Deltgen (im Fall Alex von Paul Klinger) gesprochen, Steve u. a. von der Schauspielerin Annemarie Cordes. Die Episoden waren jeweils wöchentlich freitags ab 20 Uhr für eine halbe Stunde zu hören. Die Sendungen begannen und schlossen mit einer für die damalige Zeit sehr modernen Musik von Hans Jönsson, die wahrscheinlich meine spätere Liebe für Jazzmusik begründete.
Ärgerlich war, dass ich und die anderen Jugendlichen meines Jahrgangs alle zwei Wochen freitags von 18 bis 20 Uhr zum Konfirmandenunterricht ins Gemeindehaus mussten. Der Weg nach Hause dauerte zwar zu Fuß nur sieben Minuten, da aber der Pfarrer selten pünktlich aufhörte, verpasste ich oft die tolle Musik. Zu dritt baten wir den Pfarrer, vielleicht zehn Minuten eher gehen zu können. Wir nannten das Hörspiel als Grund. Unsere Bitte wurde kategorisch abgelehnt. So konnte ich die jeweils nur kurz eingespielte Musik lediglich am Ende der Folgen hören, und mir entging manchmal auch der Anfang der Krimifortsetzung. Das machte mich ziemlich wütend, ich war nämlich nicht gerade wild auf Kirche und Religion, und diese Art Hörspiel war etwas völlig Neues im Radio.
Um mich zu rächen, besuchte ich in der Folgezeit den sonntäglichen Gottesdienst eher selten. Das Problem war, dass wir darüber Buch führen und unsere Anwesenheit jeweils von einem Presbyter abzeichnen lassen mussten.
So kam es, dass vier Wochen vor der Konfirmation ein Brief vom Pfarrer hereinflatterte mit dem Hinweis, meine Konfirmation sei wegen der seltenen Teilnahme am sonntäglichen Gottesdienst gefährdet. Mein Vater winkte mit dem Brief und fragte: Willst du konfirmiert werden oder nicht? Er würde entsprechend antworten. Ich schluckte und überlegte. Ziemlich sicher war, dass ich von Tante Inge eine Armbanduhr bekommen würde, meine älteren Vettern hatten bereits eine erhalten. Außerdem stand fest, dass andere Onkel und Tanten Geld schenken würden. Das war sehr wichtig, denn ich sparte auf ein Sportrad. Es fehlten noch einhundertzwanzig Mark. So ließ ich mich korrumpieren, und mein Vater schrieb einen Entschuldigungsbrief, was ihm aber, wie er bemerkte, nicht ganz so leichtgefallen war. Bei uns zu Hause wurde sehr kritisch über Kirche und alles, was damit zusammenhing, diskutiert. Der Brief hatte aber die gewünschte Wirkung, und so wurde ich konfirmiert. Das mit dem Geld klappte dann wie gewünscht, wie so oft, wenn die Kirche dabei im Spiel ist.
Doch beinahe hätte mir Paul Temple die Tour vermasselt.