Im deutschen Bundestag gibt es 736 Abgeordnete, darunter ist kein Arbeiter. Jeweils knapp über hundert sind Beamte, Angestellte im Öffentlichen Dienst, Angestellte in der Wirtschaft. Der Rest ist selbständig tätig oder Mitarbeiter von Organisationen. Damit die Arbeiter, die heute im Parlament fehlen, aber im Reichstag zu Kaisers Zeiten durchaus vertreten waren, ordentlich etwas hermachten, regte August Bebel an, dass sie Anzüge aus der sozialdemokratischen Fraktionskasse bezahlt bekamen.
Es gibt heute außerhalb der Bundes- und Länderparlamente viele politisch agierende Arbeiterinnen und Arbeiter, und sie tragen seit geraumer Zeit rote und orange Westen, manche auch Helme. Bei der außerparlamentarisch agierenden Jugend dominieren Anoraks und T-Shirts, Turnschuhe sowieso.
Die Bundespolizei hat allerdings jetzt zusätzliche Feinheiten entdeckt. Sie hat sich beispielsweise auf eine antifaschistische Demo in Bremen am 31. Mai vorbereitet, indem sie die Nordwestbahn anwies, durch das Zugpersonal herauszufinden, was da auf Bremen zurollte. Das Hilfeersuchen lautete: »Laut Bundespolizei sind linke Personen an folgenden Merkmalen bzw. Aussehen zu erkennen: Alternatives Auftreten bzw. Aussehen, evtl. mit Dreadlocks, links orientiert, besonders häufig auch Studenten, Personen, die der ›Öko-Szene‹, ›Grünen-Szene‹ oder Generation-Z zuzuordnen sind.«
Das Zugpersonal sollte demnach Personen an die Betriebszentralen und weiter an die Polizei melden, auf die diese Beschreibungen passten und die in Richtung Bremen unterwegs waren. Und von denen dann in Bremen von der Polizei etliche kräftig verhauen wurden, und zwar mit Knüppeln und mit Quarzhandschuhen. Stundenlang wurden sie eingekesselt und eingesperrt. Und warum? Sie protestierten gegen ein Urteil gegen Leipziger Antifaschisten, die die Körper von Nazis verletzt haben sollen und somit eine »Kriminelle Vereinigung« wurden (der Titel wird derzeit häufig vergeben).
In Bayern lernte ich antifaschistische Demonstrantinnen in Dirndl und Demonstranten in Lederhosen kennen. Die Tricks aus Norddeutschland kannten sie schon lange. Und so reisten sie entsprechend gekleidet zu Aktionen in Mittenwald an, um gegen die Gebirgsjägertraditionalisten zu demonstrieren, unter denen sich echte Kriegsverbrecher befanden. Die Polizei kesselte manche Demonstranten ein, weitere Gewalt und Verletzungen gab es bei jenen regelmäßigen Pfingsttreffen jedoch nicht. Allerdings gab es Beleidigungen durch Passanten, die Angehörigen von NS-Opfern zuriefen: Man hat vergessen, Euch zu vergasen. Oder: Ihr seid von ARD-Sendern wie NDR und WDR bezahlt. Man hatte sich gewundert, dass Mittenwald im Fernsehen zu sehen war, und wie.
Doch Kleiderordnungen bleiben für Versammlungen weiter ein Thema. Das Versammlungsrecht von NRW verbietet neuerdings Uniformähnliches. Alle in Schwarz? Verdächtig! Viele in roten und orangen Westen? Da ist die Polizei vorsichtig.
Also Demonstrantinnen und Demonstranten: Kauft rote Westen und Helme! Und eben auch Dirndl und Lederhosen. Und der Generation Z – das sind die nach 1995 geborenen und nur mit Digitalem vertrauten Menschen – ist zu raten: Macht Euch älter, bringt graue Perücken mit.