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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Panzerschlachten

Am 4. Juli wür­dig­te auf Sei­te 1 der FAZ der ehe­ma­li­ge Bun­des­wehr­sol­dat, Histo­ri­ker und heu­ti­ge Jour­na­list Eck­art Loh­se den neu­en deut­schen Kriegs­mi­ni­ster Boris Pisto­ri­us als »Chef­me­cha­ni­ker der Zei­ten­wen­de«. In Loh­ses Bei­trag heißt es zu den Pisto­ri­us noch bevor­ste­hen­den Auf­ga­ben wei­ter: »Er muss eine Gesell­schaft, die erst jahr­zehn­te­lang an Frie­den gewöhnt war und dann immer­hin noch hof­fen konn­te, die Bun­des­wehr wer­de nur in weit ent­fern­ten Län­dern kämp­fen, damit ver­traut machen, dass es eine neue Wirk­lich­keit gibt, die einer sehr alten Wirk­lich­keit wie­der nahe kom­men kann. Zwar hat die geschichts­be­la­de­ne Bun­des­re­pu­blik mit der Betei­li­gung am Koso­vo­krieg die Rück­kehr zum Mili­tä­ri­schen ein­ge­läu­tet und mit dem Afgha­ni­stan-Ein­satz fort­ge­setzt. Doch was seit dem 24. Febru­ar vori­gen Jah­res getan wer­den muss, ist von ande­rem Kali­ber. Deutsch­land muss nicht nur der Ukrai­ne hel­fen, son­dern sich auf Pan­zer­schlach­ten in sei­ner Nach­bar­schaft – Stich­wort Bal­ti­kum – ein­rich­ten. Und es muss dar­auf vor­be­rei­tet sein, dass das im eige­nen Land passiert.«

Der Mann weiß nicht nur, was er schreibt, son­dern auch, wann er das geschrie­ben hat. Das Blatt mit der gru­se­li­gen Ankün­di­gung von »Pan­zer­schlach­ten … im eige­nen Land« erschien auf die Stun­de genau 80 Jah­re nach­dem am Kurs­ker Bogen nicht unweit des Don­bass die deut­schen Trup­pen die erste soge­nann­te akti­ve Fein­d­auf­klä­rung began­nen, um einen Tag spä­ter, am 5. Juli 1943, die letz­te gro­ße Offen­si­ve der faschi­sti­schen Wehr­macht gegen die Rote Armee zu begin­nen. Die­se Schlacht am Kurs­ker Bogen ende­te nach der Nie­der­la­ge der deut­schen Trup­pen 1941 vor Mos­kau und der Ver­nich­tung der 6. Armee 1942 in Sta­lin­grad mit einer wei­te­ren, so schwe­ren Nie­der­la­ge, dass seit dem 15. Juli die Wehr­macht zu kei­ner grö­ße­ren Offen­si­ve an der Ost­front mehr in der Lage war. In den dazwi­schen lie­gen­den zehn Tagen kam es nahe des Ortes Pro­cho­row­ka zu der bis heu­te schreck­lich­sten Pan­zer­schlacht der Geschich­te, die von allen damals Betei­lig­ten als die Höl­le auf Erden beschrie­ben wurde.

Auf so etwas »muss« sich Deutsch­land nach dem Wil­len sei­nes wich­tig­sten Mei­nungs­bil­dungs­or­gans wie­der ein­stel­len – nicht nur weit ent­fernt im Osten, son­dern »im eige­nen Land«. Wenn das kein Ruf nach einem erneu­ten rei­ni­gen­den Stahl­ge­wit­ter ist, das vor 1914 in rechts­in­tel­lek­tu­el­len Krei­sen so beliebt war, was ist es dann?