In Ossietzky 5/2021 plädiert Conrad Taler im Artikel »Die Linke am Scheideweg« für eine Zustimmung der Linkspartei zu UN-mandatierten Auslandseinsätzen der Bundeswehr. Deutschland dürfe »angesichts seiner Geschichte nicht abseitsstehen«, wenn der UN-Sicherheitsrat zu einem gemeinsamen militärischen Vorgehen aufruft, meint Taler und fordert diesbezüglich einen »Kurswechsel« der Linkspartei als Voraussetzung für eine Regierungsbeteiligung (oder wie Taler es formuliert »eine Bundesregierung ohne CDU«).
Bekanntlich gab es in der Linkspartei im Januar 2021 einen entsprechenden Vorstoß des Bundestagsabgeordneten Matthias Höhn, der eine Zustimmung zu UN-mandatierten Einsätzen sowie zu einer EU-Armee forderte. Der damalige Parteivorstand hat dieses Ansinnen eindeutig zurückgewiesen. Auch bei seiner Kandidatur zum Parteivorstand scheiterte Höhn im März auf dem Parteitag, der damit einer solchen Aufweichung friedenspolitischer Positionen mehrheitlich eine klare Absage erteilt hatte.
Natürlich ist Ossietzky kein Organ der Linkspartei. Es kann daher keine einheitliche Linie etwa für oder gegen linke Regierungsbeteiligungen geben. Doch in der Friedensfrage sollten wir uns insbesondere dem antimilitaristischen Wirken und den pazifistischen Überzeugungen unseres Namensgebers Ossietzky verpflichtet fühlen.
Um zu verdeutlichen, worauf die Forderung nach der Unterstützung UN-mandatierter Einsätze herauslaufen kann, sei nur an den Beschluss des Sicherheitsrates (bei Enthaltung Russlands, Chinas, Indiens und Brasiliens) zur Einrichtung einer Flugverbotszone über Libyen 2011 erinnert. Damit wurde in der Konsequenz massiven Luftangriffen verschiedener NATO-Staaten, der Zerstörung des Staates und der Ermordung von Präsident Gaddafi sowie einem zehnjährigen Bürgerkrieg den Weg geebnet. Letztlich gilt auch für den UN-Sicherheitsrat, was Carl von Ossietzky desillusioniert bereits über dessen Vorläufer festgestellt hat: »Der Völkerbund ist völlig zum Instrument der verschiedenen Imperialismen geworden.«
Zentral für Ossietzkys Wirken war sein Eintreten für Abrüstung und sein Engagement gegen weitere Aufrüstung. Auch die Partei Die Linke tritt für eine schrittweise Abrüstung der Bundeswehr ein, mit den kriegsführungsfähigsten Teilen der Truppe zuerst. Eine Zustimmung zu Auslandseinsätzen – auch unter UN-Dach – würde diesem Ansinnen diametral entgegenlaufen. Denn wer UN-mandatierte Auslandseinsätze mittragen will, muss in der Konsequenz auch die dafür notwendige Einsatz- und Verlegefähigkeit der Truppe sicherstellen. Dies aber bedeutet nicht Abrüstung, sondern im Gegenteil weitere milliardenteure Aufrüstung etwa mit dem Militärtransportflugzeug Airbus A400M und dem Militärkampfschiff MKS 180. Nicht auszuschließen wäre dann, dass solche offensichtlich nicht der Landesverteidigung dienenden Systeme auch bei nicht-UN-mandatierten Kriegseinsätzen der NATO Verwendung finden.