Die Opernwelt 2024: Das Jahrbuch ist schon deswegen uninteressant, weil es Seiten mit ausgewählten Opern-Kritikern füllt, die ihre Hitliste dort abarbeiten dürfen. Oder: Sind hier die unvergleichlichen(!) Kritiker die Hits?
Solche Auszeichnungen wie »Opernhaus des Jahres«, welchen Sinn haben sie? Was nützt das an allen anderen Orten, hier gibt es kein Vorbild, das sich nachahmen ließe. Aber man kann damit viele Seiten füllen und sich wichtig machen, das Heft wird zum Buch.
Am schlimmsten sind die Einleitungen z. B. bei »der Sängerin des Jahres«, da geht es nicht unter Adornos »Ästhetischer Theorie«, deren Aussage für uns übersetzt wird, dass diese nicht »nur das Enigmatisch-Autonome eines jeden Kunstwerks gekennzeichnet«, sondern dabei auch »die Rolle der Künstlerin und des Künstlers selbst prästabiliert« habe. Oder prästabilisiert? Vielleicht das Stabile nobilitiert?! Denn »aus seiner Unbegreiflichkeit« befreit, überführt es »im besten Falle in eine Geschichte, deren mimetische Anverwandlung des Vorliegenden zu beglücken vermag«. Beglückt uns das Vorliegende?
Braucht man einen Bourgeois oder eine Luise für den »wunderschönen und richtigen« Satz: Die Kunst hat stets mit dem Leben zu tun? Ich bin wunderschön überrascht. Und warum wird das am Ende der Seite zu einer »besonderen Form des Sarkasmus, der aber nie ins Kitschige abrutscht«. Das ist eine für mich neue Rutschbewegung, mir scheint, der Schein ist nicht so. Aber rutscht mir doch (…), ich blättere weiter. Und stolpere über die Stuttgarter »Dora«, die uns mal näher und mal ferner rückt, sich dabei auch noch, das muss schon sein, selber reflektiert. »Wir sind ratlos«, ich auch. Allerdings geht mir das inzwischen allgegenwärtige und unvermeidliche »dekodieren« langsam auf die Nerven. Analyse war früher, Veränderungen erst recht, Dekonstruktion ist der Mixer in der Schlagsahne. Ich überblättere Silvia Adler, die sich noch vor Claus Ambrosius gedrängt hat, es sind so viele Männer, bis Christian Wildhagen, um bei den Kategorien nicht nur die Kantine zu vermissen. (Die Toilette ist ideal zum Aufwärmen in der Kantine des Deutschen Theaters, Berlin).
Selbstverständlich, neben der Staatsoper wohnt auch gleich die Staatsräson, ist doch der Antisemitismus »weltweit wieder auf dem Vormarsch«, eine Nachricht, die »geschichtliche Kontinuität« beglaubigt: »Wo Juden waren, wurden sie gehasst«. Ist das nun die Einleitung zur Staatsräson? Immerhin hat sich das doch zumindest in diesem Heft und diesem Staat geändert. Übrigens kein Wort zu den Palästinensern, haben die keine Kunst, sind die bei uns so beliebt? Ja dieser »glühend-verblendete Antisemitismus«, der wohl die Augen verglüht und damit verblendet hat, wenn ich das richtig interpretiere, das macht, wenn man nichts mehr sieht, natürlich die Rezeption »bleiern schwer.« Nun, umgeblättert, entlädt sich von der ersten Szene an »brodelnd, antijüdische Pogromstimmung« in die »finale Hinrichtung«. Brodelnd ins Finale! mit Halévys »La Juive«!
Da fragt man sich zu Recht, ob das alles Zukunft hat! Dieses »neofeudale Amüsement«, diese »pure Seelenbeglückung für akademische Eliten«? Und fragt sich, ob das wirklich die Frage ist! Gibt es eine Frage, lädt man am besten ein paar Leute ein, die darüber schwatzen. Hier Frau Schmid, jetzt Dresden, gegen Frau Lwowski aus der Ukraine, das muss sein, ist aber hier interessant, da sie den »fortschrittlichsten« (grünen) Standpunkt zum Musiktheater einnimmt, dazwischen noch ein Mann, Sänger-Darsteller. Der Moderator dieser Runde wartet gleich mit der marxistischen Dialektik auf, freilich um sie sogleich wieder zu entsorgen, worüber diese nicht traurig sein dürfte. Frau Lwowski ist auf der Höhe unsere Hoch- und Wendezeit und möchte gerne z. B. Wagner mit inklusiven Musikdarstellern machen, fürchtet aber das Pfeifen aus den Tiefen der Ränge. Diesbezüglich Erfahrungen durfte sie schon im Unterstützervolk sammeln. Kann man Waffen an die Ukraine liefern und bekommt dafür einen Sartre-Text in einer »Traviata« Aufführung?! Das ist zu viel verlangt! Hier kommt nun der Mann ins Spiel, der bei Premierenfeiern den Vogel bekommt. Kann ich nachvollziehen. Frau Schmid möchte freilich den Raum für Schönheit erhalten. Dazu passt es schwer, wenn Frau Lwowski über hungernde Kinder in Afrika sprechen will, davon will der (alte) weiße Mann, der 300 € für seine Karte bezahlt, natürlich nichts wissen, der will seine »Aida« genießen. Sie möchte die »Matrix« Oper sprengen, dafür hat sie das Wort Musiktheater, wo dann gehen soll, was in der Oper nicht geht: Dekonstruktion! »Wenn ein Mensch mit Trisomie 21 ›Tristan und Isolde‹ singt«, das wäre dann Musiktheater. Oder Isolde mit Asperger. Oder…? Ich schlage hier eine Übergangslösung vor: Ich bin gerne bereit für entsprechendes Honorar das nächste Mal in Bayreuth den Wotan zu machen!
Zum Schluss noch mit oder nach Bachmann und Celan: »Wo das Herz stillsteht, da fehlen die Worte.« Oder: Nach dem Infarkt ist Ruhe. Darauf warten wir.
PS: Wenn Frau Schmid von Graz nach Dresden wechselt, flieht sie vor der kommunistischen Mehrheit in die der AfD, oder sitzen überall die ähnlichen Leute da herum, die, angelockt von der Repräsentativität der Oper, doch für sich(!) diese Welt entdecken, ich sage mal »könnten«, das wäre doch wunderbar. Zumindest haben sie die Eintrittskarte gelöst, und wenn sie, sei es auch wegen der verdammten Premierenfeier wiederkommen, auch gut.