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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Opernwelt 2024

Die Opern­welt 2024: Das Jahr­buch ist schon des­we­gen unin­ter­es­sant, weil es Sei­ten mit aus­ge­wähl­ten Opern-Kri­ti­kern füllt, die ihre Hit­li­ste dort abar­bei­ten dür­fen. Oder: Sind hier die unver­gleich­li­chen(!) Kri­ti­ker die Hits?

Sol­che Aus­zeich­nun­gen wie »Opern­haus des Jah­res«, wel­chen Sinn haben sie? Was nützt das an allen ande­ren Orten, hier gibt es kein Vor­bild, das sich nach­ah­men lie­ße. Aber man kann damit vie­le Sei­ten fül­len und sich wich­tig machen, das Heft wird zum Buch.

Am schlimm­sten sind die Ein­lei­tun­gen z. B. bei »der Sän­ge­rin des Jah­res«, da geht es nicht unter Ador­nos »Ästhe­ti­scher Theo­rie«, deren Aus­sa­ge für uns über­setzt wird, dass die­se nicht »nur das Enig­ma­tisch-Auto­no­me eines jeden Kunst­werks gekenn­zeich­net«, son­dern dabei auch »die Rol­le der Künst­le­rin und des Künst­lers selbst prä­sta­bi­liert« habe. Oder prä­sta­bi­li­siert? Viel­leicht das Sta­bi­le nobi­li­tiert?! Denn »aus sei­ner Unbe­greif­lich­keit« befreit, über­führt es »im besten Fal­le in eine Geschich­te, deren mime­ti­sche Anver­wand­lung des Vor­lie­gen­den zu beglücken ver­mag«. Beglückt uns das Vorliegende?

Braucht man einen Bour­geois oder eine Lui­se für den »wun­der­schö­nen und rich­ti­gen« Satz: Die Kunst hat stets mit dem Leben zu tun? Ich bin wun­der­schön über­rascht. Und war­um wird das am Ende der Sei­te zu einer »beson­de­ren Form des Sar­kas­mus, der aber nie ins Kit­schi­ge abrutscht«. Das ist eine für mich neue Rutsch­be­we­gung, mir scheint, der Schein ist nicht so. Aber rutscht mir doch (…), ich blät­te­re wei­ter. Und stol­pe­re über die Stutt­gar­ter »Dora«, die uns mal näher und mal fer­ner rückt, sich dabei auch noch, das muss schon sein, sel­ber reflek­tiert. »Wir sind rat­los«, ich auch. Aller­dings geht mir das inzwi­schen all­ge­gen­wär­ti­ge und unver­meid­li­che »deko­die­ren« lang­sam auf die Ner­ven. Ana­ly­se war frü­her, Ver­än­de­run­gen erst recht, Dekon­struk­ti­on ist der Mixer in der Schlag­sah­ne. Ich über­blät­te­re Sil­via Adler, die sich noch vor Claus Ambro­si­us gedrängt hat, es sind so vie­le Män­ner, bis Chri­sti­an Wild­ha­gen, um bei den Kate­go­rien nicht nur die Kan­ti­ne zu ver­mis­sen. (Die Toi­let­te ist ide­al zum Auf­wär­men in der Kan­ti­ne des Deut­schen Thea­ters, Berlin).

Selbst­ver­ständ­lich, neben der Staats­oper wohnt auch gleich die Staats­rä­son, ist doch der Anti­se­mi­tis­mus »welt­weit wie­der auf dem Vor­marsch«, eine Nach­richt, die »geschicht­li­che Kon­ti­nui­tät« beglau­bigt: »Wo Juden waren, wur­den sie gehasst«. Ist das nun die Ein­lei­tung zur Staats­rä­son? Immer­hin hat sich das doch zumin­dest in die­sem Heft und die­sem Staat geän­dert. Übri­gens kein Wort zu den Palä­sti­nen­sern, haben die kei­ne Kunst, sind die bei uns so beliebt? Ja die­ser »glü­hend-ver­blen­de­te Anti­se­mi­tis­mus«, der wohl die Augen ver­glüht und damit ver­blen­det hat, wenn ich das rich­tig inter­pre­tie­re, das macht, wenn man nichts mehr sieht, natür­lich die Rezep­ti­on »blei­ern schwer.« Nun, umge­blät­tert, ent­lädt sich von der ersten Sze­ne an »bro­delnd, anti­jü­di­sche Pogrom­stim­mung« in die »fina­le Hin­rich­tung«. Bro­delnd ins Fina­le! mit Halé­vys »La Juive«!

Da fragt man sich zu Recht, ob das alles Zukunft hat! Die­ses »neo­feu­da­le Amü­se­ment«, die­se »pure See­len­be­glückung für aka­de­mi­sche Eli­ten«? Und fragt sich, ob das wirk­lich die Fra­ge ist! Gibt es eine Fra­ge, lädt man am besten ein paar Leu­te ein, die dar­über schwat­zen. Hier Frau Schmid, jetzt Dres­den, gegen Frau Lwow­ski aus der Ukrai­ne, das muss sein, ist aber hier inter­es­sant, da sie den »fort­schritt­lich­sten« (grü­nen) Stand­punkt zum Musik­thea­ter ein­nimmt, dazwi­schen noch ein Mann, Sän­ger-Dar­stel­ler. Der Mode­ra­tor die­ser Run­de war­tet gleich mit der mar­xi­sti­schen Dia­lek­tik auf, frei­lich um sie sogleich wie­der zu ent­sor­gen, wor­über die­se nicht trau­rig sein dürf­te. Frau Lwow­ski ist auf der Höhe unse­re Hoch- und Wen­de­zeit und möch­te ger­ne z. B. Wag­ner mit inklu­si­ven Musik­dar­stel­lern machen, fürch­tet aber das Pfei­fen aus den Tie­fen der Rän­ge. Dies­be­züg­lich Erfah­run­gen durf­te sie schon im Unter­stüt­zer­volk sam­meln. Kann man Waf­fen an die Ukrai­ne lie­fern und bekommt dafür einen Sart­re-Text in einer »Tra­via­ta« Auf­füh­rung?! Das ist zu viel ver­langt! Hier kommt nun der Mann ins Spiel, der bei Pre­mie­ren­fei­ern den Vogel bekommt. Kann ich nach­voll­zie­hen. Frau Schmid möch­te frei­lich den Raum für Schön­heit erhal­ten. Dazu passt es schwer, wenn Frau Lwow­ski über hun­gern­de Kin­der in Afri­ka spre­chen will, davon will der (alte) wei­ße Mann, der 300 € für sei­ne Kar­te bezahlt, natür­lich nichts wis­sen, der will sei­ne »Aida« genie­ßen. Sie möch­te die »Matrix« Oper spren­gen, dafür hat sie das Wort Musik­thea­ter, wo dann gehen soll, was in der Oper nicht geht: Dekon­struk­ti­on! »Wenn ein Mensch mit Tri­so­mie 21 ›Tri­stan und Isol­de‹ singt«, das wäre dann Musik­thea­ter. Oder Isol­de mit Asper­ger. Oder…? Ich schla­ge hier eine Über­gangs­lö­sung vor: Ich bin ger­ne bereit für ent­spre­chen­des Hono­rar das näch­ste Mal in Bay­reuth den Wotan zu machen!

Zum Schluss noch mit oder nach Bach­mann und Celan: »Wo das Herz still­steht, da feh­len die Wor­te.« Oder: Nach dem Infarkt ist Ruhe. Dar­auf war­ten wir.

PS: Wenn Frau Schmid von Graz nach Dres­den wech­selt, flieht sie vor der kom­mu­ni­sti­schen Mehr­heit in die der AfD, oder sit­zen über­all die ähn­li­chen Leu­te da her­um, die, ange­lockt von der Reprä­sen­ta­ti­vi­tät der Oper, doch für sich(!) die­se Welt ent­decken, ich sage mal »könn­ten«, das wäre doch wun­der­bar. Zumin­dest haben sie die Ein­tritts­kar­te gelöst, und wenn sie, sei es auch wegen der ver­damm­ten Pre­mie­ren­fei­er wie­der­kom­men, auch gut.