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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Ohne Limit

Schlimm, wie sich die Bun­des­re­gie­rung nach 1990 noch so ver­tun konn­te! Da hielt sie doch tat­säch­lich »eine Armee nur für ›mili­tä­ri­sche Poli­zei­ein­sät­ze‹ für nötig (…). ›Aber dass jetzt auf ein­mal wie­der der Land­krieg zurück­ge­kom­men ist, dar­auf sind wir nicht vor­be­rei­tet. Und das müs­sen wir tun‹. (…) Auch Ein­satz­sze­na­ri­en zur Lan­des­ver­tei­di­gung müss­ten reak­ti­viert wer­den« (jun­ge Welt, 22.03.2024, Robert Habeck zitie­rend). Für die­ses Müs­sen wäre es ide­al, wenn sich z. B. das THW vor Bei­tritts­an­trä­gen von all­zeit an ihrem jewei­li­gen Platz Berei­ten nicht ret­ten könn­te. Das vor­herr­schen­de Gefühl, von Fein­den umstellt zu sein, und dass es nun »um die Wurst« gehe, inspi­riert – zu einem guten Akti­vis­mus. (»Mach mit!« auf dem Kriegstrimmpfad.)

Solch löb­li­ches Enga­ge­ment ist ein­ge­bet­tet in einen tat­kräf­ti­gen Ent­wurf zur Zukunfts­si­che­rung Euro­pas. Der schon am 30.01.2023 an der Her­tie School gehal­te­ne Vor­trag von Pao­lo Gen­ti­lo­ni, EU-Kom­mis­sar für Wirt­schaft und Wäh­rung, fass­te den Wil­len der Uni­on so: »Weck­ruf für Deutsch­land und Euro­pa«, »wir kön­nen nicht out­sour­cen«, »unse­ren Ener­gie­be­darf nicht nach Russ­land«, »unse­re Sicher­heit nicht an die USA«, »unse­re Indu­strie nicht nach Chi­na«. Laut Gen­ti­lo­ni erheischt das von der EU »Ver­än­de­run­gen, von denen es kein Zurück mehr geben wird«, denn: »Wir ste­hen vor einer drei­fa­chen Her­aus­for­de­rung für unse­re Wett­be­werbs­fä­hig­keit: hohe Ener­gie­prei­se, die Indu­strie­po­li­tik ande­rer Län­der und der Zugang zu wich­ti­gen Roh­stof­fen und Tech­no­lo­gien.« Das bedeu­tet: »bei Inno­va­tio­nen an vor­der­ster Front blei­ben«. Für den »grü­nen Wan­del« stellt die EU-Kom­mis­si­on jähr­li­che Mil­li­ar­den­be­trä­ge bereit. Unter dem Titel »Gestal­tung der digi­ta­len Zukunft Euro­pas« nimmt sie sich vor, ihre KI zu »einem Dreh­kreuz von Welt­rang« aus­zu­bau­en. »Dies wird ein Wen­de­punkt sein, der es Euro­pa ermög­licht, sei­ne Ambi­tio­nen zu ver­stär­ken und welt­weit füh­rend bei der Ent­wick­lung modern­ster, ver­trau­ens­wür­di­ger KI zu wer­den.« Die Trans­for­ma­ti­ons­zie­le wol­len finan­ziert sein; aus dem Anspruch, auf dem Welt­markt auch in Kon­kur­renz zur Schutz­macht USA stär­ker als bis­her mit­zu­mi­schen oder die­sen im Ide­al­fall zu domi­nie­ren, resul­tie­ren der mon­strö­se Kre­dit­be­darf eines sei­ner Attrak­ti­vi­tät für Geld­an­le­ger gewis­sen EU-Haus­halts und eine nach­sich­ti­ge­re Hand­ha­bung der Schuldenbremse.

Zugleich ver­säu­men es die EU und »an vor­der­ster Front« Deutsch­land im Ver­trau­en auf ihren jet­zi­gen und künf­ti­gen Zuwachs an Schlag­kraft nicht, sich selbst als even­tu­ell »auto­no­men Block« auf den Zustand ihrer Kriegs­fä­hig­keit zu befra­gen. Zwar ergibt die Besich­ti­gung der ver­füg­ba­ren Euro-Gewalt­mit­tel noch nicht die Opti­on, sich bei mili­tä­ri­scher Ver­fol­gung von der Nato-Ein­bin­dung nen­nens­wert zu eman­zi­pie­ren, aber der Wind­schat­ten des gro­ßen Bru­ders kann auch etwas ein­brin­gen. Zum Bei­spiel die Chan­ce, dass die ame­ri­ka­ni­schen For­de­run­gen an Euro­pa, mehr Kriegs­ko­sten zu über­neh­men, auch sei­nen mili­tä­ri­schen Hand­lungs­spiel­raum för­dern – u. a. mit mehr Mit­spra­che bei nuklea­rer Teil­ha­be, viel­leicht sogar der Eta­blie­rung einer wirk­li­chen Atom­macht Euro­pa, nach der die Zei­ten­wen­de schließ­lich verlangt.

Mit einer Viel­zahl von aus­dif­fe­ren­zier­ten Auf­ga­ben, Selbst­ver­pflich­tun­gen und Umset­zungs­schrit­ten trägt die aktu­el­le Ver­si­on des EU-Haus­halts den Her­aus­for­de­run­gen Rech­nung: dem bean­spruch­ten Rang in der Welt­markt­kon­kur­renz sowie des­sen ange­streb­ter Gewähr­lei­stung durch Gewalt­mit­tel. Für sich rekla­miert die EU eine glo­ba­le Über­hol­spur, auf der kein Tem­po­li­mit gilt; beim Antre­ten zum Welt­wett­ren­nen im »Over­dri­ve« stimmt die Rasanz von Rüstungs­fort­schrit­ten zuver­sicht­lich. Die wer­den schon dafür sor­gen, dass nicht »wir« im Gra­ben lan­den. Oder? Fest steht jeden­falls schon jetzt: No risk, no fun!