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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Nur Haufen, die laufen?

Demon­stra­ti­on kommt von latei­nisch demon­stra­re: zei­gen, hin­wei­sen, nach­wei­sen. Logisch gese­hen ist das Verb myste­ri­ös. Wie kann ein Zei­chen das, was es zeigt, zugleich nach­wei­sen, sprich bewei­sen? Wir fra­gen die Demon­stra­ti­on selbst: Wie machen Sie das? Was ist Ihr Trick?

Du kannst du sagen. Ich bin nichts ande­res, als was du bist. Ich bestehe aus Men­schen, du auch. Ich bin vie­le, du auch. Men­schen, die mich machen, mer­ken, dass sie nicht allein sind. Men­schen, die mich nicht machen, mer­ken das nicht. Sie den­ken, sie wären Ein­zel­we­sen, anders als alle ande­ren, was in gewis­ser Hin­sicht stimmt, aber in der Haupt­sa­che nicht: Men­schen sind gleich. Je weni­ger die Men­schen gleich sind, desto weni­ger sind sie Men­schen. Die­se Behaup­tung muss nicht ein­ge­schränkt wer­den, da die grund­le­gen­de Gleich­heit der Men­schen das ist, wovor sie ein­heit­lich weg­lau­fen. Die Welt ent­wickelt sich immer wei­ter weg von der mensch­li­chen Gleich­heit. Und da kom­me ich ins Spiel.

Die Men­schen ent­wickeln sich immer wei­ter weg von dem, was sie grund­le­gend sind. Das macht sie unzu­frie­den, und Unzu­frie­den­heit will gezeigt wer­den. Also machen die Men­schen mich. Im Kern bin ich immer das Zei­chen für Unzu­frie­den­heit. Weil die­se aber aus der ver­fehl­ten Rich­tung der Mensch­heits­ent­wick­lung resul­tiert, bin ich immer auch ein Zei­chen der Umkehr. Halt, Stopp, Leu­te. Wir gehen in die fal­sche Rich­tung. Das kann ich zei­gen, indem ich beherzt in die Gegen­rich­tung gehe und dahin so vie­le wie mög­lich mit­neh­me. So ent­steht der Ein­druck einer sich bes­ser ori­en­tie­ren­den und gleich­zei­tig zusam­men­wach­sen­den Mensch­heit. So ent­steht Freu­de und Angst­lo­sig­keit, weil sich alle grund­le­gend respek­tie­ren und mer­ken, dass end­lich eine bes­se­re Rich­tung ein­ge­schla­gen wur­de. Vor Freu­de schlägt die eine oder der ande­re dann mal ein Schau­fen­ster ein. Auch Freu­de will sich ja zeigen.

Hier ist mein Geheim­nis: Ich bin, was ich zei­ge. Ich bin unzu­frie­den und zei­ge Unzu­frie­den­heit. Ich bin Mensch unter Men­schen und zei­ge, dass ich das bin. Es ist wie bei der Mon­stranz, mei­ner kür­ze­ren Schwe­ster. Sie zeigt das Aller­hei­lig­ste. Sie ist das Aller­hei­lig­ste. Wie bei Salo­mos Tem­pel: Er war hei­lig. Er beinhal­te­te das Hei­li­ge. Sein Aller­hei­lig­stes beinhal­te­te einen Schrein. Die­ser beinhal­te­te das Aller­hei­lig­ste: Got­tes Worte.

Kom­men wir auf das Rich­tungs­the­ma zurück. Da herrscht eini­ge Ver­wir­rung. Für die Men­schen, die nach Jeru­sa­lem zogen, war das Aller­hei­lig­ste das Ziel. Sie wuss­ten, dass das Leben Bewe­gung ist und dass die Bewe­gun­gen von Men­schen eine Rich­tung haben. Wenn die Mensch­heit sich nun in die fal­sche Rich­tung bewegt, nen­nen die­je­ni­gen, die die fal­sche Rich­tung bei­be­hal­ten wol­len, sich kon­ser­va­tiv. Es soll blei­ben, wie es ist, sagen sie, was nichts ande­res heißt als: Es soll in die fal­sche Rich­tung wei­ter­ge­hen. Dage­gen set­zen die Unzu­frie­de­nen ihr Zei­chen: Nein. Die Rich­tung und die Welt müs­sen sich ändern.

Wenn du mich fragst, soll­ten die­je­ni­gen, die mich machen, sich durch ihre Bewe­gungs­form aus­drücken. Wer für das Pri­vat­ei­gen­tum an der Erde und deren rück­sichts­lo­se Zer­stö­rung demon­striert, soll­te das im Ste­hen tun. Das haben wir näm­lich gera­de. Wer für Natio­nal­stolz, ras­si­sche Über­le­gen­heit, Füh­rer­tum oder die Dis­kri­mi­nie­rung von Frau­en, Frem­den und Anders­den­ken­den demon­striert, soll­te rück­wärts­ge­hen. Die Din­ge hat­ten wir schon und haben sie glück­lich hin­ter uns. Das Rück­wärts­ge­hen ist übri­gens gesund für Men­schen, die sich in den immer­glei­chen Bewe­gun­gen fest­ge­lau­fen haben. Pro­fes­sor Gerd Schnack, Prä­si­dent der Deut­schen Gesell­schaft für Prä­ven­tiv­me­di­zin, emp­fiehlt, ein Stück des täg­li­chen Wegs rück­wärts zu gehen, um den Bewe­gungs­ap­pa­rat zu lockern. Wer zusam­men mit Faschi­sten und Anti­se­mi­ten gegen Gesund­heits­maß­nah­men demon­striert, soll­te ein­mal in die Luft sprin­gen und dabei ein Sel­fie machen. Unter­zei­le: »Ich bin der ein­zi­ge Mensch auf der Welt. Die Fake-Men­schen um mich rum wur­den in einem vir­tu­el­len Fick von Ange­la Mer­kel und Bill Gates gezeugt.« Die Demo ist damit schon zu Ende. Mehr Bedeu­tung ist nicht.

Wer hin­ge­gen für die Gleich­heit der Men­schen in einer pro­spe­rie­ren­den, fried­li­chen und frei­gie­bi­gen Welt demon­striert, soll­te ren­nen, als gin­ge es um das eige­ne Leben. Um das geht es näm­lich auch. Für die­se Art Unzu­frie­den­heit, für die­ses Ziel ist es die aller­höch­ste Eisen­bahn. Poli­zi­sten, die sol­che Demon­stra­tio­nen »beglei­ten«, soll­ten vor­ne­weg oder hin­ten­nach mit­ren­nen müs­sen. Sonst beglei­ten sie ein Zei­chen, das sie mit ihrer Lang­sam­keit, mit ihren Kes­seln, Greif­trupps, Inge­wahrs­am­nah­men nebst Straf­an­zei­gen wegen Abwehr von Poli­zei­ge­walt (in den neu­en Poli­zei­ge­set­zen: »Angriff auf Voll­zugs­be­am­te«) zu einem Zei­chen ihrer eige­nen Star­re umge­lo­gen haben.