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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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(Neu-)Wahlprogramm

»Am Aus­gangs­punkt steht da der Wunsch, über eine breit­ge­schich­te­te Mas­sen­kauf­kraft die alte, kon­ser­va­ti­ve sozia­le Struk­tur end­gül­tig zu über­win­den. Die­se über­kom­me­ne Hier­ar­chie ist (war) auf der einen Sei­te durch eine dün­ne Ober­schicht, wel­che sich jeden Kon­sum lei­sten (kann) konn­te, wie ande­rer­seits durch eine quan­ti­ta­tiv sehr brei­te Unter­schicht mit unzu­rei­chen­der Kauf­kraft gekenn­zeich­net. Die Neu­ge­stal­tung unse­rer Wirt­schafts­ord­nung muss(te) also die Vor­aus­set­zung dafür schaf­fen, dass die­ser einer fort­schritt­li­chen Ent­wick­lung ent­ge­gen­ste­hen­de Zustand und damit zugleich auch end­lich das Res­sen­ti­ment zwi­schen ›arm‹ und ›reich‹ über­wun­den wer­den kann (konn­te).«

Nein, die­se Sät­ze stam­men nicht etwa von Karl Marx. Sie sind jün­ge­ren Datums. Sie ste­hen auch nicht in einem der aktu­el­len Wahl­pro­gram­me für die im Febru­ar näch­sten Jah­res antre­ten­den Par­tei­en, wenn­gleich sie – lei­der vor län­ge­rer Zeit schon – von einem Ver­tre­ter eben die­ser Par­tei­en geäu­ßert wur­den. Sie fin­den sich in einem Buch mit dem Titel »Wohl­stand für alle«, das der Christ­de­mo­krat Lud­wig Erhard im Jahr 1957 vor­ge­legt hat. Er begrün­de­te damit das Modell einer sozia­len Markt­wirt­schaft, das dann unter sei­ner Regie bekannt­lich eine ech­te Erfolgs­ge­schich­te schrieb.

Tem­pi pas­sa­ti! Tat­säch­lich wir­ken sei­ne Zei­len heu­te, nahe­zu 70 Jah­re spä­ter, ver­stö­rend aktu­ell. Spä­te­stens nach der »Wen­de«, als die System­kon­kur­renz »sieg­reich« ent­schie­den schien, wur­de das sozia­le Wohlstands-»Gedöns«, das die Über­le­gen­heit des Westens doku­men­tie­ren soll­te, kon­ti­nu­ier­lich abge­baut – zunächst und am ener­gisch­sten im Bei­tritts­ge­biet. Eine immer »brei­ter« und ärmer wer­den­de Unter­schicht sieht sich nun wie­der einer »dün­nen«, immer rei­cher wer­den­den Ober­schicht gegen­über. Und die Lud­wig Ehr­hard nach­fol­gen­den Christ­de­mo­kra­ten wer­den dar­an nicht nur nichts ändern, ihr der Ober­schicht und der Finanz­in­du­strie enorm zuge­neig­ter Spit­zen­kan­di­dat – Black­Rock-Merz – wird die Kluft eher noch ver­grö­ßern – und die »Lei­stungs­trä­ger«, die Rei­chen also, zu Lasten der sozi­al Schwä­che­ren auch noch »ent­la­sten«. Es wäre aller­dings nicht kor­rekt, hier mit dem Fin­ger nur auf die CDU zu zei­gen. Für die Kluft und ihre Dyna­mik sind die ande­ren »Par­tei­en der Mit­te«, nament­lich die Sozi­al­de­mo­kra­ten und die Grü­nen (von der FDP wol­len wir hier schwei­gen: Auf tote Hun­de schießt man nicht), trotz aller Lip­pen­be­kennt­nis­se eben­so ver­ant­wort­lich wie die Erben Lud­wig Erhards.

Dass sich dar­an durch eine oder nach einer Wahl etwas ändert, hie­ße, auf ein Wun­der zu hof­fen. Das wäre wohl erst zu erwar­ten, wenn wir, mög­lichst vie­le von uns, der unso­zia­len Markt­wirt­schaft und ihren kriegs­lü­ster­nen Ein­flü­ste­rern eine stim­men­ge­wal­ti­ge Absa­ge ertei­len. Übri­gens: Ein Kreuz bei der AfD wird dabei rein gar nicht hel­fen. In deren Agen­da sind die »Armen« nichts als Stimm­vieh, poli­tisch völ­lig irrelevant.