»Mutter Courage und ihre Kinder« ist ein Drama von Bertolt Brecht. Es wurde 1938/39 im schwedischen Exil verfasst. 1941 wurde es in Zürich uraufgeführt. Es spielt im Dreißigjährigen Krieg zwischen 1624 und 1636. Erzählt wird die Geschichte der Marketenderin Anna Fierling, genannt Mutter Courage, die versucht, ihr Geschäft mit dem Krieg zu machen, und dabei ihre drei Kinder verliert. Das Geschehen kann als Warnung an die kleinen Leute verstanden werden, die hoffen, durch geschicktes Handeln vom Krieg zu profitieren. Doch Brecht will mehr: Er will Abscheu vor dem Krieg auslösen und die Ablehnung des Kapitalismus bewirken, der ihn hervorbringt.
Ganz am Schluss einer mittleren Szene lässt sich Mutter Courage zu dem Satz hinreißen: »Der Krieg soll verflucht sein.« Die Antithese zum Schlusssatz dieses sechsten Bildes folgt sofort zu Beginn des siebten: »Ich lass mir von euch den Krieg nicht madig machen«, so die Fierling. Der Krieg ist ihr Geschäft, auch wenn sie und ihre Kinder daran zu Grunde gehen.
Ein Theaterstück oder eine Erzählung »Mutter Gewerkschaft und ihre Mitglieder« ist heute fällig. Am Anfang steht das Jahr 1999. Da wurde Deutschland wieder zu einer kriegführenden Nation. Krieg gegen Jugoslawien. Bis dahin galt der Satz in den Gewerkschaften: »Der Krieg soll verflucht sein.« Jetzt galt. »Wir lassen uns den Krieg nicht madig machen«, denn es war ja auch der Krieg der Sozialdemokratie. Es war eine Lage wie 1914. Ein hoher CDU-Politiker hatte formuliert: Nach der Beseitigung der Folgen des Zweiten Weltkriegs müsse man nun an die Beseitigung der Folgen des Ersten Weltkriegs herangehen.
Der neue Krieg um die Neuordnung Europas im Sinne des westlichen Nato-Kapitalismus begann. Er wurde in der Ukraine fortgesetzt, vom Vorgehen Russlands gesteigert. Sollte der Westen seine Beteiligung an dem Krieg zugunsten der Ukraine verstärken, so würde Russland laut seinem Präsidenten, »alle uns zur Verfügung stehenden Mittel einsetzen, um Russland zu schützen – das ist kein Bluff«. Sogar die Süddeutsche mahnte angesichts dieser atomaren Drohung, die sich seitdem mehrfach wiederholte: »Vielleicht sollten sich die Staatsmänner bei aller Verurteilung des Krieges auch mal an die Möglichkeit eines Verhandlungsfriedens erinnern?«
Diese Mahnung wurde und wird von der Mehrheit der Gewerkschaftsführungen nicht geteilt. Ich fand die folgende Meldung, als ich an Willi Hoffmeisters Buch »Die Faust nicht nur in der Tasche ballen« mitarbeitete; sie befand sich in den Unterlagen des Gewerkschafters und Friedensaktivisten. Ein alarmierendes Dokument bereits aus der Zeit der Schröderschen Kanzlerschaft. Es besagte, dass der IG Metall-Vorstand im Juli 2012 beschloss: »Die IG Metall ist sich der Realität Anfang des 21. Jahrhunderts bewusst: Gewaltkonflikte und sogar Kriege wird es weiterhin geben und damit auch die sicherheitspolitischen Bedürfnisse und Interessen von Menschen, Staaten und Staatenbündnissen. Die Produktion von Rüstungsgütern ist Teil dieser Realität.« Die Kriegsgewinne beispielsweise von Rheinmetall bleiben auch heute ohne Kritik – denn es kommen ja auch viele neue Arbeitsplätze dabei heraus. Zum Kriegsinteresse der Courage besteht also nur ein gradueller Unterschied.
Bei Zweifeln der Courage angesichts der Rekrutierung ihrer Söhne sagten ihr die Soldatenwerber: »Wer vom Krieg leben will, muss ihm auch etwas geben.« Und so erfolgt auch kein Aufschrei der Gewerkschaften angesichts der Pläne des SPD-Ministers Pistorius für die Kriegstüchtigkeit der Bevölkerung und die Wiedereinführung der Wehrpflicht. Es ist doch so: Deutsche Waffen, deutsches Geld morden mit in aller Welt.
Sollte es zu einem Atomkrieg kommen, wird die Gewerkschaftsführung nicht einmal mehr in der Lage sein, erneut zu erklären: Der Krieg soll verflucht sein.