Obwohl sich der Gesundheitszustand des seit 42 Jahren wegen nie schlüssig bewiesenem Polizistenmord gefangen gehaltenen Bürgerrechtlers Mumia Abu-Jamal rapide verschlechtert hat, konnte er mit Hilfe des Prison-Radio – wie seit 25 Jahren – auch der diesjährigen Rosa-Luxemburg-Konferenz der jungen Welt am 13. Januar eine Grußbotschaft senden. Sein Thema war der »koloniale« Krieg, den Israel »gegen eine im Grunde unbewaffnete Bevölkerung« führe: Gaza. Israel habe »die höchstentwickelten Waffen einschließlich Kampfflugzeugen« während die andere Seite zwar Raketen habe, von denen aber über 90 Prozent von Israels »Iron Dome« sicher zerstört werden. Dieser Krieg erinnere an die Kriege der USA gegen den Irak und Afghanistan, die zwar »Billionen von Dollars aus dem US-Haushalt verbrannten«, aber »kaum eines der Ziele der USA« erreichten. Es gäbe also »eine Grenze für militärische Macht«. Aber sowohl der Irak-Krieg als auch der Afghanistankrieg hätten »zwei zerschmetterte Gesellschaften« hinterlassen. Daraus ergibt sich, so Abu-Jamal, nur eine Schlussfolgerung: Die weltweiten Antikriegsproteste müssten noch viel entschiedener werden.
Eine gute Woche später sandte er einer New Yorker Konferenz zum 100. Todestag Lenins, die von der WorkersWorldParty veranstaltet wurde, eine Botschaft. Weil Lenin dem westlichen Publikum nur noch als angeblicher Begründer des sowjetischen Totalitarismus bekannt ist, sei hier darauf hingewiesen, dass er sich als erster Staatsgründer der Geschichte vor allem dem entschiedenen Kampf gegen Rassismus und Kolonialismus verschrieben hatte. Auf der Lenin-Konferenz sprach Abu-Jamal erneut über den israelischen Krieg »der Siedlerkolonisatoren gegen die Besetzten und Unterdrückten«. Der Begriff des Genozids sei geboten, »wenn wir Tausende von Kindern vor unseren Augen sterben sehen, wenn wir sehen, wie alle Häuser des kleinen Ghettos von Gaza zerstört werden, wenn wir sehen, wie Frauen, Kinder und alte Männer von großkalibrigen Bomben getötet werden, wenn wir sehen, dass in drei Wochen mehr Bomben fallen als im gesamten Vietnamkrieg«.
Nach krankheitsbedingten Pausen erschien Anfang Februar auch wieder eine Kolumne Abu-Jamals in der jungen Welt, in der er aus dem Buch »Necropolitics« des Kameruner Historikers Achille Mbembe Abschnitte zitierte, die den israelischen Siedlerkolonialismus als fortschreitende Apartheid definieren: Zuerst ginge es um Separation derer, die ausgeschlossen werden sollen, dann um die Schaffung einer Enklave und schließlich um ihre Vernichtung. Allerdings handele es sich um eine andere Form der Apartheid als die südafrikanische. Dort »brauchte das System afrikanische Arbeitskraft, um seinen Reichtum aufzubauen. Israel braucht keine palästinensischen Arbeitskräfte. Es trachtet vor allem nach der Inbesitznahme palästinensischen Landes. Das macht die Menschen überflüssig und bringt sie in eine schlechtere und schwächere Position.«
Es ist bewundernswert, wie gründlich sich der schon lange vom normalen Leben abgeschnittene Abu-Jamal immer noch zu informieren weiß und mit welch präziser Radikalität er die aktuellen politischen Krisenszenarien kommentiert.
Die Haftanstalt verweigert ihm seit drei Jahren die Befolgung der medizinischen Empfehlungen, die ihm 2021 nach einer doppelten Bypass-Operation am Herzen ärztlich verschrieben worden waren: Der Patient benötige täglich Bewegung und eine aus reichlich Obst, Gemüse und Vollkornprodukten bestehende Diät. Weder die richtige Ernährung noch die Möglichkeit, sich ausreichend zu bewegen, wurden Abu-Jamal gewährt. Der Gefängnishof bleibt oft geschlossen. Und nur als Schikane zu erklären ist, dass ihm selbst das Laufen im Tagesraum untersagt wurde. Das Herz und das Immunsystem des Eingekerkerten sind stark geschwächt.
Trotz zahlreicher, zum Teil von der Justiz sogar anerkannter Beweise für die mangelnde Rechtsstaatlichkeit der Prozesse, die gegen den profilierten und charismatischen Radiojournalisten geführt wurden, hat die Staatsanwaltschaft von Pennsylvania den Weg zu einem neuen Verfahren so stark verbaut, dass Mumia Abu-Jamal bald in Gefangenschaft sterben könnte. Aus diesem Grund ruft die Unterstützerbewegung weltweit dazu auf, die Gefängnisverwaltung zu ermahnen, seine Haftbedingungen entsprechend den ärztlichen Anordnungen zu verändern und die Anstrengungen für die unverzügliche Freilassung dieses politischen Gefangenen zu intensivieren.
Schreiben Sie per Post an Superintendent Bernadette Mason, SCI Mahanoy, A Dept of Corrections, 301 Grey Line Drive, Frackville, PA 17931, USA. Oder per e-mail: bmason@pa.gov.