Daran erinnern sich Jazz-Freunde in Halle noch immer: am 8. November 2011 machten die drei legendären B’s der europäischen Jazz-Szene Chris Barber (Posaune), Kenny Ball (Trompete) und Mr. Acker Bilk (Klarinette) mit ihren Bands auf ihrer letzten gemeinsamen Tournee auch in der Saalestadt Station und gaben ein Konzert im ausverkauften Opernhaus. An einem Abend konnte man fünfzig Jahre Jazz und Dixieland live erleben. Mit Evergreens wie »Ice Cream« und »Petite Fleur« von Chris Barber, Acker Bilks Millionenseller »Stranger on the Shore« oder dem fantastischen »Midnight in Moscow« von Kenny Ball begeisterten die drei Herren das Publikum. Jede Band mit ihrem eigenen Stil! In der Pause wurden den drei Musikern – vor allem von älteren Jazz-Freunden – die Cover von alten AMIGA-Langspielplatten mit Autogrammbitte gereicht. Über Jahrzehnte wohlbehütete Schätze. Das Konzert war ein einmaliges und nicht wieder erlebbares Highlight, denn Kenny Ball (2013) und Acker Bilk (2014) starben wenige Jahre später. Chris Barber dagegen weilte noch mehrfach zu Konzerten in Deutschland, so 2016 anlässlich seines 62-jährigen Bühnenjubiläums.
Nun ist der Jazz-Posaunist und Big-Band-Leader Chris Barber am 2. März im Alter von 90 Jahren gestorben. Am 17. April 1930 im Städtchen Welwyn Garden City nördlich von London geboren, hatte der junge Barber bereits mit 20 Jahren seine erste Amateurband. Das Jurastudium hatte er nach einigen Semestern abgebrochen, um sich ganz der Jazz-Musik zu widmen. 1954 übernahm Barber die Leitung der »Jazz and Blues Band« und wurde bald ihr Namensgeber. Mit seiner Band verhalf er dem Jazz nicht nur in Großbritannien, sondern in ganz Europa zum Durchbruch. Der vielseitige Musiker, der seinem angelernten Musikinstrument, der Posaune, stets treu blieb, wurde auch zum Lehrmeister mancher Beat- und Pop-Größe. In den 1960er Jahren waren es etwa The Beatles, The Rolling Stones oder Eric Clapton, die sich von seiner Musik inspirieren ließen. Paul McCartney machte ihn sogar indirekt für die Beatles-Gründung mitverantwortlich. Barber, der auch von vielen amerikanischen Jazzgrößen geschätzt wurde, blieb mit seinen Bandmitgliedern, allesamt hervorragende Solisten, aber immer dem Dixieland, dem Blues und später dann auch dem Skiffle verbunden. Mit über 70 Jahren erweiterte er Ende 2001 seine Truppe zur elfköpfigen Big Chris Barber Band und gab teilweise noch bis zu 100 Konzerte im Jahr. Ruhestand war ein Fremdwort für ihn. Musik war sein Leben, wovon auch über 250 Langspielplatten (ohne Best-Offs) Zeugnis ablegen. 2014 veröffentlichte er seine Autobiografie »Jazz Me Blues«. Erst ein schwerer Sturz 2019 bremste den Jazz-Veteran aus und zwang ihn vor zwei Jahren letztendlich doch zum Aufhören.
In Deutschland fand Chris Barber stets ein treues Publikum; es soll ihm sogar mehr Auftritte ermöglicht haben als in seiner britischen Heimat. Der Bandleader lernte dafür sogar Deutsch. Seine Konzerte waren stets der Garant für swingende Unterhaltung mit unverfälschter Jazztradition. Wir werden nicht nur einen exzellenten Jazz-Musiker vermissen, auch einen charmanten Entertainer, der zwischen seinen Auftritten gern Anekdoten mit dem sprichwörtlichen britisch-distanzierten Humor erzählte.