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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Moralisch überhöhtes Selbstbild

»Mili­tä­risch und völ­ker­recht­lich spricht nichts dage­gen, die Ukrai­ne mit Streu­mu­ni­ti­on zu belie­fern. Das Pro­blem ist wie­der ein­mal das mora­lisch über­höh­te Selbst­bild des Westens«, schrieb Niko­las Bus­se in der FAZ vom 8. Juli 2023 (zitiert nach: jW 11.08.23) Die­ses mora­lisch über­höh­te Selbst­bild hat Ris­se bekom­men. Man möch­te es am lieb­sten nicht wahr­ha­ben und berich­tet so wenig und so bei­läu­fig wie mög­lich über das Tref­fen der BRICS-Staa­ten in Süd­afri­ka im August und sei­ne Ergeb­nis­se. Die fünf bevöl­ke­rungs­reich­sten Staa­ten der Erde: Bra­si­li­en, Russ­land, Indi­en, Chi­na und Süd­afri­ka neh­men sechs wei­te­re Staa­ten in ihr Bünd­nis auf: Argen­ti­ni­en, Ägyp­ten, Äthio­pi­en, Iran, Sau­di-Ara­bi­en und die Ver­ei­nig­ten Ara­bi­schen Emi­ra­te. Die FAZ schreibt am 25.08.: »USA und Deutsch­land sehen kei­ne gro­ßen Ver­än­de­run­gen.« Die BILD aller­dings warnt, dass eine »dra­ma­ti­sche Aus­wei­tung unse­rer ›Gegen­welt‹« beschlos­sen wur­de und fragt: »Wie gefähr­lich wird die­ser Tyran­nen-Block für uns?» (bild-online, 27.08.23)

Der »Tyran­nen-Block« ver­fügt immer­hin über 80 Pro­zent des gehan­del­ten Roh-Öls. Wenn die nicht mehr in Dol­lar den Besit­zer wech­seln, son­dern in den Lan­des­wäh­run­gen der betei­lig­ten Län­der, hört eine Quel­le des Reich­tums der USA tat­säch­lich auf zu spru­deln. Und das soll ja erst der Anfang sein. Wei­te­re 40 Staa­ten haben Inter­es­se ange­mel­det, dem Bünd­nis beizutreten.

Wäh­rend die Aus­sich­ten im wer­te­frei­en Westen immer schlech­ter wer­den. Wun­der­kind und Invest­ment­ban­ker Micha­el Bur­ry wet­te­te jetzt 1,6 Mil­li­ar­den US-Dol­lar auf den bal­di­gen Crash der Wall Street (jW 17.08.23) Man kann also sogar Gewinn aus dem Zusam­men­bruch der Bör­se zie­hen – per­ver­ser geht es kaum noch. Die Rat­ten ver­su­chen, das sin­ken­de Schiff noch vor dem Ver­las­sen aus­zu­schlach­ten. Auch Deutsch­lands Wirt­schafts­bos­se üben sich in Pes­si­mis­mus: Deutsch­land befän­de sich wirt­schaft­lich auf der Ver­lie­rer­stra­ße, beson­ders im inter­na­tio­na­len Ver­gleich, mein­te der Boss des Bun­des­ver­bands der Deut­schen Indu­strie (BDI). Rai­ner Dul­ger, Prä­si­dent der Bun­des­ver­ei­ni­gung der Deut­schen Arbeit­ge­ber­ver­bän­de (BDA), sekun­dier­te: »Wenn wir eine der füh­ren­den Indu­strie­na­tio­nen blei­ben wol­len, müs­sen wir an vie­len Stell­schrau­ben dre­hen.« Der drit­te im Trio, der Chef des Zen­tral­ver­bands des Deut­schen Hand­werks, Jörg Dittrich, beton­te, es bestehe ein gro­ßer Hand­lungs­druck, um nicht in eine tie­fe Kri­se hin­ein­zu­steu­ern (jW 02.08.23). Wenn sogar unse­re par­odie­ren­de Außen­mi­ni­ste­rin(*) zuge­ben muss, dass die Sank­ti­ons­maß­nah­men gegen Russ­land nicht grei­fen, die sie »ratio­nal« nennt, dann wird es voll­ends irra­tio­nal: »Eigent­lich hät­ten wirt­schaft­li­che Sank­tio­nen wirt­schaft­li­che Aus­wir­kun­gen«, meint sie im Spie­gel-Inter­view (spie­gel-online 24.08.23). Mit ratio­na­len Maß­nah­men sei der Krieg nicht zu been­den, meint die Mini­ste­rin wei­ter. Ja, war­um for­dert Deutsch­land dann nicht mal ganz irra­tio­nal Frie­dens­ver­hand­lun­gen? Und stellt die Waf­fen­lie­fe­run­gen an ein Regime ein, des­sen Kor­rup­ti­ons­sumpf zwar bei uns kein The­ma ist, wohl aber in den USA? Geflis­sent­lich igno­rie­ren unse­re Medi­en bis jetzt die Ergeb­nis­se des Aus­schus­ses des US-Reprä­sen­tan­ten­hau­ses über die Machen­schaf­ten des Prä­si­den­ten­sohns Hun­ter Biden mit dem ukrai­ni­schen Ener­gie­kon­zern Buris­ma (jW 11.08.23). Um das mora­lisch über­höh­te Selbst­bild des Westens nicht zu gefährden?

(*) Das Aus­wär­ti­ge Amt hat durch­ge­setzt, dass der Account @baerbockpress sich zukünf­tig »Außen­mi­ni­ste­rin Paro­dy Anna­le­na Baer­bock« nen­nen muss. Denn die dort ver­öf­fent­lich­ten Par­odien sei­en dem Ori­gi­nal so ähn­lich, dass sie nicht ohne wei­te­res als Par­odien erkenn­bar sei­en (jW 08.08.23). Viel­leicht gehört die­se Begrün­dung der Diplo­ma­ten ja zu der neu­en, von der Mini­ste­rin gewünsch­ten Hal­tung: Schluss mit diplo­ma­ti­scher Zurück­hal­tung: Die deut­schen Bot­schaf­te­rin­nen und Bot­schaf­ter sol­len öffent­lich viel stär­ker in Erschei­nung tre­ten, in sozia­len Medi­en und Inter­views (spie­gel-online 27.08.23).