Ex-Präsident und Pfarrer Joachim Gauck geht das alles zu langsam mit der »Zeitenwende«. Man habe sich lange die Welt »schön geguckt«, Scholz mit seiner »Zeitenwende«-Rede aber immerhin gezeigt, dass er »etwas begriffen« habe. Dann »warten wir natürlich auf eine Politik der Zeitenwende«. Wenn »die auf sich warten lässt, dann wird die Nation wuschig«. Gauck will einen »Mentalitätswandel«, damit das »Ja« »zu mehr Waffen für die Ukraine« nicht mehr so »verquält« ausfällt (jW 01.06.23).
Wie ist das, wenn eine Nation »wuschig« wird? Und wartet »die Nation« wirklich auf mehr Waffen für die Ukraine? Die Umfragewerte zu Waffenlieferungen kommen trotz allen Getrommels nur leicht über 50 Prozent. Dafür werden die Deutschen erheblich »wuschiger«, wenn es um ihre Heizungen geht. Eigentlich könnte man alle Heizungen abstellen und nur noch mit der heißen Luft die Räume erwärmen, die aus den Mündern von Söder, Merz, Lindner und der echten AfD kommt. Das wäre umweltfreundlich, wenn man mal von der Aufheizung des Betriebsklimas zwischenmenschlicher Beziehungen absieht. Das Heizungsgesetz kommt nun doch noch vor der Sommerpause in den Bundestag. Für die »Deutsche Umwelthilfe« ist die Vorlage der Regierung »klimapolitischer Irrsinn«. Auch für andere Umweltverbände sind die Klimaziele der BRD im Gebäudesektor damit unerreichbar geworden, wie sie am Mittwoch unisono erklärten (jW 15.06.23).
Die deutsche Wirtschaft ist nun auch offiziell in eine Rezession abgerutscht. Das Bruttoinlandsprodukt schrumpfte von Januar bis März um 0,3 Prozent zum Vorquartal und damit das zweite Vierteljahr in Folge, wie das Statistische Bundesamt Ende Mai mitteilte. Bei zwei Minusquartalen in Folge liegt eine Rezession vor. Im letzten Quartal 2022 war die Wirtschaftsleistung um 0,5 Prozent gesunken. Der Wiederaufschwung fiel aus, weil der private Konsum im ersten Quartal um 1,2 Prozent schrumpfte (jW 26.05.23). Die Nation ist wohl wuschig geworden und schränkt ihren Konsum ein – muss ihn einschränken, denn mit der Inflation halten die Einkommen nicht mit. Nur die Einkommen der Rüstungskonzerne, die jetzt mit noch mehr Aufträgen und Förderungen rechnen können – denn die EU hat beschlossen, auf Kriegswirtschaft umzustellen.
Das EU-Parlament billigte mit 426 Ja-Stimmen die Umstellung auf Kriegswirtschaft, die Binnenmarkt-Kommissar Thierry Breton eingebracht hatte. Damit können Rüstungsfirmen auch Fördermittel erhalten, die für die Politik des sozialen Zusammenhalts vorgesehen sind oder aus anderen Fonds (kommunisten.de 09.06.23).
Statt Butterberge also Berge von Waffen. »Die plötzliche Hinwendung zu einem Entwicklungsmodell, das sich auf Munition, Raketen und Kriegsforschung stützt, ist nicht nur ein industriepolitisches Problem, sondern verändert auch das europäische Modell der sozialen und kulturellen Beziehungen. Daher berührt die Abstimmung auch eine bestimmte Vorstellung vom gemeinschaftlichen Europa. Wenn die Resolution angenommen wird, wird es viel mehr Waffen auf unserem Kontinent geben, und die Nationalisten werden noch stärker sein. Nicht gerade der richtige Weg, um wieder über Verhandlungen und Frieden zu sprechen«, sagte der italienische Abgeordnete der sozialdemokratischen Fraktion, Massimiliano Smeriglio, zur Begründung seiner Stimmenthaltung (kommunisten.de 09.06.23).
Ein Gutes hat es: Für das Greenwashing von Atomkraft wird dann auch weniger Geld da sein. Es müssen nämlich die französischen Atomkraftwerke saniert werden – verstaatlicht sind sie schon, und nicht nur die französischen Bürger müssen jetzt den (Alp-)Traum von sicherer und billiger Atomkraft bezahlen. Denn die Mehrheit der französischen AKWs ist marode. Im Sommer waren wegen Wartungsarbeiten und technischen Problemen zeitweise nur 27 der 56 Reaktoren in Betrieb. Die deutschen Solarkraftwerke produzierten mehr Strom als alle französischen Meiler zusammen. Die Kosten der Sanierung des französischen Atomparks werden auf rund 150 Milliarden Euro geschätzt (jW 24.05.23). Kein Grund, wuschig zu werden!
Am 31.05.23 verkündete Präsident Selenskyj, die Ukraine habe genug Waffen, die lang angekündigte Offensive könne starten, hurra! Selenskyj sagte in seiner abendlichen Videobotschaft, es gehe nur noch um das Datum des Losschlagens – die für die Offensive erforderlichen Waffen und Soldaten seien vorhanden (jW 01.06.23).
O.k., spätestens seit dem 13.06.23 ging die Forderung nach mehr Waffen wieder weiter – es müssen ja mindestens die Leos und Bradleys ersetzt werden, die die russische Armee bereits abgeschossen oder erobert hat. Russische Veröffentlichungen sprechen von mindestens 7 Leoparden und 5 Bradley-Panzern (jW 13.06.23).
Aber kein Grund, wuschig zu werden! Die werden schon ersetzt, der Westen hat’s ja! Und die jungen Männer der ukrainischen Armee – die sind eben als Helden gefallen, kein Verlust!
Während die EU-Politiker mit Hütchenspielen beschäftigt sind. Am Samstag (06.05.) twitterte der EU-Abgeordnete Martin Sonneborn Informationen über »ein interessantes Hütchenspiel«: »Gerade ist ein Zwischenergebnis der Nachverhandlungen zwischen der EU-Kommission und dem US-Pharmagiganten Pfizer durchgesickert – allerdings nicht zu uns oder Ihnen da draußen, sondern zu Journalisten der britischen Financial Times und der Nachrichtenagentur Reuters. Wenn deren Berichte zutreffen, dann schlägt die Kommission vor, die Pfizer gegenüber bestehende Zahlungsverpflichtung in Höhe von 10 Milliarden Euro durch eine Pfizer gegenüber bestehende Zahlungsverpflichtung in Höhe von 10 Milliarden Euro zu ersetzen. Ein interessantes Hütchenspiel.«
Während die EU-Kommission offenbar lässig mit Zahlen umgehen kann, also Zahlen für Konzerne, musste die SPÖ noch mal nachzählen: Nach der händischen Auszählung von elf Wahlurnen soll das Ergebnis von einem hauptamtlichen SPÖ-Mitglied falsch in eine Excel-Tabelle eingegeben worden sein, so dass zunächst der Parteirechte Doskozil als Sieger ausgelobt worden war (jW 07.06.23). Wer noch nie etwas falsch in eine Excel-Tabelle eingegeben hat, werfe den ersten Stein! Kein Grund, wuschig zu werden!
Auch die Basis der GRÜNEN braucht nicht wuschig zu werden. Die faktische Aushebelung des Asylrechts durch die EU war laut der GRÜNEN-Fraktionsvorsitzenden Britta Haßelmann gegenüber jW vom 10.06.23 »eine extrem schwierige Entscheidung, die sich niemand leicht gemacht hat«. Leichter werden soll es damit, unerwünschte Migration an den europäischen Außengrenzen zu stoppen. Und das war doch schließlich Regierungsprogramm der Ampel, oder etwa nicht?
Wussten Sie übrigens schon: »Bewaffnete Einsätze der Bundeswehr im Ausland stehen immer im Einklang mit dem Völkerrecht, dem Grundgesetz und den gesetzlichen Vorgaben.« So lesen wir es in: »Wehrhaft. Resilient. Nachhaltig. Integrierte Sicherheit für Deutschland«, dem am 14.06.23 vorgestellten Sicherheitskonzept der Bundesregierung. Konsequenz: Steigerung der Rüstungsausgaben nachhaltig auf 2 Prozent des BIP. Dazu Finanzminister Lindner: »Wir müssen aus der Zeit der Friedensdividende in die Freiheits- und Friedensinvestitionen kommen.« Das bedeute aber auch: »Wünschenswerte Vorhaben werden zurückgestellt werden müssen« (jW 15.06.23) Auch wenn die Menschen wuschig werden.