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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Monatsrückblick: Wuschig werden

Ex-Prä­si­dent und Pfar­rer Joa­chim Gauck geht das alles zu lang­sam mit der »Zei­ten­wen­de«. Man habe sich lan­ge die Welt »schön geguckt«, Scholz mit sei­ner »Zeitenwende«-Rede aber immer­hin gezeigt, dass er »etwas begrif­fen« habe. Dann »war­ten wir natür­lich auf eine Poli­tik der Zei­ten­wen­de«. Wenn »die auf sich war­ten lässt, dann wird die Nati­on wuschig«. Gauck will einen »Men­ta­li­täts­wan­del«, damit das »Ja« »zu mehr Waf­fen für die Ukrai­ne« nicht mehr so »ver­quält« aus­fällt (jW 01.06.23).

Wie ist das, wenn eine Nati­on »wuschig« wird? Und war­tet »die Nati­on« wirk­lich auf mehr Waf­fen für die Ukrai­ne? Die Umfra­ge­wer­te zu Waf­fen­lie­fe­run­gen kom­men trotz allen Getrom­mels nur leicht über 50 Pro­zent. Dafür wer­den die Deut­schen erheb­lich »wuschi­ger«, wenn es um ihre Hei­zun­gen geht. Eigent­lich könn­te man alle Hei­zun­gen abstel­len und nur noch mit der hei­ßen Luft die Räu­me erwär­men, die aus den Mün­dern von Söder, Merz, Lind­ner und der ech­ten AfD kommt. Das wäre umwelt­freund­lich, wenn man mal von der Auf­hei­zung des Betriebs­kli­mas zwi­schen­mensch­li­cher Bezie­hun­gen absieht. Das Hei­zungs­ge­setz kommt nun doch noch vor der Som­mer­pau­se in den Bun­des­tag. Für die »Deut­sche Umwelt­hil­fe« ist die Vor­la­ge der Regie­rung »kli­ma­po­li­ti­scher Irr­sinn«. Auch für ande­re Umwelt­ver­bän­de sind die Kli­ma­zie­le der BRD im Gebäu­de­sek­tor damit uner­reich­bar gewor­den, wie sie am Mitt­woch uni­so­no erklär­ten (jW 15.06.23).

Die deut­sche Wirt­schaft ist nun auch offi­zi­ell in eine Rezes­si­on abge­rutscht. Das Brut­to­in­lands­pro­dukt schrumpf­te von Janu­ar bis März um 0,3 Pro­zent zum Vor­quar­tal und damit das zwei­te Vier­tel­jahr in Fol­ge, wie das Sta­ti­sti­sche Bun­des­amt Ende Mai mit­teil­te. Bei zwei Minus­quar­ta­len in Fol­ge liegt eine Rezes­si­on vor. Im letz­ten Quar­tal 2022 war die Wirt­schafts­lei­stung um 0,5 Pro­zent gesun­ken. Der Wie­der­auf­schwung fiel aus, weil der pri­va­te Kon­sum im ersten Quar­tal um 1,2 Pro­zent schrumpf­te (jW 26.05.23). Die Nati­on ist wohl wuschig gewor­den und schränkt ihren Kon­sum ein – muss ihn ein­schrän­ken, denn mit der Infla­ti­on hal­ten die Ein­kom­men nicht mit. Nur die Ein­kom­men der Rüstungs­kon­zer­ne, die jetzt mit noch mehr Auf­trä­gen und För­de­run­gen rech­nen kön­nen – denn die EU hat beschlos­sen, auf Kriegs­wirt­schaft umzustellen.

Das EU-Par­la­ment bil­lig­te mit 426 Ja-Stim­men die Umstel­lung auf Kriegs­wirt­schaft, die Bin­nen­markt-Kom­mis­sar Thier­ry Bre­ton ein­ge­bracht hat­te. Damit kön­nen Rüstungs­fir­men auch För­der­mit­tel erhal­ten, die für die Poli­tik des sozia­len Zusam­men­halts vor­ge­se­hen sind oder aus ande­ren Fonds (kommunisten.de 09.06.23).

Statt But­ter­ber­ge also Ber­ge von Waf­fen. »Die plötz­li­che Hin­wen­dung zu einem Ent­wick­lungs­mo­dell, das sich auf Muni­ti­on, Rake­ten und Kriegs­for­schung stützt, ist nicht nur ein indu­strie­po­li­ti­sches Pro­blem, son­dern ver­än­dert auch das euro­päi­sche Modell der sozia­len und kul­tu­rel­len Bezie­hun­gen. Daher berührt die Abstim­mung auch eine bestimm­te Vor­stel­lung vom gemein­schaft­li­chen Euro­pa. Wenn die Reso­lu­ti­on ange­nom­men wird, wird es viel mehr Waf­fen auf unse­rem Kon­ti­nent geben, und die Natio­na­li­sten wer­den noch stär­ker sein. Nicht gera­de der rich­ti­ge Weg, um wie­der über Ver­hand­lun­gen und Frie­den zu spre­chen«, sag­te der ita­lie­ni­sche Abge­ord­ne­te der sozi­al­de­mo­kra­ti­schen Frak­ti­on, Mas­si­mi­lia­no Sme­riglio, zur Begrün­dung sei­ner Stimm­ent­hal­tung (kommunisten.de 09.06.23).

Ein Gutes hat es: Für das Green­wa­shing von Atom­kraft wird dann auch weni­ger Geld da sein. Es müs­sen näm­lich die fran­zö­si­schen Atom­kraft­wer­ke saniert wer­den – ver­staat­licht sind sie schon, und nicht nur die fran­zö­si­schen Bür­ger müs­sen jetzt den (Alp-)Traum von siche­rer und bil­li­ger Atom­kraft bezah­len. Denn die Mehr­heit der fran­zö­si­schen AKWs ist maro­de. Im Som­mer waren wegen War­tungs­ar­bei­ten und tech­ni­schen Pro­ble­men zeit­wei­se nur 27 der 56 Reak­to­ren in Betrieb. Die deut­schen Solar­kraft­wer­ke pro­du­zier­ten mehr Strom als alle fran­zö­si­schen Mei­ler zusam­men. Die Kosten der Sanie­rung des fran­zö­si­schen Atom­parks wer­den auf rund 150 Mil­li­ar­den Euro geschätzt (jW 24.05.23). Kein Grund, wuschig zu werden!

Am 31.05.23 ver­kün­de­te Prä­si­dent Selen­skyj, die Ukrai­ne habe genug Waf­fen, die lang ange­kün­dig­te Offen­si­ve kön­ne star­ten, hur­ra! Selen­skyj sag­te in sei­ner abend­li­chen Video­bot­schaft, es gehe nur noch um das Datum des Los­schla­gens – die für die Offen­si­ve erfor­der­li­chen Waf­fen und Sol­da­ten sei­en vor­han­den (jW 01.06.23).

O.k., spä­te­stens seit dem 13.06.23 ging die For­de­rung nach mehr Waf­fen wie­der wei­ter – es müs­sen ja min­de­stens die Leos und Brad­leys ersetzt wer­den, die die rus­si­sche Armee bereits abge­schos­sen oder erobert hat. Rus­si­sche Ver­öf­fent­li­chun­gen spre­chen von min­de­stens 7 Leo­par­den und 5 Brad­ley-Pan­zern (jW 13.06.23).

Aber kein Grund, wuschig zu wer­den! Die wer­den schon ersetzt, der Westen hat’s ja! Und die jun­gen Män­ner der ukrai­ni­schen Armee – die sind eben als Hel­den gefal­len, kein Verlust!

Wäh­rend die EU-Poli­ti­ker mit Hüt­chen­spie­len beschäf­tigt sind. Am Sams­tag (06.05.) twit­ter­te der EU-Abge­ord­ne­te Mar­tin Son­ne­born Infor­ma­tio­nen über »ein inter­es­san­tes Hüt­chen­spiel«: »Gera­de ist ein Zwi­schen­er­geb­nis der Nach­ver­hand­lun­gen zwi­schen der EU-Kom­mis­si­on und dem US-Phar­ma­gi­gan­ten Pfi­zer durch­ge­sickert – aller­dings nicht zu uns oder Ihnen da drau­ßen, son­dern zu Jour­na­li­sten der bri­ti­schen Finan­cial Times und der Nach­rich­ten­agen­tur Reu­ters. Wenn deren Berich­te zutref­fen, dann schlägt die Kom­mis­si­on vor, die Pfi­zer gegen­über bestehen­de Zah­lungs­ver­pflich­tung in Höhe von 10 Mil­li­ar­den Euro durch eine Pfi­zer gegen­über bestehen­de Zah­lungs­ver­pflich­tung in Höhe von 10 Mil­li­ar­den Euro zu erset­zen. Ein inter­es­san­tes Hütchenspiel.«

Wäh­rend die EU-Kom­mis­si­on offen­bar läs­sig mit Zah­len umge­hen kann, also Zah­len für Kon­zer­ne, muss­te die SPÖ noch mal nach­zäh­len: Nach der hän­di­schen Aus­zäh­lung von elf Wahl­ur­nen soll das Ergeb­nis von einem haupt­amt­li­chen SPÖ-Mit­glied falsch in eine Excel-Tabel­le ein­ge­ge­ben wor­den sein, so dass zunächst der Par­tei­rech­te Dosko­zil als Sie­ger aus­ge­lobt wor­den war (jW 07.06.23). Wer noch nie etwas falsch in eine Excel-Tabel­le ein­ge­ge­ben hat, wer­fe den ersten Stein! Kein Grund, wuschig zu werden!

Auch die Basis der GRÜNEN braucht nicht wuschig zu wer­den. Die fak­ti­sche Aus­he­be­lung des Asyl­rechts durch die EU war laut der GRÜ­NEN-Frak­ti­ons­vor­sit­zen­den Brit­ta Haß­el­mann gegen­über jW vom 10.06.23 »eine extrem schwie­ri­ge Ent­schei­dung, die sich nie­mand leicht gemacht hat«. Leich­ter wer­den soll es damit, uner­wünsch­te Migra­ti­on an den euro­päi­schen Außen­gren­zen zu stop­pen. Und das war doch schließ­lich Regie­rungs­pro­gramm der Ampel, oder etwa nicht?

Wuss­ten Sie übri­gens schon: »Bewaff­ne­te Ein­sät­ze der Bun­des­wehr im Aus­land ste­hen immer im Ein­klang mit dem Völ­ker­recht, dem Grund­ge­setz und den gesetz­li­chen Vor­ga­ben.« So lesen wir es in: »Wehr­haft. Resi­li­ent. Nach­hal­tig. Inte­grier­te Sicher­heit für Deutsch­land«, dem am 14.06.23 vor­ge­stell­ten Sicher­heits­kon­zept der Bun­des­re­gie­rung. Kon­se­quenz: Stei­ge­rung der Rüstungs­aus­ga­ben nach­hal­tig auf 2 Pro­zent des BIP. Dazu Finanz­mi­ni­ster Lind­ner: »Wir müs­sen aus der Zeit der Frie­dens­di­vi­den­de in die Frei­heits- und Frie­dens­in­ve­sti­tio­nen kom­men.« Das bedeu­te aber auch: »Wün­schens­wer­te Vor­ha­ben wer­den zurück­ge­stellt wer­den müs­sen« (jW 15.06.23) Auch wenn die Men­schen wuschig werden.