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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Monatsrückblick: Virenfrei*)

Der Dax win­selt, die Bör­sen­kur­se stür­zen: Die Wirt­schafts- und Finanz­kri­se ist da. Und wie vor­her­zu­se­hen: Als erstes schrei­en die Ban­ken und Unter­neh­mer nach staat­li­cher Hil­fe – pfeif doch auf die Schwar­ze Null und den schlan­ken Staat! Und die Regie­run­gen sprin­gen brav nach dem Stöck­chen und lie­fern. Selbst­ver­ständ­lich nur wegen Corona!

»Beim Betrach­ten der aktu­el­len Ent­wick­lung bei den Zin­sen beschleicht einen immer mehr das Gefühl, man sei Zeu­ge der End­pha­se eines Wirt­schafts­sy­stems«, schrieb Han­nes Zip­fel, Autor beim Inter­net-Por­tal Finanz­markt­welt (9.3.2020). Soso, der Kapi­ta­lis­mus in der End­pha­se? Wegen der Zins­ent­wick­lung? Oder wegen Corona?

Oder wegen der geo­gra­phi­schen Ver­schie­bun­gen? »Das ist hier nicht Ber­lin-Kreuz­berg, das ist mit­ten in Deutsch­land«, sag­te Fried­rich Merz am 26. Febru­ar in Apol­da (zitiert nach jun­ge Welt, 28.2.20). Also liegt Ber­lin-Kreuz­berg nicht mehr in Deutsch­land? Ist Ber­lin exter­ri­to­ria­les Gelän­de? Eben­so wie die Innen­städ­te, zum Bei­spiel von Mann­heim, deren Läden fest in tür­ki­scher Hand sind – oder aber in der Hand von welt­wei­ten Ladenketten?

Plötz­lich steht die Welt vor der größ­ten Her­aus­for­de­rung seit dem Zwei­ten Welt­krieg, wie erst Frau Mer­kel und dann auch noch die pol­ni­sche Regie­rung ver­lau­ten ließ. Nicht etwa, weil der Kli­ma­wan­del in man­chen Gebie­ten die mensch­li­che Exi­stenz gefähr­det oder weil radio­ak­ti­ver Müll nir­gend­wo sicher gela­gert wer­den kann oder weil Natio­na­lis­mus und natio­na­le Ego­is­men Kon­junk­tur haben oder weil Flücht­lin­ge nicht mehr ver­sorgt wer­den – nein, nicht kön­nen, son­dern sol­len! Immer­hin – Prä­si­dent Macron sieht sein Land »im Krieg«, dies­mal wird der Aus­nah­me­zu­stand nicht wegen Ter­ror ver­hängt, son­dern wegen eines Virus, der das Gesund­heits­sy­stem ter­ro­ri­siert. Das ist in der EU nur auf Kan­te im Nor­mal­zu­stand genäht, nicht für Epidemien.

Seit Anfang März lässt Grie­chen­land nie­man­den mehr über sei­ne Gren­ze, wäh­rend die Tür­kei syste­ma­tisch Flücht­lin­ge an die Gren­ze zu Grie­chen­land bringt, um sie los­zu­wer­den. Und wer ist schuld? Natür­lich der Rus­se! »Der eigent­li­che Schur­ke in die­sem Spiel ist Russ­land«, schreibt Chri­stoph B. Schultz in der welt am 2.3.2020. Denn wenn der Rus­se nicht wäre, gäbe es kei­ne syri­sche Regie­rung mehr, und die Ter­ro­ri­sten wür­den auch nicht mehr bom­bar­diert. So ein­fach ist das!

Ganz so ein­fach ist es nicht, den Ver­bleib von 33.191 pri­va­ten regi­strier­ten Schuss­waf­fen zu erklä­ren. Die sind irgend­wie unter­ge­taucht. Und dazu kom­men noch die »ver­schwun­de­nen« Waf­fen aus Poli­zei- und Bun­des­wehr­be­sitz. Bei zwei Bran­den­bur­gern fand die Poli­zei 28 Waf­fen, dar­un­ter zwei Maschi­nen­pi­sto­len. Dazu jede Men­ge Nazi-Devo­tio­na­li­en. Ein Haft­grund liegt aber nicht vor, die bei­den spa­zie­ren wie­der in Frei­heit her­um und dür­fen wei­ter von der Macht­er­grei­fung träu­men. Was ja auch ande­re tun. So wie Björn Höcke bei einem Tref­fen des AfD-»Flügels« in Sach­sen-Anhalt am 6. März: »Die, die nicht in der Lage sind, das Wich­tig­ste zu leben, was wir zu lei­sten haben, näm­lich die Ein­heit, dass die all­mäh­lich auch aus­ge­schwitzt wer­den« (zitiert nach jW, 20.3.20). Wird »aus­schwit­zen« (man beach­te die bei­den »s«!) das Unwort des Jah­res 2020?

Der »Flü­gel« der AfD wird nun vom Ver­fas­sungs­schutz beob­ach­tet, weil er offi­zi­ell des Rechts­extre­mis­mus ver­däch­tig ist. »Beob­ach­tet« heißt, der Ver­fas­sungs­schutz darf jetzt V-Män­ner ein­set­zen. Das wie­der­um heißt, dass »Flügel«-Anhänger in Zukunft auch bezahl­te Spit­zel sein könn­ten, was wie­der­um dem Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt ein even­tu­el­les Ver­bot die­ser Par­tei erschwert, weil man ja nicht sicher sein kann, wel­che Äuße­run­gen und Taten der AfD zur Last gelegt wer­den kön­nen und wel­che bezahl­te Lei­stun­gen für den Ver­fas­sungs­schutz sind. Nichts mehr kann man glau­ben! Nein, ich zäh­le jetzt nicht auf, was man alles nicht glau­ben soll über Coro­na-Viren, ich will ja die­sen Arti­kel viren­frei hal­ten. Es gibt auch sonst noch genü­gend Fakes und Unklarheiten.

So sind sechs Mil­lio­nen Schutz­mas­ken, die das Bun­des­wehr-Beschaf­fungs­amt in die Bun­des­re­pu­blik lie­fern woll­te, auf einem Flug­ha­fen in Kenia spur­los ver­schwun­den. Tja, was so alles auf dem Amts­weg ver­lo­ren­ge­hen kann … – neben den bür­ger­li­chen Grund­rech­ten, die jetzt mal eben außer Kraft gesetzt wer­den auf unbe­stimm­te Zeit. Es geht eben um Leben und Tod, wie im Krieg – gegen ein Virus.

Da Juan Guai­dós Selbst­er­nen­nung zum Prä­si­den­ten Vene­zue­las bis­her nicht zum Erfolg führ­te, hat er nun einen Anschlag auf sich selbst insze­niert, um mal wie­der in die Nach­rich­ten zu kom­men. Die Pres­se­agen­tur AP muss­te klein­laut geste­hen, das Foto, das einen Mann mit Motor­rad­helm zeigt, der mit einer Pisto­le auf eine Grup­pe um Guai­dó zielt, nicht selbst auf­ge­nom­men zu haben. Der behelm­te Mann, kurz dar­auf von der Poli­zei gefasst, gestand, er habe den Auf­trag, die Waf­fe und 200 Dol­lar bekom­men, um ein Atten­tat auf Guai­dó vor­zu­täu­schen. Natür­lich wie­der eine Infa­mie von Prä­si­dent Madu­ro, der bekannt­lich ein schlim­mer Macht­ha­ber ist. Ach­ten Sie bit­te auf die Wort­wahl: Ver­bün­de­te der USA sind grund­sätz­lich kei­ne »Macht­ha­ber«, ganz gleich, wie gering ihre Legi­ti­ma­ti­on in der Bevöl­ke­rung ist.

Der­weil kann die boli­via­ni­sche Putsch-Regie­rung jetzt die Wah­len auf unbe­stimm­te Zeit ver­schie­ben – natür­lich nur wegen Coro­na! Ist ein Virus jetzt der Macht­ha­ber auf der Welt? Oder hilft es nur denen, die die Macht haben, bei der Durch­set­zung ihrer Inter­es­sen? Tut mir leid, ganz viren­frei ist die­ser Arti­kel nun wohl doch nicht …

 

*) Die­ser Arti­kel ist Coro­na­vi­rus-frei, ich habe mei­ne Hän­de vor­her gründ­lich gewa­schen, und ich wei­ge­re mich außer­dem, mein Hirn waschen zu las­sen. J. Z.