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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Monatsrückblick: Verstrahlt

Die Atom­kraft­wer­ke sind aus­ge­schal­tet – ver­strahlt wer­den wir wei­ter­hin. Vom Atom­müll, für den kein End­la­ger in Sicht ist, und von den Atom­strom-Pro­pa­gan­di­sten, die kurz vor Schluss noch mal aus allen Löchern kro­chen, vor­an FDP und CSU. In den Öffent­lich-Schlecht­li­chen kamen um den 15. April her­um die Trä­nen­drü­sen­drücker der Abge­schal­te­ten in aller Brei­te zu Wort – kei­ne Rede davon, dass die­se Atom­kraft­wer­ke seit 2009 nicht mehr sicher­heits­über­prüft waren, dass im Atom­kraft­pa­ra­dies Frank­reich ein Vier­tel der Din­ger nicht arbei­tet und Strom impor­tiert wer­den muss (von uns »armen« Deut­schen, die kei­ne Atom­kraft mehr haben, schluchz!). Natür­lich gehen die Lich­ter wie­der mal aus, wie seit Beginn der Pro­pa­gie­rung der Atom­kraft regel­mä­ßig gedroht wird, und die deut­sche Indu­strie gerät ins Abseits, ken­nen wir alles. Wirkt aber immer noch, denn plötz­lich sind wie­der mehr als 50 Pro­zent der Umge­frag­ten für Atom­kraft. Nur weiß die Indu­strie, dass Brenn­stä­be nicht auf Bäu­men wach­sen und Fach­kräf­te Man­gel­wa­re sind, und ihre längst abge­schrie­be­nen Mei­ler ein­fach kei­ne Koh­le mehr brin­gen. War­um also die gan­ze mie­se Show? Weil man nicht zuge­ben kann, dass die Atom­kraft­geg­ner die gan­ze Zeit recht hat­ten? Gut, kei­ner mag die, die schon immer alles gewusst haben.

Wie Prä­si­dent Macron, auf Rei­sen in Chi­na, im Inter­view: »Wenn die Leu­te mit 60 in Ren­te gehen wol­len, dann hät­ten sie nicht mich wäh­len dür­fen« (jW, 14.04.23) Und jetzt wer­den sie ihn nicht mehr los, ihren ver­strahl­ten, per Dekret regie­ren­den Son­nen­kö­nig. Die »Mas­se«, die in Frank­reich auf die Bar­ri­ka­den geht, wen wird sie wäh­len, wenn es wie­der an die Urnen geht? Oder wird die alte Guil­lo­ti­ne wie­der aus­ge­packt? Kommt es zur kri­ti­schen Mas­se, die von Quan­ti­tät in Qua­li­tät umschlägt? Die deut­schen Gewerk­schaf­ten fan­gen jeden­falls an, fran­zö­sisch zu ler­nen, wenn auch lang­sam und mit unge­len­ken Zun­gen. Aber einen Tag lang stan­den schon mal vie­le Räder und Räd­chen still beim gemein­sa­men Streik von öffent­li­chem Dienst und Eisen­bahn. Die »Letz­te Gene­ra­ti­on« ver­sucht in Ber­lin auch, Still­stand zu errei­chen, damit der Kampf gegen den Kli­ma­wan­del vor­an­kommt. Aber wenn Auto­fah­rer im Stau ste­hen, bewegt sich bei ihnen nichts, höch­stens der Blut­druck steigt und der Wut­pe­gel. Und dann heißt es wie­der: Auf­rü­sten! Pan­zer für die Poli­zei! Oder gleich: Bun­des­wehr im Innern ein­set­zen! Waf­fen sind ja inzwi­schen die Lösung für alles. Dabei brau­chen wir drin­gend wirk­li­che Lösun­gen beim Kli­ma­wan­del, der laut jüng­stem Bericht des Welt­kli­ma­rats IPCC rasend vor­an­schrei­tet: »Wenn die Regie­run­gen ihre Anstren­gun­gen zur Min­de­rung der Emis­sio­nen nicht deut­lich aus­bau­en, steu­ert die Welt auf eine Erd­er­wär­mung von 2,2 bis 3,5 Grad zu.« Das hät­te kata­stro­pha­le Fol­gen. Laut einer 2020 in der renom­mier­ten Fach­zeit­schrift Natu­re Cli­ma­te Chan­ge ver­öf­fent­lich­ten Ana­ly­se wären damit bis 2100 bis zu drei von vier Men­schen vom Tod durch Über­hit­zung bedroht. Es gibt aber ein zwei­tes ent­schei­den­des Ele­ment in dem IPCC-Bericht: Die Mensch­heit kann die Kata­stro­phe noch ver­hin­dern, und der Rest die­ses Jahr­zehnts wird hier ent­schei­dend sein. Dafür müs­sen radi­ka­le Lösun­gen her, das heißt, es müs­sen die Ver­ant­wort­li­chen für die Kata­stro­phe ins Visier genom­men wer­den. Das sind in erster Linie die 100 größ­ten mul­ti­na­tio­na­len Kon­zer­ne, die für 71 Pro­zent der Treib­haus­gas- und Koh­len­stoff­emis­sio­nen auf der Erde ver­ant­wort­lich sind, sowie die »125 Mil­li­ar­dä­re, die in einem Jahr so viel CO2 ver­ur­sa­chen wie ganz Frank­reich« (jW, 12.04.23). Es ist das Eigen­tum, das der Kern des Übels ist.

Apro­pos Eigen­tum: Wem gehört eigent­lich die Ukrai­ne, zu deren Ver­tei­di­gung die Bun­des­re­gie­rung jetzt Kampf­flug­zeu­ge und Patri­ot-Rake­ten schickt? Zu 28 Pro­zent gehört ihr Boden bereits inter­na­tio­na­len Groß­kon­zer­nen: Black­Rock, Car­gill, Dupont, Van­guard und Bayer/​Monsanto. (https://zeitungderarbeit.at/international/us-konzerne-kaufen-ukraine-auf/). Vor 2021 war es in der Ukrai­ne ver­bo­ten, Land zu erwer­ben. Der ehe­ma­li­ge Kol­chos­be­sitz war auf die Mit­glie­der auf­ge­teilt wor­den, die sie selbst beackern oder ver­pach­ten konn­ten, aber nicht ver­kau­fen. Dann hat­te der Inter­na­tio­na­le Wäh­rungs­fonds (IWF) im April 2021 ver­langt, dass die Ukrai­ne das Mora­to­ri­um auf­he­ben müs­se, das den Ver­kauf von Land ver­bot. Dies tat die ukrai­ni­sche Regie­rung, ent­ge­gen dem erklär­ten Wil­len der Bevöl­ke­rung. Wor­auf­hin der Aus­ver­kauf des Lan­des begann. Aber mit ukrai­ni­schem Natio­nal­stolz! Die Bau­ern in Polen, Ungarn und der Slo­wa­kei pfei­fen auf die­sen Natio­nal­stolz und wol­len kei­ne Dum­ping­prei­se durch die ukrai­ni­sche Kon­kur­renz mehr – aber die EU besteht auf Zoll­frei­heit für ukrai­ni­sche Pro­duk­te. Des­halb müs­sen da noch mehr Pan­zer hin, den Boden umpflü­gen und mit uran­hal­ti­ger Muni­ti­on »dün­gen« – so for­dern es die ver­strahl­ten Regierungen.

Manch­mal gibt es aber doch noch Ver­nunft, wo man sie nicht ver­mu­tet: in deut­schen Gerich­ten. Die Staats­an­walt­schaft Kas­sel will die Ver­ant­wort­li­chen der Docu­men­ta 15 nicht gericht­lich ver­fol­gen. Der Vor­wurf der anti­se­mi­ti­schen Volks­ver­het­zung sei nicht beleg­bar. Es kön­ne nicht aus­ge­schlos­sen wer­den, dass Künst­ler­grup­pe und Kura­to­ren »einem unver­meid­ba­ren Ver­bots­irr­tum« unter­le­gen sei­en, dass die Dar­stel­lun­gen von der Kunst- und Mei­nungs­frei­heit gedeckt sei­en, da sie über Jah­re hin­weg welt­weit an ver­schie­de­nen Orten aus­ge­stellt wur­den, »ohne dass es hier­bei je zu straf­rechts­re­le­van­ten Bean­stan­dun­gen oder auch nur Dis­kus­sio­nen« gekom­men sei, so die Staats­an­walt­schaft (dpa/​jW, 18.04.23) Aus ver­strahl­tem Juri­sten­deutsch über­setzt: Am deut­schen Anti­se­mi­tis­mus-Ver­fol­gungs­wahn soll die Welt nicht mehr genesen.