Die Atomkraftwerke sind ausgeschaltet – verstrahlt werden wir weiterhin. Vom Atommüll, für den kein Endlager in Sicht ist, und von den Atomstrom-Propagandisten, die kurz vor Schluss noch mal aus allen Löchern krochen, voran FDP und CSU. In den Öffentlich-Schlechtlichen kamen um den 15. April herum die Tränendrüsendrücker der Abgeschalteten in aller Breite zu Wort – keine Rede davon, dass diese Atomkraftwerke seit 2009 nicht mehr sicherheitsüberprüft waren, dass im Atomkraftparadies Frankreich ein Viertel der Dinger nicht arbeitet und Strom importiert werden muss (von uns »armen« Deutschen, die keine Atomkraft mehr haben, schluchz!). Natürlich gehen die Lichter wieder mal aus, wie seit Beginn der Propagierung der Atomkraft regelmäßig gedroht wird, und die deutsche Industrie gerät ins Abseits, kennen wir alles. Wirkt aber immer noch, denn plötzlich sind wieder mehr als 50 Prozent der Umgefragten für Atomkraft. Nur weiß die Industrie, dass Brennstäbe nicht auf Bäumen wachsen und Fachkräfte Mangelware sind, und ihre längst abgeschriebenen Meiler einfach keine Kohle mehr bringen. Warum also die ganze miese Show? Weil man nicht zugeben kann, dass die Atomkraftgegner die ganze Zeit recht hatten? Gut, keiner mag die, die schon immer alles gewusst haben.
Wie Präsident Macron, auf Reisen in China, im Interview: »Wenn die Leute mit 60 in Rente gehen wollen, dann hätten sie nicht mich wählen dürfen« (jW, 14.04.23) Und jetzt werden sie ihn nicht mehr los, ihren verstrahlten, per Dekret regierenden Sonnenkönig. Die »Masse«, die in Frankreich auf die Barrikaden geht, wen wird sie wählen, wenn es wieder an die Urnen geht? Oder wird die alte Guillotine wieder ausgepackt? Kommt es zur kritischen Masse, die von Quantität in Qualität umschlägt? Die deutschen Gewerkschaften fangen jedenfalls an, französisch zu lernen, wenn auch langsam und mit ungelenken Zungen. Aber einen Tag lang standen schon mal viele Räder und Rädchen still beim gemeinsamen Streik von öffentlichem Dienst und Eisenbahn. Die »Letzte Generation« versucht in Berlin auch, Stillstand zu erreichen, damit der Kampf gegen den Klimawandel vorankommt. Aber wenn Autofahrer im Stau stehen, bewegt sich bei ihnen nichts, höchstens der Blutdruck steigt und der Wutpegel. Und dann heißt es wieder: Aufrüsten! Panzer für die Polizei! Oder gleich: Bundeswehr im Innern einsetzen! Waffen sind ja inzwischen die Lösung für alles. Dabei brauchen wir dringend wirkliche Lösungen beim Klimawandel, der laut jüngstem Bericht des Weltklimarats IPCC rasend voranschreitet: »Wenn die Regierungen ihre Anstrengungen zur Minderung der Emissionen nicht deutlich ausbauen, steuert die Welt auf eine Erderwärmung von 2,2 bis 3,5 Grad zu.« Das hätte katastrophale Folgen. Laut einer 2020 in der renommierten Fachzeitschrift Nature Climate Change veröffentlichten Analyse wären damit bis 2100 bis zu drei von vier Menschen vom Tod durch Überhitzung bedroht. Es gibt aber ein zweites entscheidendes Element in dem IPCC-Bericht: Die Menschheit kann die Katastrophe noch verhindern, und der Rest dieses Jahrzehnts wird hier entscheidend sein. Dafür müssen radikale Lösungen her, das heißt, es müssen die Verantwortlichen für die Katastrophe ins Visier genommen werden. Das sind in erster Linie die 100 größten multinationalen Konzerne, die für 71 Prozent der Treibhausgas- und Kohlenstoffemissionen auf der Erde verantwortlich sind, sowie die »125 Milliardäre, die in einem Jahr so viel CO2 verursachen wie ganz Frankreich« (jW, 12.04.23). Es ist das Eigentum, das der Kern des Übels ist.
Apropos Eigentum: Wem gehört eigentlich die Ukraine, zu deren Verteidigung die Bundesregierung jetzt Kampfflugzeuge und Patriot-Raketen schickt? Zu 28 Prozent gehört ihr Boden bereits internationalen Großkonzernen: BlackRock, Cargill, Dupont, Vanguard und Bayer/Monsanto. (https://zeitungderarbeit.at/international/us-konzerne-kaufen-ukraine-auf/). Vor 2021 war es in der Ukraine verboten, Land zu erwerben. Der ehemalige Kolchosbesitz war auf die Mitglieder aufgeteilt worden, die sie selbst beackern oder verpachten konnten, aber nicht verkaufen. Dann hatte der Internationale Währungsfonds (IWF) im April 2021 verlangt, dass die Ukraine das Moratorium aufheben müsse, das den Verkauf von Land verbot. Dies tat die ukrainische Regierung, entgegen dem erklärten Willen der Bevölkerung. Woraufhin der Ausverkauf des Landes begann. Aber mit ukrainischem Nationalstolz! Die Bauern in Polen, Ungarn und der Slowakei pfeifen auf diesen Nationalstolz und wollen keine Dumpingpreise durch die ukrainische Konkurrenz mehr – aber die EU besteht auf Zollfreiheit für ukrainische Produkte. Deshalb müssen da noch mehr Panzer hin, den Boden umpflügen und mit uranhaltiger Munition »düngen« – so fordern es die verstrahlten Regierungen.
Manchmal gibt es aber doch noch Vernunft, wo man sie nicht vermutet: in deutschen Gerichten. Die Staatsanwaltschaft Kassel will die Verantwortlichen der Documenta 15 nicht gerichtlich verfolgen. Der Vorwurf der antisemitischen Volksverhetzung sei nicht belegbar. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass Künstlergruppe und Kuratoren »einem unvermeidbaren Verbotsirrtum« unterlegen seien, dass die Darstellungen von der Kunst- und Meinungsfreiheit gedeckt seien, da sie über Jahre hinweg weltweit an verschiedenen Orten ausgestellt wurden, »ohne dass es hierbei je zu strafrechtsrelevanten Beanstandungen oder auch nur Diskussionen« gekommen sei, so die Staatsanwaltschaft (dpa/jW, 18.04.23) Aus verstrahltem Juristendeutsch übersetzt: Am deutschen Antisemitismus-Verfolgungswahn soll die Welt nicht mehr genesen.