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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Monatsrückblick: Sprachverwirrung

40 Jah­re nach »1984« ver­kün­det das Wahr­heits­mi­ni­ste­ri­um per­ma­nent: Krieg ist Frie­den und umge­kehrt. Und Steu­er­erleich­te­rung für Gut­ver­die­ner ist sozial.

»15 Mil­li­ar­den Euro für die arbei­ten­de Mit­te!«, rief FDP-Abge­ord­ne­ter Ton­car am Frei­tag bei der Dis­kus­si­on um den Haus­halts­be­schluss im Bun­des­tag mit brei­ter Brust (jW 03.02.24). Die »arbei­ten­de Mit­te« sind Fami­li­en mit 15.000 € monat­li­chem Ein­kom­men, die nun bei der Lohn- und Ein­kom­mens­steu­er um ca. 1400 € im Jahr ent­la­stet wer­den. Dafür dür­fen eben kei­ne neu­en Sozi­al­vor­ha­ben für die »arbeits­lo­sen Unte­ren« mehr erlaubt wer­den. Nein, so hat das Herr Lind­ner natür­lich nicht gesagt. Denn das geschieht nur für Deutsch­lands Stär­ke! Nur dass Kano­nen halt nicht satt machen oder die Woh­nung warm. Dafür hat Bun­des­ar­beits- und Sozi­al­mi­ni­ster Huber­tus Heil einen »Job­tur­bo« gezün­det für ukrai­ni­sche Geflüch­te­te in Deutsch­land – vor drei Mona­ten. Der Tur­bo ist kläg­lich kre­piert: Am 09.02. ver­öf­fent­lich­te die Bun­des­agen­tur für Arbeit ihre Zah­len: Eine hal­be Mil­li­on erwerbs­fä­hi­ger Ukrai­ner sind trotz zum Teil hoher Qua­li­fi­ka­ti­on immer noch ohne Arbeit, es waren im Janu­ar sogar mehr als im Dezem­ber 2023. Und auch die Zahl der Teil­neh­mer an sprach­li­chen Inte­gra­ti­ons­kur­sen sank im Janu­ar. Mer­ke: »Wumms« geht in Deutsch­land zwar mit immer mehr Waf­fen, aber nicht im wirk­li­chen Leben, da gehen voll­mun­di­ge Ankün­di­gun­gen von Sozi­al­mi­ni­stern eher in die Hose. Auch wenn man sie, wie Argen­ti­ni­ens anar­cho-kapi­ta­li­sti­scher Prä­si­dent Milei, tref­fen­der in »Mini­ster für Human­ka­pi­tal« umbe­nennt. Anfang Febru­ar for­der­te in Argen­ti­ni­en die Mini­ste­rin für Human­ka­pi­tal im Rund­funk die Armen auf, ein­zeln zu ihr zu kom­men, um indi­vi­du­el­le Hil­fe zu erhal­ten. Dar­auf­hin bil­de­te sich eine kilo­me­ter­lan­ge Schlan­ge vor ihrem Mini­ste­ri­um (jW 07.02.24). Was aus die­ser Schlan­ge gewor­den ist, davon schwei­gen die Medien.

Nach­dem er dies bereits seit län­ge­rem ange­kün­digt hat­te, aber kei­ne bereit­wil­li­gen Nach­fol­ger fand, ent­ließ der Prä­si­dent der Ukrai­ne Selen­skyj den Ober­be­fehls­ha­ber der Armee Salu­schnyj und ersetz­te ihn durch den bis­he­ri­gen Chef der Land­streit­kräf­te Syrs­kyj. Der kün­dig­te einen »Neu­start der Gene­rä­le« an. Es wer­de ein »Reset-Team« geben, das Syrs­kyj in den kom­men­den Tagen vor­stel­len sol­le. Außer­dem soll dann »ein rea­li­sti­scher, detail­lier­ter Akti­ons­plan« für 2024 auf dem Tisch lie­gen, »der die rea­le Situa­ti­on auf dem Schlacht­feld berück­sich­tigt«. Die­ser Plan liegt auch Ende Febru­ar noch nicht vor. Dabei war es doch Salu­schnyj, der den rea­len Zustand der ukrai­ni­schen Armee gegen­über west­li­chen Medi­en andeu­te­te. Sein Nach­fol­ger Syrs­kyj selbst bedank­te sich bei den frü­he­ren Kom­man­deu­ren und Vete­ra­nen der Armee, die »in den zehn Jah­ren (!) des rus­sisch-ukrai­ni­schen Krie­ges« alles unter­nom­men hät­ten, um »die Fähig­kei­ten der ukrai­ni­schen Armee – das wah­re, soli­de Fun­da­ment unse­rer Staat­lich­keit – wie­der­her­zu­stel­len« (jW 10./11.02.24). Herr Syrs­kyj muss wohl noch üben, um die west­li­che Sprach­re­ge­lung nicht zu bla­mie­ren. Der Krieg begann eben nicht 2022, son­dern 2014, und der ukrai­ni­sche Staat stützt sich nur auf die Armee (»das wah­re, soli­de Fun­da­ment unse­rer Staatlichkeit«).

Der ver­ur­teil­te rus­si­sche Oppo­si­tio­nel­le Ale­xej Nawal­ny ist im sibi­ri­schen Arbeits­la­ger ver­stor­ben – natür­lich haben die Medi­en sofort den übli­chen Schul­di­gen gefun­den. Die Fra­ge, war­um in aller Welt Putin einen gefan­ge­nen, in Russ­land nie erfolg­rei­chen Geg­ner auch noch umbrin­gen las­sen soll­te, inter­es­siert hier kei­nen. »Die Rück­kehr war das Todes­ur­teil« schreibt die MAZ (MAZ 17.02.24). Das ist wohl wahr, aber die­ses Urteil wur­de von Nawal­nys Auf­trag­ge­bern voll­streckt: Sein Tod kommt genau rich­tig, um a) im rus­si­schen Wahl­kampf Putin zu dis­kre­di­tie­ren – was kaum gelin­gen wird – und b) im Westen vom dro­hen­den Todes­ur­teil gegen Assan­ge abzu­len­ken, der am 21.02. letzt­ma­lig vor Gericht die Gele­gen­heit hat­te, sei­ne Aus­lie­fe­rung an die USA zu ver­hin­dern. Er konn­te bei sei­nem Pro­zess nicht mehr dabei sein, weil sein Gesund­heits­zu­stand dies nicht zuließ. Wer wirk­lich gegen Miss­hand­lung und Ermor­dung von poli­ti­schen Gefan­ge­nen ein­tre­ten will, der keh­re erst­mal vor der eige­nen Tür! Das tut die Bun­des­re­gie­rung natür­lich nicht, sie hat »Ver­trau­en in die Gerichts­bar­keit Groß­bri­tan­ni­ens«. In die US-Gerichts­bar­keit auch? Dazu schweigt das Wahrheitsministerium.

Wie es auch schweigt zu Isra­els Plä­nen, eine Zukunft ohne Palä­sti­nen­ser zu errei­chen – mit deren Aus­rot­tung durch Hun­ger, kata­stro­pha­le Gesund­heits­be­din­gun­gen und Bom­bar­die­rung. Und zum Schluss durch Ein­marsch in die gesäu­ber­ten Gebie­te? Noch haben sie das O. K. der US-Regie­rung dazu nicht. Die haben ihren frü­he­ren Ver­bün­de­ten Sau­di-Ara­bi­en wohl (noch) nicht so weit, dazu die Augen zuzu­drücken. Die ara­bi­schen Regie­run­gen haben zwar bis­her nicht viel für die Palä­sti­nen­ser getan, aber ihre Bevöl­ke­rung scheint das nicht län­ger hin­neh­men zu wol­len. Die jeme­ni­ti­schen Ansar­ul­lah zei­gen der­zeit, wie angreif­bar der Westen ist, der auf die Durch­fahrt des Suez­ka­nals nicht ver­zich­ten kann und will. Da deu­tet das Wahr­heits­mi­ni­ste­ri­um dann Freund-Beschuss der deut­schen Fre­gat­te um in erfolg­rei­che Droh­nen­ab­schüs­se durch deut­sche Artil­le­rie (jW 29.02.24) – die Frei­heit der deut­schen Wirt­schaft wird mal wie­der außer­halb des Lan­des »ver­tei­digt«, nicht am Hin­du­kusch, son­dern im Roten Meer. Das hat sich ja schon ein­mal als Isra­el-freund­lich erwie­sen, laut bibli­schem Bericht, und das Heer der Ägyp­ter ver­schlun­gen. Gläu­big müss­te man sein!

So gläu­big wie die Bun­des­re­gie­rung, die ein Regie­rungs­pro­gramm für »Start­chan­cen« an deut­schen Schu­len vor­legt. Mit 20 Mil­li­ar­den Euro für 10 Jah­re, was nicht ein­mal halb so viel ist, was allein für die Sanie­rung der Schu­len nötig wäre laut Gewerk­schaft Erzie­hung und Wis­sen­schaft (jW 15.02.24). Rech­nen müss­te man kön­nen! Aber Minus ist Plus, wie das Wahr­heits­mi­ni­ste­ri­um verkündet.