Das Fernsehmagazin »Kontraste« findet per Zufall eine Sicherheitslücke in der Schul-Cloud, die vom Hasso-Plattner-Institut entwickelt wurde und von über 300 Schulen probeweise genutzt wird. Es können Namen und Adressen von Schülern und deren Chat-Verhalten von jedermann ausgelesen werden.
Der Datenschutzexperte Thilo Weichert spricht von einem »absolut unsicheren und offensichtlich inkompetent gemanagten« Cloud-Angebot für Schulen in Deutschland. Es sei »absolut inakzeptabel und in gravierender Weise rechtswidrig«, wie einfach es möglich sei, von jedem Netzrechner aus in das System einzudringen und die »Daten der Schulen einschließlich der Angaben zu den Schülerinnen und Schülern auszuspionieren«.
Der Direktor des Instituts, Christoph Meinel, weist die Kritik zurück: »Systemische Sicherheitslücken sehen wir nicht, uns ist jedoch bewusst, dass es nahezu unmöglich ist, eine komplexe Software beweisbar ohne Sicherheitslücken zu implementieren und zu betreiben.« Und weiter: »Unser Informationssicherheitsmanagementsystem ist noch jung und insbesondere in einem so rapide wachsenden, agilen Team können menschliche Fehler nicht ausgeschlossen werden.« (rbb24.de, 20.5.20)
Nun sind menschliche Fehler in einem agilen, jungen Team das Eine, das Andere ist, dass das das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) das Projekt seit 2016 immerhin mit gut sieben Millionen Euro bis 2021 fördert, um am Ende für deutschlandweit 44.000 Schulen eine IT-Lern-Infrastruktur anbieten zu können. Und da kann man durchaus von einem systemisch relevanten Fehler sprechen, wenn die Daten nicht sicher sind.
Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat hat derweil auch Sorgen, wie seiner Pressemeldung vom 10. Mai zu entnehmen ist: »Ein Mitarbeiter […] hat in einem mehrseitigen Dokument unter Verwendung des BMI-Briefkopfes und der dienstlichen Kommunikationskanäle seine kritische Privatmeinung zum Corona-Krisenmanagement der Bundesregierung verbreitet.« Das mehr als 80-seitige Papier gelangte an die Öffentlichkeit, kursiert derweil im Netz und sorgt dort für erregte Debatten. Die Süddeutsche Zeitung schwankt in der Überschrift zwischen: »Whistleblower oder Wichtigtuer« (19.05.2020).
Sicher ist aber: Man begrenzt die wachsende Unzufriedenheit und die Fragen nach Sinnhaftigkeit des Regierungshandelns nicht durch pauschale Diffamierung, sonst übernehmen Rechtsextremisten rasch die Führung. Wohin das führt, haben wir bei PE- und anderen GIDAs gesehen.
Die Wahrnehmungseinschränkung eines Donald Trump sollte nicht zum Vorbild werden: »Alle sehen uns als Führer der Welt. Und sie werden uns folgen«, sagte US-Präsident Trump am 8. Mai vor republikanischen Abgeordneten (maz, 12.05.20).
Wir feiern den 300. Geburtstag des Lügenbarons von Münchhausen, dessen Schnurren und unwahrscheinliche Geschichten weltberühmt sind. An den Haaren aus diesem Sumpf werden wir uns selber ziehen müssen, das ist systemisch.
Zwei Zitate lassen da aufhorchen: »Es wird wieder Klassenkampf geben«, prophezeit Dietmar Bartsch, Co-Vorsitzender der Linksfraktion im Bundestag, im Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (jW, 2./03.05.20), während der ehemalige Außenminister Joseph Fischer (Bündnis 90/Die Grünen) fordert: »Die Deutschen müssen ihren instinktiven Pazifismus hinterfragen« (tagesspiegel.de, 1.5.20). Die Alternative »Klassenkampf oder Krieg« wird wie 1929 schnell real: Die Bundesregierung rechnet in ihrer Frühjahrsprojektion mit einer schweren Depression, sie erwartet einen Rückgang des Bruttoinlandsprodukts um 6,3 Prozent in diesem Jahr. Das wäre ein viel stärkerer Einbruch als in der letzten Finanzkrise 2007/08. Dabei geht die Prognose davon aus, dass ab Mitte Mai die Wirtschaft wieder hochfahren kann, also Ausgangsbeschränkungen gelockert werden können. Und dann alles wieder weitergeht wie vorher, Export und Binnenmarkt wieder funktionieren, der Tourismus wieder anspringt und die Menschen wieder Autos kaufen. Und wenn nicht? Da gilt wiedermal der verschiedenen Prominenten zugeschriebene Satz: »Prognosen sind eben schwierig, besonders, wenn sie die Zukunft betreffen« und – ich ergänze – diese Zukunft ein Systemfehler ist.