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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Monatsrückblick: Nicht immer schöne Wege

Dass die Flucht nach Euro­pa kein Spa­zier­gang ist, hat sich sogar bis in wel­ten­fern­ste Gefil­de her­um­ge­spro­chen: »Euer Weg ist nicht immer schön«, sag­te Papst Fran­zis­kus vor Flücht­lin­gen, die in Bul­ga­ri­en gestran­det sind (zitiert nach: MAZ, 7.5.19). Das könn­te die Unter­trei­bung des Monats sein, sie wird nur noch über­bo­ten von Öster­reichs Bun­des­prä­si­den­ten Alex­an­der Van der Bel­len, der einen »Neu­auf­bau des Ver­trau­ens« für nötig hält. Denn das Ver­trau­en – so es jemals da war – ist zer­stört durch die Vize­kanz­ler-Affä­re in Öster­reich, die auch nicht gera­de schön ist: Herr Stra­che tritt fehl und zurück, die Regie­rung Öster­reichs wankt – und alles nur, weil ein Video die Run­de mach­te, in dem der FPÖ-Vize­kanz­ler einer angeb­li­chen rus­si­schen Olig­ar­chin die Kro­nen Zei­tung ver­spro­chen hat gegen ein biss­chen Wahl­kampf­hil­fe. Immer wie­der die Rus­sen! Komisch, das hät­te Stra­che auf­fal­len müs­sen: Die Rus­sen machen die Wahl­be­ein­flus­sung doch im Inter­net, und wer kann denn heut­zu­ta­ge noch mit einer Zei­tung Geld ver­die­nen! Sehr durch­sich­tig das Gan­ze, und außer­dem war er zur Tat­zeit wohl min­de­stens bekifft, wenn nicht gar besof­fen. Das ver­ste­he wer will! In der BRD wäre da kei­ner zurück­ge­tre­ten. Hier wäre es auch gar nicht ver­öf­fent­licht wor­den – außer von Jan Böh­mer­mann – schließ­lich fan­den sich in Öster­reich offen­bar auch kei­ne Medi­en, die das tun woll­ten. Nicht schön!

Kei­nen schö­nen Weg nimmt die deut­sche Wirt­schaft: Der Export geht nach unten, die Indu­strie­pro­duk­ti­on geht nach unten, die Wirt­schafts­pro­gno­se geht nach unten, die Steu­er­schät­zung geht nach unten, der Dau­men der Bos­se geht über Wirt­schafts­mi­ni­ster Alt­mai­er nach unten, die Wahl­pro­gno­sen für CDU und SPD gehen nach unten, nur die Rech­ten haben Auf­trieb. Und die Aus­ga­ben für die Rüstung. Krieg war immer der Aus­weg im Kapi­ta­lis­mus. Wenn der Pro­fit nicht mehr wächst, ist der Unter­gang der Welt lukra­ti­ver als ein Gegen­steu­ern. Offen­bar sol­len die Men­schen auch gewöhnt wer­den an Unter­gangs­sze­na­ri­en – Insek­ten­ster­ben, Kli­ma­wan­del: Wenn Men­schen in Panik gedrängt wer­den, sind ihre Ent­schei­dun­gen sel­ten vor­wärts­wei­send, dann hält »man« fest an einer Struk­tur, die bis­her doch ganz gut funk­tio­niert hat, auch wenn gera­de sie zu dem fest­stell­ba­ren Ergeb­nis geführt hat. In Zei­ten der »Alter­na­tiv­lo­sig­keit« ist es ein Ver­bre­chen bei Stra­fe der media­len Hin­rich­tung, von Ver­ge­sell­schaf­tung auch nur zu reden – ob man Kevin heißt oder nicht. Kevin Küh­nert hat sich gei­stig ver­irrt – wie so vie­le Juso-Vor­sit­zen­de vor sei­ner Zeit auch. Ger­hard Schrö­der sprach einst sogar vom »Sta­mo­kap«, nur woll­te er ihn spä­ter nicht abschaf­fen, son­dern ver­voll­komm­nen, indem noch mehr pri­va­ti­siert und dem Ver­wer­tungs­pro­zess unter­wor­fen wer­den soll­te, was von der »Sozia­len Markt­wirt­schaft« noch übrig war.

Nicht mehr viel übrig bleibt vom Leben auf dem Pla­ne­ten Erde: Das Arten­ster­ben gefähr­det die mensch­li­chen Lebens­grund­la­gen, stellt der UN-Bericht fest, den der Welt­rat für bio­lo­gi­sche Viel­falt (Welt­bio­di­ver­si­täts­rat) am 6. Mai in Paris ver­öf­fent­licht hat. Ein »Mas­sen­aus­ster­ben« wie es in 500 Mil­lio­nen Jah­ren der Erd­ge­schich­te erst fünf­mal vor­kam, bis zu eine Mil­li­on Tier- und Pflan­zen­ar­ten könn­ten in den näch­sten Jahr­zehn­ten ver­schwin­den. Das sei min­de­stens genau­so bedroh­lich wie der Kli­ma­wan­del. Den es bekannt­lich gar nicht gibt, laut AfD.

Im EU-Wahl­pro­gramm der AfD von 2019 heißt es deut­lich: »Wir bezwei­feln aus guten Grün­den, dass der Mensch den jüng­sten Kli­ma­wan­del, ins­be­son­de­re die gegen­wär­ti­ge Erwär­mung, maß­geb­lich beein­flusst hat oder gar steu­ern könn­te. Kli­ma­schutz­po­li­tik ist daher ein Irr­weg. Ohne CO2, einem Haupt­be­stand­teil der Pho­to­syn­the­se, gäbe es kei­ne Pflan­zen, Tie­re oder Men­schen.« Und ohne die Men­schen gab es schließ­lich auch Kli­ma­wan­del! Des­halb kön­nen wir ruhig so wei­ter­ma­chen wie bis­her – Poli­ti­ker wie Gau­land und Wei­del wür­den eine Über­flu­tung Nord­deutsch­lands nur zur Kennt­nis neh­men, wenn das Meer mus­li­misch wäre.

Ande­re geben manch­mal sogar zu, dass sie kei­ne schö­nen Wege gegan­gen sind. Der Inter­na­tio­na­le Wäh­rungs­fonds hat nun offi­zi­ell kon­sta­tiert, dass sei­ne Ent­schei­dung im Jah­re 2012, kei­ne Umstruk­tu­rie­rung der grie­chi­schen Staats­an­lei­hen vor­zu­neh­men, an der Plei­te des grie­chi­schen Staats mit schuld war. Ein Schul­den­er­lass hät­te Grie­chen­land vor den Grau­sam­kei­ten der Troi­ka bewahrt und die Ver­ar­mung des Staa­tes und sei­ner Bür­ger (das heißt der nicht-besit­zen­den Bür­ger) ver­hin­dert. Die­se Ent­schei­dung fiel, um statt­des­sen die gro­ßen Ban­ken zu ret­ten, vor allem die fran­zö­si­schen und deut­schen. Das steht im Bericht des Exe-kutiv­rats, der am 20. Mai ver­öf­fent­licht wur­de. Was nutzt das Geständ­nis jetzt? Die Grie­chen kön­nen sich nun mit allem Recht der Welt ver­arscht fühlen.

Die natio­na­le Sicher­heit der USA ist durch frem­de Tech­nik bedroht – das dekre­tiert Prä­si­dent Trump, damit er jeg­li­chen Han­del mit Hua­wei unter­bin­den kann. Dum­mer­wei­se pro­fi­tie­ren von dem Han­del nicht nur die Chi­ne­sen, son­dern auch diver­se klei­ne­re Mobil­funk­an­bie­ter in den USA, die die nicht so pro­fi­ta­blen Funk-Lücken in dem Rie­sen­land schlie­ßen und dies nur kön­nen, weil sie die zuver­läs­si­ge und bil­li­ge Tech­no­lo­gie von Hua­wei ver­wen­den. Wenn aber die Far­mer in der Ein­öde kei­nen Mobil­funk, kein Twit­ter und kein Inter­net mehr haben – wäh­len sie dann noch Trump? War es viel­leicht doch nicht so schlau, sich auf die Über­le­gen­heit der US-ame­ri­ka­ni­schen Wirt­schaft zu ver­las­sen? Und wenn es den Chi­ne­sen gelin­gen soll­te, unter dem wirt­schaft­li­chen Druck von Embar­go und Sank­tio­nen ein eige­nes Betriebs­sy­stem so weit zu ent­wickeln, dass es dem ame­ri­ka­ni­schen eben­bür­tig ist – was Hua­wei bereits für Herbst 2019 ankün­digt –, dann wer­den Apple und Goog­le nicht mehr die Welt­markt­füh­rer sein. Damit es so weit nicht kommt, muss schnell ein Krieg her, und da bie­tet sich der Iran förm­lich an: In ihm herr­schen die bösen Mul­lahs über das geknech­te­te Öl, und er hat noch kei­ne Atom­waf­fen ent­wickelt, weil ihn das von den USA gekün­dig­te Abkom­men bis­her dar­an gehin­dert hat. Also flugs Flug­zeug­trä­ger in den Per­si­schen Golf und das Mit­tel­meer ent­sen­det, einen Rake­ten­an­griff von irgend­wo­her nach irgend­wo­hin orga­ni­siert, und schon kann es los­ge­hen – nicht immer schön. Trump muss nur noch ent­schei­den, ob er nicht vor­her noch in Vene­zue­la Kano­nen­boo­te auf­fah­ren lässt, auch da wird das Erd­öl unter­drückt. Ob nun Cara­cas oder Tehe­ran – der Weg wird nicht immer schön.

Wenig schön auch, was am 9. Mai pas­sier­te: Russ­land fei­ert »mit Stolz und Trau­er« den Sieg über den Faschis­mus, und die NATO beginnt an die­sem Tag ein Manö­ver, das vor­aus­setzt, eine »aggres­si­ve Macht« sei in ein bal­ti­sches Land ein­mar­schiert. Und um die­se Pro­vo­ka­ti­on, die man bei wohl­wol­lend­ster Prü­fung zumin­dest »geschichts­ver­ges­sen« nen­nen müss­te, den Bür­gern schmack­haft zu machen, wird hem­mungs­los medi­al über die Para­de in Mos­kau her­ge­zo­gen. Ja, man­che Jour­na­li­sten wol­len den Rus­sen gern vor­schrei­ben, wie sie mit ihrer Geschich­te umzu­ge­hen haben. So wider­lich muss man erst­mal wer­den wie taz-Kor­re­spon­dent Klaus-Hel­ge Donath in sei­nem Kom­men­tar am 10. Mai: »Auf­dring­li­cher Gedenk­kult« heißt es da, ja, »para­no­ider Gedenk­kult«. Und wer »para­no­id« ist, muss selbst­ver­ständ­lich geheilt wer­den, wozu wie­der­um die NATO ihre Manö­ver macht.

Da möch­te ich an die­ser Stel­le mei­nen ganz per­sön­li­chen Dank aus­drücken an die Regie­run­gen von Russ­land und Chi­na, die an die­sen Trump­schen Wegen Stopp­schil­der auf­stel­len. Denn die deut­sche Regie­rung macht das ja nicht, die geht lie­ber mit in den Untergang.