Die Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung kostet immer dann Gesundheit oder gar Leben von Menschen, wenn diese eine andere Ordnung wollen. Sei es in Frankreich oder in Hongkong. Unterschiedlich sind auch weniger die Maßnahmen des jeweiligen Staates als die Berichterstattung darüber in den Medien. Während in Hongkong die Unruhen beklatscht und die Maßnahmen der Regierung verurteilt werden, ist es in Frankreich umgekehrt. »Gewaltbereite Demonstranten« sind immer die Gelbwesten, während die »Regenschirme« nichts als Demokratie wollen. Auch wenn ein Mann durch Steinwurf starb und ein »Sympathisant« der Regierung angezündet wurde. Die Gelbwesten beschäftigen die französische Polizei jetzt ein Jahr, die Hongkonger Freiheitshelden die ihre seit fünf Monaten. Und die bolivianischen Verteidiger der Reformen und Verstaatlichungen der Bodenschätze haben versprochen, jedenfalls bis zur Ankündigung von Neuwahlen die Barrikaden auf den Fernstraßen aufrechtzuerhalten. Gnade vor den Augen der Medienmacher finden sie nicht. Das Lithium muss frei bleiben!
Nach Angaben der Interamerikanischen Menschenrechtskommission starben seit Beginn des Staatsstreichs in Bolivien 23 Menschen durch Armee und Polizei. Mehr als 700 wurden verletzt. (t-online, 19.11.19) Aber das Lithium ist befreit! Es gehört nicht mehr dem bolivianischen Volk, sondern seinen wahren Eigentümern, den USA. Deren Regierung ist es zwar nicht gelungen, Evo Morales wie Saddam Hussein oder Muammar al-Gaddafi tot aus dem Graben zu ziehen, gelyncht von der gerechten Wut der Großgrundbesitzer Boliviens, aber Morales hat in Mexiko Zuflucht gesucht – dahin kommen die Gerechtigkeitsfanatiker der USA schnell, weil die Mauer für sie durchlässig ist. Befreit ist Bolivien auch von den kubanischen Ärzten und Ärztinnen, die als eine der ersten Handlungen der selbsternannten Präsidentin des Landes verwiesen wurden, teilweise waren sie sogar verhaftet worden. Aber ein Staatsstreich war das nicht, Gott behüte! »Gott hat erlaubt, dass die Bibel in den Präsidentenpalast zurückkehrt«, sülzte Jeanine Áñez, selbsternannte Übergangspräsidentin am 13. November in La Paz. (zitiert nach jW, 14.11.19)
Ihr Kollege, der selbsternannte Präsident von Venezuela, Juan Guaidó, kündigte für den 16. November einen Aufstand in Venezuela an – den hat er aber offenbar nicht so professionell vorbereitet wie seine bolivianischen Freunde, oder die venezolanische Regierung war besser vorbereitet, jedenfalls fand der Aufstand nicht statt. Wie schade für die Medien! Selbst sie konnten 5000 Demonstrationsteilnehmer nicht zu einem Aufstand umdeuten. (jW, 18.11.19) Hier hat die »Wucht der Märkte« offenbar versagt.
Die wird ja auch gerade in Deutschland gebraucht: »Für die Klimaziele brauchen wir die Wucht der Märkte«, so Annalena Baerbock, Co-Vorsitzende der Grünen, im Interview in der Frankfurter Rundschau. (MAZ, 15.11.19)
Im Moment herrscht allerdings eher eine Unwucht: Warren Buffet, der Milliardär, weiß nicht, wohin mit seinem Geld: Es gibt keine vielversprechende Anlagemöglichkeit. Die wegen der Waldbrände in Kalifornien pleitegegangene Pacific Gas and Electric Company will er jedenfalls nicht kaufen, auch wenn ihn der Gouverneur Kaliforniens darum bittet. Keine Renditemöglichkeit! 128 Milliarden Dollar warten auf Anlageobjekte. Wie wäre es mit bolivianischem Lithium? Das wartet doch gerade auf die Wucht der Märkte!
Auch die deutsche Regierung will mitwuchten: »Deutschland muss Gestaltungsmacht werden«, forderte AKK in einer Rede an der Bundeswehruniversität München. Sie will wohl wieder Landkarten neu gestalten – mit militärischen Bleistiften wie vor hundert Jahren die Kolonialmächte. Zum Ausgleich kommt jetzt aber erst mal Afrika nach Deutschland:
Kenia liegt jetzt in Brandenburg – samt afrikanisch anmutender Vetternwirtschaft: Als erstes werden die Posten verteilt: 90 Stellen dürfen die neuen Minister aus CDU und Grünen in ihren Ministerien frei besetzen mit Personal ihrer Wahl.
Der Gestaltungswille der Regierung ist auch sonst groß: Die CDU will jetzt beschließen, vor jeder Schule je eine Deutschland-, Landes- und Europa-Fahne aufzuhängen. Ob die in den meisten Fällen recht heruntergekommenen Schulen einen guten Hintergrund für die Beflaggung abgeben? Oder ob wegen der drei Lappen die AfD weniger Zulauf bekommt? Die entscheidende Wucht ist das wohl nicht.
Aber immerhin: »Große Koalition schafft Durchbruch bei der Grundrente«, hieß eine dicke Überschrift in der MAZ am 11.11.19. Um das zu verstehen, muss man berücksichtigen, dass am 11.11. die närrische Zeit beginnt.
Frohe Fastnacht!