Das »Gesetz zur Verbesserung der Rückführung« von Ausländern ohne Aufenthaltsgenehmigung wurde am 18.01.24 im Bundestag mit den Stimmen der Regierungsparteien verabschiedet. Es enthält u.a. eine Verlängerung des sogenannten Abschiebegewahrsams – im Klartext: Haft ohne Rechtsgrund – von zehn auf 28 Tage, die Abholung sogenannter Ausreisepflichtiger auch in der Nacht sowie Durchsuchung von Gemeinschaftsunterkünften und Wohnungen bei der Jagd auf Menschen, die zunächst nicht angetroffen wurden. Verstöße gegen Einreise- und Aufenthaltsverbote werden künftig als eigenständiger Grund für Abschiebehaft gewertet. Besonders soll die Abschiebung von Straftätern sowie von Polizeibehörden willkürlich als »Gefährder« eingestuften Personen erleichtert werden. Nach der Verabschiedung des Gesetzentwurfs im Kabinett am 25. Oktober 2023 hatte die Flüchtlingsschutzorganisation Pro Asyl »rechtsstaatlich fragwürdige Verschärfungen« mit »schwerwiegenden Eingriffen in Grundrechte ohne jede Verhältnismäßigkeit« kritisiert. Das Gesetz betrifft gegenwärtig ungefähr 300.000 Personen. Für CDU/CSU und AfD noch nicht genug. Die von Bundeskanzler Scholz im Spiegel angekündigte »Abschiebung im großen Stil« sei das noch nicht (jW 19.01.24).
Vorher sprach der Bundestag in seiner aktuellen Stunde über das Treffen von Mitgliedern der AfD, der CDU und der Werteunion mit betuchten Unternehmern und Faschisten am 25. November 2023. Der dort erörterte Plan, Millionen Migranten und deren »unliebsame« Unterstützer auszuweisen, unterschied sich nach Auffassung der Regierungsparteien und der CDU/CSU natürlich fundamental von der eigenen Durchlöcherung von Verfassung und Rechtsstaat (jW 19.01.24). Aber geben ihnen die Tausende Demonstranten, die jetzt gegen rechts auf die Straße gehen, nicht recht? Die lassen da die Parteienvertreter auch noch Reden halten, die inhaltlich gar nichts einzuwenden haben gegen die Politik der AfD, nur dagegen, dass die Wähler nicht mehr ihnen selbst die Stimme geben, sondern gleich dem rechten Original. CDU/CSU, FDP, GRÜNE und SPD glauben, sie machten die bessere AfD-Politik und könnten damit den Unmut der Wähler über die Verschlechterung ihrer Lebensbedingungen von sich fernhalten.
Die einen Sündenböcke kann man abschieben, die anderen aushungern. Die Total-Sanktionen gegen »Totalverweigerer« jeden Jobangebots sollen den Haushalt, der Anfang Februar endgültig verabschiedet werden soll, jährlich um 170 Millionen Euro entlasten. Diese Rechnung unterstellt, dass etwa 150.000 Bürgergeldbeziehende solche »Totalverweigerer« seien. »So viele willentliche Verweigerer gibt es nicht«, erklärte Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbands. Dafür riskiert die Regierung mal wieder den Einspruch des Bundesverfassungsgerichts, das bereits 2019 entschieden hatte, dass die Sozialleistung nicht um mehr als 30 Prozent gekürzt werden darf (jW 19.01.24).
Der Internationale Gerichtshof (IGH) hat entschieden: Über den Vorwurf des Völkermordes, den Südafrika zur Anklage gemacht hatte, wird in den folgenden Jahren verhandelt. Es erkannte aber jetzt an, dass »zumindest einige der von Israel im Gazastreifen begangenen Handlungen und Unterlassungen unter die Bestimmungen der Völkermordkonvention zu fallen scheinen«. Also, so das Gericht, müsse Israel Maßnahmen ergreifen, um einen Völkermord zu verhindern, die Anstiftung zum Völkermord bestrafen und die Vernichtung von Beweismaterial unterbinden. Außerdem müsse es die katastrophalen Lebensbedingungen in Gaza beseitigen und humanitäre Hilfe zulassen. Innerhalb eines Monats muss Israel einen Bericht über alle Maßnahmen vorlegen, die zur Umsetzung dieser Anordnung ergriffen werden (jW 29.01.24). Israel und seine Unterstützer wurden damit nicht gestoppt, andererseits wurde die Berechtigung der Anklage festgestellt. Damit sind die USA, das Vereinigte Königreich, Deutschland und andere Mitglieder des kollektiven Westens ins Unrecht gesetzt, die alle erklärt haben, dass der südafrikanische Fall »rechtlich unbegründet« sei und verworfen werden sollte. Tatsache ist, dass das Urteil Israel ausdrücklich auffordert, das Töten einzustellen. Man kann argumentieren, dass der IGH das absolute Maximum dessen getan hat, was er im Rahmen seiner Zuständigkeit und Verfahren tun kann.
Und was tut Israel? Während sich in Deutschland »Umsiedlungs-Planer« heimlich treffen müssen, tanzten in Israel die »Wiederbesiedler« am 29.01. in Jerusalem. Von einer »karnevalsartigen Atmosphäre« sprach das Nachrichtenportal Times of Israel am Montag. Auch von »Umsiedlung« war am Sonntag im Jerusalemer Kongresszentrum viel die Rede. Kommunikationsminister Shlomo Karhi von Likud behauptete in seiner Ansprache, Israel habe eine »Verpflichtung zum Handeln«, sogar im Interesse der vom Krieg schwer betroffenen palästinensischen Zivilisten, um die »freiwillige Auswanderung« voranzutreiben. Die Vorsitzende von Nachala, Daniella Weiss, setzte nach: Weltweit gebe es Millionen Kriegsflüchtlinge. Warum sollten da ausgerechnet »die Ungeheuer, die in Gaza aufwuchsen«, von der Vertreibung verschont bleiben? (jW 30.01.24) Ja, warum wohl? Weil sie Menschen sind und keine Ungeheuer? Weil die Ungeheuer auf der anderen Seite sitzen? Am frühen Morgen des 30.01.24 ist eine Spezialeinheit der israelischen Armee in ein Hospital in Dschenin in der besetzten Westbank eingedrungen und hat drei Männer im Schlaf ermordet (jW 31.01.24). Noch einmal: Der IGH hatte in Punkt 79 seiner Entscheidung festgehalten: »Der Gerichtshof ist ferner der Ansicht, dass Israel alle in seiner Macht stehenden Maßnahmen ergreifen muss, um die direkte und öffentliche Aufforderung zum Völkermord an den Mitgliedern der palästinensischen Gruppe im Gazastreifen zu verhindern und zu bestrafen.«
Heucheln und Meucheln – darin sind die sogenannten regelbasierten Demokratien Meister.
P.S. In Japan hat die Gewinnerin eines renommierten Literaturpreises eingeräumt, dass etwa »fünf Prozent« ihres Buchs von Chat-GPT verfasst wurden (AFP/jW 19.01.24). Von meinem obigen Artikel sind null Prozent von KI verfasst. Der Rest ist mit Meldungen aus der jungen Welt, dem Blog von Matthias Broeckers und Portalen wie apolut, Nachdenkseiten und Manovia unterfüttert, die ich hiermit nachdrücklich zur Lektüre empfehlen möchte.