Bangen oder Frohlocken, das ist hier die Frage: In einem Memorandum wies Präsident Trump Mitte Juni das Pentagon an, 9500 US-amerikanische Soldaten aus Deutschland abzuziehen. Aber wie der ehemalige Botschafter der USA in Deutschland, John Kornblum, der Passauer Neuen Presse sagte: »Trump ist groß in seinen Ankündigungen und handelt dann doch nicht. Ich sage voraus: Es wird keinen Abzug dieser Soldaten geben.«
Jürgen Trittin, Außenpolitiker der Grünen, äußert sich gegenüber der Deutschen Presse-Agentur dennoch tief beunruhigt: »Nach der Verhängung von Strafzöllen, völkerrechtswidrigen Sanktionen und der Feststellung, dass Europa schlimmer als China sei, darf das auf dieser Seite des Atlantiks niemanden mehr überraschen. Es muss aber tief beunruhigen.« Aus Wahlkampfgründen breche Donald Trump »einen weiteren Stein aus der Mauer des transatlantischen Verhältnisses« (welt-online, 7.6.20).
Da muss ich dann doch daran denken, wie Mr. Reagan vor 30 Jahren Präsident Gorbatschow aufforderte: »Tear down this wall!« Damals waren Mauern nicht gut angesehen. Seit 2015 sind Zäune und Mauern nicht mehr so negativ besetzt bei rechten Politikern und ihren Fans. Zäune um Ungarn, Zäune um das Mittelmeer scheinen das Mittel der Wahl zu sein, um unerwünschten Zuzug zu verhindern. Aber von einer transatlantischen Mauer hatte ich vorher noch nie etwas gehört.
Ich – und da weiß ich mich auch mit ein paar anderen einig – bin jedenfalls nicht unglücklich, wenn mit dem Abzug von US-Soldaten Steine aus transatlantischen Mauern entfernt werden. Allerdings werden die US-Soldaten ja nicht harmloser, wenn sie nicht mehr in unserem Land stationiert sind. Vielleicht braucht Mr. Trump sie ja im eigenen Land gegen die Menschen, die gegen Rassismus niederknien?
Endlich mal ein anderes Thema als Corona-Virus und Wirtschaftskrise! Ein Schwarzer stirbt unter dem brutalen Knie eines Polizisten, seine letzten Worte werden zum Fanal gegen institutionellen Rassismus: »Ich kann nicht atmen!« Wahrscheinlich können das gerade viele ein wenig nachempfinden, weil sie allein schon unter der selbstgenähten Maske vor Mund und Nase Atemnot verspüren.
»Ein bisschen den Atem stocken« lässt Detlef Scheele, Vorstandsvorsitzender der Agentur für Arbeit, der Blick auf die Zahlen seiner Arbeitslosenstatistik, aktuell sind es insgesamt 11,72 Millionen Menschen, für die Unternehmen von Anfang März bis Ende Mai Kurzarbeit angemeldet haben, und 2,8 Millionen, die vollständig ohne Arbeit sind! (https://www.arbeitsagentur.de/news/arbeitsmarkt-2020) Und nirgendwo neue Arbeitsplätze in Sicht!
Aber immerhin: Der Deutsche Kulturrat lobt die Regierung: »Kultur ist nicht vergessen worden.« Im Rettungspaket »mit Wumms« ist 1 (in Worten: eine) von 130 Milliarden Euro für kulturelle Einrichtungen vorgesehen. Kulturstaatsministerin Monika Grütters spricht von Unterstützung für »Häuser, Kulturinfrastruktur und digitale Angebote«. Eine Art »Neutronenbombe« für die Kultur, kommentierte Konzertveranstalter Berthold Seliger im neuen deutschland vom 5. Juni: Die Gebäude bleiben erhalten, die Künstler überleben nicht.
Ein »Wumms« von 300 Euro pro Kind wird die Eltern erfreuen – den sollen diesmal sogar Hartz-IV-Empfänger bekommen, obwohl er mit dem Kindergeld zusammen ausgezahlt wird, das auf Hartz-IV-Leistungen angerechnet wird. Damit Hartz-IV-Empfänger nicht zu übermütig werden, wird das Geld in drei Raten ausgezahlt. Drei ist immer gut. So verläuft die Corona-Krise in den drei Phasen: 1. Es fehlt an Masken, 2. es fehlt an Klopapier, 3. es fehlt an Gelddruckmaschinen (Karikatur von Klaus Stuttmann in der maz vom 13./14.6.20).
An Gesetzen fehlt es jedenfalls nicht: Am 5. Juni verabschiedete der Bundesrat den neu ergänzten § 90 c des deutschen Strafgesetzbuches. Demnach ist das »Verüben beschimpfenden Unfugs« mit Symbolen der EU und ausländischer Staaten jetzt strafbar. Straffrei bleibt aber das Verüben beschimpfenden Unfugs mit Symbolen der untergegangenen DDR. Das ist schließlich Regierungssport. Ansonsten heißt es: Zurückhaltung beim Flaggenverbrennen und -bespucken. Wenn die Zeiten rauer werden, werden auch Symbole zu geschützten Arten.
Eine Verhöhnung der »Opfer der Diktatur« ist es übrigens für den Ostbeauftragten der Bundesregierung, Marco Wanderwitz (CDU), wenn Barbara Borchardt gegenüber der Süddeutschen Zeitung sagt: »Es gab Mauertote auf beiden Seiten, es sind auch Grenzsoldaten erschossen worden.« Trotz aller Anwürfe ist sie jetzt neue Landesverfassungsrichterin in Mecklenburg-Vorpommern. Nach AfD-Auffassung und Annegret Kramp-Karrenbauer wäre sie persönlich haftbar zu machen für alles Unrecht in der DDR (22.5.2020, 18:07 Uhr – NDR 1 Radio MV).
Bei westdeutschen Politikern wird die Haftung nicht so genau genommen: Politiker von Union und SPD haben die frühere Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen in der Berateraffäre weitgehend entlastet. Im Abschlussbericht der Regierungsfraktionen zur Arbeit des Untersuchungsausschusses werden keine juristischen oder direkten politischen Vorwürfe gegen die CDU-Politikerin formuliert. Die damalige Ministerin habe »kaum eine Entscheidungsvorlage zu den untersuchten Vorgängen selbst gezeichnet«. Zwar sei ihr Büro von den entscheidenden Vorgängen stets in Kenntnis gesetzt worden, »die Entscheidungen selbst wurden aber häufig auf Ebene der Staatssekretäre getroffen«. Da wird wieder gern gemauert …