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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Monatsrückblick: Atemlos mauern

Ban­gen oder Froh­locken, das ist hier die Fra­ge: In einem Memo­ran­dum wies Prä­si­dent Trump Mit­te Juni das Pen­ta­gon an, 9500 US-ame­ri­ka­ni­sche Sol­da­ten aus Deutsch­land abzu­zie­hen. Aber wie der ehe­ma­li­ge Bot­schaf­ter der USA in Deutsch­land, John Korn­blum, der Pas­sau­er Neu­en Pres­se sag­te: »Trump ist groß in sei­nen Ankün­di­gun­gen und han­delt dann doch nicht. Ich sage vor­aus: Es wird kei­nen Abzug die­ser Sol­da­ten geben.«

Jür­gen Trit­tin, Außen­po­li­ti­ker der Grü­nen, äußert sich gegen­über der Deut­schen Pres­se-Agen­tur den­noch tief beun­ru­higt: »Nach der Ver­hän­gung von Straf­zöl­len, völ­ker­rechts­wid­ri­gen Sank­tio­nen und der Fest­stel­lung, dass Euro­pa schlim­mer als Chi­na sei, darf das auf die­ser Sei­te des Atlan­tiks nie­man­den mehr über­ra­schen. Es muss aber tief beun­ru­hi­gen.« Aus Wahl­kampf­grün­den bre­che Donald Trump »einen wei­te­ren Stein aus der Mau­er des trans­at­lan­ti­schen Ver­hält­nis­ses« (welt-online, 7.6.20).

Da muss ich dann doch dar­an den­ken, wie Mr. Rea­gan vor 30 Jah­ren Prä­si­dent Gor­bat­schow auf­for­der­te: »Tear down this wall!« Damals waren Mau­ern nicht gut ange­se­hen. Seit 2015 sind Zäu­ne und Mau­ern nicht mehr so nega­tiv besetzt bei rech­ten Poli­ti­kern und ihren Fans. Zäu­ne um Ungarn, Zäu­ne um das Mit­tel­meer schei­nen das Mit­tel der Wahl zu sein, um uner­wünsch­ten Zuzug zu ver­hin­dern. Aber von einer trans­at­lan­ti­schen Mau­er hat­te ich vor­her noch nie etwas gehört.

Ich – und da weiß ich mich auch mit ein paar ande­ren einig – bin jeden­falls nicht unglück­lich, wenn mit dem Abzug von US-Sol­da­ten Stei­ne aus trans­at­lan­ti­schen Mau­ern ent­fernt wer­den. Aller­dings wer­den die US-Sol­da­ten ja nicht harm­lo­ser, wenn sie nicht mehr in unse­rem Land sta­tio­niert sind. Viel­leicht braucht Mr. Trump sie ja im eige­nen Land gegen die Men­schen, die gegen Ras­sis­mus niederknien?

End­lich mal ein ande­res The­ma als Coro­na-Virus und Wirt­schafts­kri­se! Ein Schwar­zer stirbt unter dem bru­ta­len Knie eines Poli­zi­sten, sei­ne letz­ten Wor­te wer­den zum Fanal gegen insti­tu­tio­nel­len Ras­sis­mus: »Ich kann nicht atmen!« Wahr­schein­lich kön­nen das gera­de vie­le ein wenig nach­emp­fin­den, weil sie allein schon unter der selbst­ge­näh­ten Mas­ke vor Mund und Nase Atem­not verspüren.

»Ein biss­chen den Atem stocken« lässt Det­lef Schee­le, Vor­stands­vor­sit­zen­der der Agen­tur für Arbeit, der Blick auf die Zah­len sei­ner Arbeits­lo­sen­sta­ti­stik, aktu­ell sind es ins­ge­samt 11,72 Mil­lio­nen Men­schen, für die Unter­neh­men von Anfang März bis Ende Mai Kurz­ar­beit ange­mel­det haben, und 2,8 Mil­lio­nen, die voll­stän­dig ohne Arbeit sind! (https://www.arbeitsagentur.de/news/arbeitsmarkt-2020) Und nir­gend­wo neue Arbeits­plät­ze in Sicht!

Aber immer­hin: Der Deut­sche Kul­tur­rat lobt die Regie­rung: »Kul­tur ist nicht ver­ges­sen wor­den.« Im Ret­tungs­pa­ket »mit Wumms« ist 1 (in Wor­ten: eine) von 130 Mil­li­ar­den Euro für kul­tu­rel­le Ein­rich­tun­gen vor­ge­se­hen. Kul­tur­staats­mi­ni­ste­rin Moni­ka Grüt­ters spricht von Unter­stüt­zung für »Häu­ser, Kul­tur­in­fra­struk­tur und digi­ta­le Ange­bo­te«. Eine Art »Neu­tro­nen­bom­be« für die Kul­tur, kom­men­tier­te Kon­zert­ver­an­stal­ter Bert­hold Seli­ger im neu­en deutsch­land vom 5. Juni: Die Gebäu­de blei­ben erhal­ten, die Künst­ler über­le­ben nicht.

Ein »Wumms« von 300 Euro pro Kind wird die Eltern erfreu­en – den sol­len dies­mal sogar Hartz-IV-Emp­fän­ger bekom­men, obwohl er mit dem Kin­der­geld zusam­men aus­ge­zahlt wird, das auf Hartz-IV-Lei­stun­gen ange­rech­net wird. Damit Hartz-IV-Emp­fän­ger nicht zu über­mü­tig wer­den, wird das Geld in drei Raten aus­ge­zahlt. Drei ist immer gut. So ver­läuft die Coro­na-Kri­se in den drei Pha­sen: 1. Es fehlt an Mas­ken, 2. es fehlt an Klo­pa­pier, 3. es fehlt an Geld­druck­ma­schi­nen (Kari­ka­tur von Klaus Stutt­mann in der maz vom 13./14.6.20).

An Geset­zen fehlt es jeden­falls nicht: Am 5. Juni ver­ab­schie­de­te der Bun­des­rat den neu ergänz­ten § 90 c des deut­schen Straf­ge­setz­bu­ches. Dem­nach ist das »Ver­üben beschimp­fen­den Unfugs« mit Sym­bo­len der EU und aus­län­di­scher Staa­ten jetzt straf­bar. Straf­frei bleibt aber das Ver­üben beschimp­fen­den Unfugs mit Sym­bo­len der unter­ge­gan­ge­nen DDR. Das ist schließ­lich Regie­rungs­sport. Anson­sten heißt es: Zurück­hal­tung beim Flag­gen­ver­bren­nen und -bespucken. Wenn die Zei­ten rau­er wer­den, wer­den auch Sym­bo­le zu geschütz­ten Arten.

Eine Ver­höh­nung der »Opfer der Dik­ta­tur« ist es übri­gens für den Ost­be­auf­trag­ten der Bun­des­re­gie­rung, Mar­co Wan­der­witz (CDU), wenn Bar­ba­ra Bor­chardt gegen­über der Süd­deut­schen Zei­tung sagt: »Es gab Mau­er­to­te auf bei­den Sei­ten, es sind auch Grenz­sol­da­ten erschos­sen wor­den.« Trotz aller Anwür­fe ist sie jetzt neue Lan­des­ver­fas­sungs­rich­te­rin in Meck­len­burg-Vor­pom­mern. Nach AfD-Auf­fas­sung und Anne­gret Kramp-Kar­ren­bau­er wäre sie per­sön­lich haft­bar zu machen für alles Unrecht in der DDR (22.5.2020, 18:07 Uhr – NDR 1 Radio MV).

Bei west­deut­schen Poli­ti­kern wird die Haf­tung nicht so genau genom­men: Poli­ti­ker von Uni­on und SPD haben die frü­he­re Ver­tei­di­gungs­mi­ni­ste­rin Ursu­la von der Ley­en in der Bera­ter­af­fä­re weit­ge­hend ent­la­stet. Im Abschluss­be­richt der Regie­rungs­frak­tio­nen zur Arbeit des Unter­su­chungs­aus­schus­ses wer­den kei­ne juri­sti­schen oder direk­ten poli­ti­schen Vor­wür­fe gegen die CDU-Poli­ti­ke­rin for­mu­liert. Die dama­li­ge Mini­ste­rin habe »kaum eine Ent­schei­dungs­vor­la­ge zu den unter­such­ten Vor­gän­gen selbst gezeich­net«. Zwar sei ihr Büro von den ent­schei­den­den Vor­gän­gen stets in Kennt­nis gesetzt wor­den, »die Ent­schei­dun­gen selbst wur­den aber häu­fig auf Ebe­ne der Staats­se­kre­tä­re getrof­fen«. Da wird wie­der gern gemauert …