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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Modernes Tagebuch

Der Schrift­stel­ler Mat­thi­as Bis­kupek, Mit­her­aus­ge­ber von Ossietzky, war ein sym­pa­thi­scher Zeit­ge­nos­se, ein lie­bens­wür­di­ger Spöt­ter und ein auf­rech­ter Lin­ker, ohne je einer Par­tei anzu­ge­hö­ren. An sei­nem zwei­ten Todes­tag, dem 11. April 2023, gaben sei­ne Freun­de Frank Qui­litzsch, Mar­tin Straub und Lan­dolf Scher­zer – M. B. nann­te sie »mei­ne Boy­group«, denn sie gin­gen gemein­sam auf Lesun­gen in die Umge­bung – ein Buch mit aus­ge­wähl­ten Tex­ten aus sei­nem mehr als 3000 Online-Ein­tra­gun­gen umfas­sen­den Tage­buch (2008-2021) her­aus. Es lohnt sich, dar­in zu stöbern.

Mat­thi­as Bis­kupek, gebo­ren 1950 in Chem­nitz, war Maschi­nen­bau­er, stu­dier­te Tech­nik, arbei­te­te in die­sem Metier, ehe er gänz­lich in die lite­ra­ri­schen und dra­ma­ti­schen Kün­ste über­wech­sel­te. Seit 1976 arbei­te­te er am Thea­ter Rudol­stadt, zunächst als Regie­as­si­stent, dann als Dra­ma­turg. Von 1979 bis 1983 war er Dra­ma­turg und Tex­ter am Gera­er Kaba­rett »Fett­näpp­chen«. Seit 1983 leb­te er frei­schaf­fend in Rudol­stadt und schrieb Sati­ren, Glos­sen, Geschich­ten, Repor­ta­gen, auch Kri­ti­ken und die Bio­gra­fie von Karl Valen­tin. Er war sei­ner Stadt und der Thü­rin­ger Pro­vinz eng verbunden.

Sei­ne Tage­buch­auf­zeich­nun­gen berich­ten von den Freund­schaf­ten, den Lesun­gen für sozia­le Zwecke, Thea­ter­auf­füh­run­gen, Wan­de­run­gen, Rad­tou­ren. Dank ihm weiß man vom emsi­gen und fröh­li­chen Trei­ben dort. Doch es zog ihn auch in die Welt. In Ber­lin hat­te er einen zwei­ten Wohn­sitz. Er kann­te Eng­land, Polen, Finn­land, Japan. Er war unter ande­rem Schrei­ber in Rom, Neu­kir­chen (Saar) und Sti­pen­di­at in Wiepersdorf.

So »umtrie­big« sind auch sei­ne Tage­buch­ein­tra­gun­gen. Nichts war vor sei­ner genau­en Beob­ach­tung sicher: Knei­pen-all­tag und Natur­be­ob­ach­tun­gen, Erleb­nis­se ver­schie­den­ster Art, poli­ti­sche Ereig­nis­se, Par­tei­en­dumm­hei­ten, Tages­ab­läu­fe, sogar ein Rezept für Thü­rin­ger Klö­ße ist dabei. Beson­ders auf­merk­sam ver­folg­te er Sprach­ver­än­de­run­gen. Belu­stigt über das Gen­dern und sich meh­ren­de Angli­zis­men ach­te­te und pfleg­te er ein sau­be­res und anschau­li­ches Deutsch, kann­te aber auch sei­nen Dia­lekt. Er erforsch­te die Wur­zeln von Wör­tern und die Her­kunft von Gepflo­gen­hei­ten – all das gehör­te für ihn zum Hand­werks­zeug. Einen gro­ßen Teil neh­men Erin­ne­run­gen und Geden­ken an Kol­le­gen ein – Klaus Stein­hau­ßen, Gün­ter Drom­mer, Bernd Leist­ner, Wald­traut Lewin, Hans Rich­ter, Hada­ya­tul­lah Hübsch, Harald Ger­lach, Chri­sta Wolf, Sarah Kirsch, Gise­la Kraft, Hans-Eck­hardt Wen­zel, Stef­fen Men­sching, Wer­ner Buhss, Rena­te Hol­land-Moritz, und das sind noch längst nicht alle! Er kann­te sie oder ihr Werk, und er schrieb vol­ler Respekt dar­über. Sel­ten etwas Kri­ti­sches. Sich selbst aber betrach­te­te er mit Iro­nie, was dem Gan­zen etwas ange­nehm Leich­tes und Unter­halt­sa­mes gibt.

Unbarm­her­zig ist er gegen­über allem Mili­tä­ri­schen. Was er schon in der DDR ver­ab­scheut hat, fin­det auch im geein­ten Deutsch­land kei­ne Gna­de. Auch auf das Ver­ächt­lich-Machen des Ostens oder des Ossis reagier­te er all­er­gisch. Eben: Ein sym­pa­thi­scher Zeitgenosse!

Mat­thi­as Bis­kupek: Wor­te ohne Ver­falls­da­tum. Aus dem Online-Tage­buch 2008-2021. Her­aus­ge­ge­ben von Frank Qui­litzsch, Mar­tin Straub und Lan­dolf Scher­zer, THK Ver­lag, 328 S., 14,90 €.