Der Schriftsteller Matthias Biskupek, Mitherausgeber von Ossietzky, war ein sympathischer Zeitgenosse, ein liebenswürdiger Spötter und ein aufrechter Linker, ohne je einer Partei anzugehören. An seinem zweiten Todestag, dem 11. April 2023, gaben seine Freunde Frank Quilitzsch, Martin Straub und Landolf Scherzer – M. B. nannte sie »meine Boygroup«, denn sie gingen gemeinsam auf Lesungen in die Umgebung – ein Buch mit ausgewählten Texten aus seinem mehr als 3000 Online-Eintragungen umfassenden Tagebuch (2008-2021) heraus. Es lohnt sich, darin zu stöbern.
Matthias Biskupek, geboren 1950 in Chemnitz, war Maschinenbauer, studierte Technik, arbeitete in diesem Metier, ehe er gänzlich in die literarischen und dramatischen Künste überwechselte. Seit 1976 arbeitete er am Theater Rudolstadt, zunächst als Regieassistent, dann als Dramaturg. Von 1979 bis 1983 war er Dramaturg und Texter am Geraer Kabarett »Fettnäppchen«. Seit 1983 lebte er freischaffend in Rudolstadt und schrieb Satiren, Glossen, Geschichten, Reportagen, auch Kritiken und die Biografie von Karl Valentin. Er war seiner Stadt und der Thüringer Provinz eng verbunden.
Seine Tagebuchaufzeichnungen berichten von den Freundschaften, den Lesungen für soziale Zwecke, Theateraufführungen, Wanderungen, Radtouren. Dank ihm weiß man vom emsigen und fröhlichen Treiben dort. Doch es zog ihn auch in die Welt. In Berlin hatte er einen zweiten Wohnsitz. Er kannte England, Polen, Finnland, Japan. Er war unter anderem Schreiber in Rom, Neukirchen (Saar) und Stipendiat in Wiepersdorf.
So »umtriebig« sind auch seine Tagebucheintragungen. Nichts war vor seiner genauen Beobachtung sicher: Kneipen-alltag und Naturbeobachtungen, Erlebnisse verschiedenster Art, politische Ereignisse, Parteiendummheiten, Tagesabläufe, sogar ein Rezept für Thüringer Klöße ist dabei. Besonders aufmerksam verfolgte er Sprachveränderungen. Belustigt über das Gendern und sich mehrende Anglizismen achtete und pflegte er ein sauberes und anschauliches Deutsch, kannte aber auch seinen Dialekt. Er erforschte die Wurzeln von Wörtern und die Herkunft von Gepflogenheiten – all das gehörte für ihn zum Handwerkszeug. Einen großen Teil nehmen Erinnerungen und Gedenken an Kollegen ein – Klaus Steinhaußen, Günter Drommer, Bernd Leistner, Waldtraut Lewin, Hans Richter, Hadayatullah Hübsch, Harald Gerlach, Christa Wolf, Sarah Kirsch, Gisela Kraft, Hans-Eckhardt Wenzel, Steffen Mensching, Werner Buhss, Renate Holland-Moritz, und das sind noch längst nicht alle! Er kannte sie oder ihr Werk, und er schrieb voller Respekt darüber. Selten etwas Kritisches. Sich selbst aber betrachtete er mit Ironie, was dem Ganzen etwas angenehm Leichtes und Unterhaltsames gibt.
Unbarmherzig ist er gegenüber allem Militärischen. Was er schon in der DDR verabscheut hat, findet auch im geeinten Deutschland keine Gnade. Auch auf das Verächtlich-Machen des Ostens oder des Ossis reagierte er allergisch. Eben: Ein sympathischer Zeitgenosse!
Matthias Biskupek: Worte ohne Verfallsdatum. Aus dem Online-Tagebuch 2008-2021. Herausgegeben von Frank Quilitzsch, Martin Straub und Landolf Scherzer, THK Verlag, 328 S., 14,90 €.