»Inzwischen herrscht Krieg. Und meine Angst wächst.« So verdichtete Gabriele Gillen in Ossietzky 6/2022 unter der Überschrift »Ich habe Angst« auf guten 5 Seiten, die zur Relektüre empfohlen seien, die Lage im März 2022. Die Eskalation ist im Juni 2024 – mehr als 2 Jahre später – weit vorangeschritten. Der (Wirtschafts-)Krieg gegen Russland wird erweitert jetzt auch gegen China geführt. US-amerikanische Handelszölle sollen die chinesische Wirtschaft treffen. 32 (!) Nato-Staaten munitionieren die Ukraine gegen Russland. Die Ukraine will und soll »siegen«. Immer häufiger wird berichtet, dass Nato-Soldaten in der Ukraine direkt mitmischen. Noch gibt es offiziell keine Nato-Fußtruppen in der Ukraine; das verhängnisvolle Nachdenken darüber gibt es schon längere Zeit. In Deutschland werden – ohne dass das offiziell ein Thema ist – ukrainische Soldaten ausgebildet. Noch sind keine deutsche »Taurus«-Raketen mit Zielweiten, die Moskau erreichen und tiefverbunkerte Ziele dort für einen »Enthauptungsschlag« treffen können, an die Ukraine geliefert worden. Inzwischen werden zig-Milliarden in die deutsche »Kriegstüchtigkeit« zu Lasten vernünftiger Sozialleistungen investiert. »Kindergrundsicherung« und »Klimageld« sind von der sich »Fortschrittskoalition« nennenden Ampel-Regierung auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben worden. Die deutsche Hochrüstung kennt jedoch keine »Schuldenbremse«. Bei der Ausgestaltung des bundesdeutschen Haushalts 2025 sind keine Kürzungen der horrenden Rüstungsausgaben vorgesehen – im Gegenteil. Eine deutsche Panzerbrigade ist seit April 2024 an der »Nato-Ostflanke« in unmittelbarer Nähe zur russischen Grenze stationiert; Milliarden Euro werden dort versenkt. Die Stationierung deutscher Truppen ist eine besonders geschichtsvergessene Form der Nato-Osterweiterung. Ein kostenträchtiger Ausbau der Panzerbrigade zu einer Panzerdivision, die »kaltstartfähig« sein soll, ist für 2025 ff. geplant. Die Wiedereinführung der Wehrpflicht wird diskutiert, der Bundestag beschließt zur mentalen Aufrüstung einen jährlich stattfindenden »Veteranentag«. Die exorbitant hohe deutsche Dauersubventionierung der ukrainischen Kriegsmaschinerie und des desolaten ukrainischen Staatswesens wird nicht infrage gestellt. Im Gegenteil: Deutschland und Frankreich sollen US-amerikanische Ausfälle (Trump!) von Finanzhilfen zusätzlich schultern. Dagegen gibt es in Deutschland (noch) kein Aufbegehren.
Die neue Zeitrechnung der »Zeitenwende« hat mit dem 7. Oktober 2023 ein weiteres Datum erhalten. Auch hier gibt es – massenmedial-kriegspsychologisch gesehen – keine Vorgeschichte und auch keine »Vorkriegszeit«. Es gibt keine raum- und zeitbezogenen Ereignisse; sie fallen einfach vom Himmel.
1, 2 Millionen Ukrainerinnen leben jetzt im privilegierten unbürokratisch erworbenen Bürgergeldbezug in der Bundesrepublik Deutschland. Das ist eine große Entlastung für die Ukraine und macht das Land flexibler für die Kriegsführung. Für z. B. 20.000 unschuldige palästinensische Kinder aus dem zerbombten Gaza gibt es in unserer »Kinder- und Jugendhilfe« keinen Platz. Die stets die »Unteilbarkeit« von Menschenrechten behauptenden Grünen fordern das nicht einmal.
Zwar wird der »Russische Bär« stets als besonders aggressiv geschildert, aber das Russland gegebenenfalls nicht-strategische Atomwaffen einsetzt, wird naiv verneint. Deshalb fallen die Meldungen und Berichte Mitte Mai 2024 über die Übungen der russischen Armee zum simulierten Abschuss von Atombomben als Warnung auf proaktive Äußerungen und Drohungen westlicher Politiker gegen Russland klein aus und werden nicht ernst genommen. Es wäre jedoch wirklich naiv zu glauben, dass russische atomar-bestückte Hyperschallraketen nicht auch auf Berlin und Frankfurt am Main gerichtet sind.
Die Sicherheitsbedürfnisse Russlands sind nicht vom Tisch. Was spricht gegen eine entmilitarisierte und neutrale Ukraine? Deutschland war das von 1945 bis zur Wiederbewaffnung 1955 auch. Was spricht gegen eine »ewige Neutralität« der Ukraine vergleichbar der Schweiz und Österreich? Kann eine waffenlose Ukraine – ein Land ohne Militäretat! – mit Wirtschaftsbeziehungen zu Russland/China/Indien und zu den Ländern der europäischen Union nicht große Wohlfahrtsgewinne realisieren, wenn Garantenstaaten des UN-Sicherheitsrates Frieden- und Sicherheit in der Region organisieren? Ist nicht ein Vielvölkerstaat Ukraine in föderativer Ordnung vorstellbar, der eine vernünftige Nationalitätenpolitik betreibt, die sich jeglicher russophober Anwandlungen enthält?
Es ist nicht mehr so häufig zu hören, dass das unschuldig überfallene Land »unsere westlichen Werte« bis an der Grenze zu und gegen Russland verteidigt. Über den inneren Zustand der »überfallenen« Ukraine im Kriegszustand hört man in unseren Massenmedien so gut wie nichts. Die nach 2019 noch in diesem Jahr anstehenden Neuwahlen fallen wohl aus. Das Parlament ist entrechtet. Eine Präsidialmacht konzentriert die Macht in wenigen Händen. Normale bürgerlich-parlamentarische Verhältnisse sind nicht existent. Ein parlamentarisch normaler Aushandlungszustand ist in weite Ferne gerückt. Opponenten bangen um ihr Leben. Kommunist möchte man dort nicht sein und auch nicht Kriegsdienstverweigerer; das ist lebensgefährlich oder gar tödlich. »Kriegswirtschaft« unter korruptesten Bedingungen belastet besonders die Armen. Die werden – wie unsere Armen auch – nicht wahrgenommen. Die Ukraine gehört mit den vielen, vielen Milliarden an Zuschüssen und Zuwendungen, über deren korrekte Verausgabung keine öffentliche Rechenschaftspflicht besteht, zu den korruptesten Ländern der Welt. Löhne im Schul- und Gesundheitswesen und auch karge Alters-Renten können nur durch westliche Alimentierung überhaupt gezahlt werden. Die Nichtbegünstigten werden aber später auf Heller und Pfennig die aufgelaufenen Verbindlichkeiten und Darlehen zurückbezahlen müssen.
Was hat eine ausgeblutete Nachkriegsukraine ihren Bürgern zu bieten? Kommen die vielen Millionen aus Polen, Deutschland etc. zurück in das zerstörte und teilentvölkerte Land? Im Schatten des Krieges hat ein riesiger Ausverkauf stattgefunden. (Westliche) Agrarkonzerne eigneten sich riesige Flächen fruchtbaren Ackerlandes an. Kleine Landwirtschaftsbetriebe fürchten um ihre Existenz. Diese Widersprüche muss eine klar klassengegliederte Gesellschaft wie die Ukraine erst einmal verarbeiten.
Der Krieg in der Ukraine (und auch in Gaza) klopft als psychisches Elend an unsere bundesdeutschen Haustüren. »Hass und Hetze« hierzulande haben ihre Ursachen auch in der »psychologischen Kriegsführung«. Die Feindbildproduktion hinterlässt tiefe und böse Spuren in Herzen und Hirnen. Das hat Einfluss auf den Umgang mit dem politischen Gegner und dem Andersdenkenden überhaupt, den man nicht mehr zuhören kann und will. Andersdenkende werden auf jede erdenkliche Weise diffamiert; sie sind wahlweise »rechts«, »antisemitisch«, »sexistisch«, »lumpenpazifistisch«, Nach wie vor und verstärkt: Sprech- und Wortverbote überall. Es gibt keinen pfleglichen Umgang unter Linken mehr. BSW und Sahra Wagenknecht werden für alles Mögliche haftbar gemacht; überall nur Kritikabwehr. Der mörderische Krieg ist auch bei uns desaströs; er zerstört unsere Kultur. Das muss enden!