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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Menschenrechte und Soleimani

Men­schen­rech­te sind uni­ver­sell, unver­äu­ßer­lich, unteil­bar und bedin­gen sich gegen­sei­tig. Sie hät­ten auch für Sol­ei­ma­ni und sei­ne Beglei­ter gel­ten müssen.

 

Ram­stein und die Relaisstation

In den ver­gan­ge­nen Tagen wur­den die Schlag­zei­len von dem töd­li­chen Droh­nen-Angriff auf Qas­sem Sol­ei­ma­ni und sei­ne Begleit­per­so­nen beherrscht. Und immer wie­der tauch­te die Fra­ge auf, wel­che Rol­le dabei die auf dem US-Stütz­punkt Ram­stein sta­tio­nier­te Relais­sta­ti­on gespielt haben muss. Spä­te­stens seit der Ver­öf­fent­li­chung der »Dro­ne Papers« durch den Spie­gel und The Inter­cept steht fest, dass der Ram­stei­ner Relais­sta­ti­on eine zen­tra­le Rol­le bei der Droh­nen-Kriegs­füh­rung der US Army und der CIA zukommt, da sie den Ein­satz von Kampf­droh­nen unter Echt­zeit­be­din­gun­gen erst mög­lich macht. Wür­den die Droh­nen aus­schließ­lich über Satel­lit gesteu­ert, käme es auf­grund der Erd­krüm­mung unwei­ger­lich zu einer mini­ma­len zeit­li­chen Ver­zö­ge­rung der Droh­nen-Steue­rung, die zu mili­tä­ri­schen Fehl­schlä­gen mit fata­len Fol­gen für den wei­te­ren Ver­lauf sol­cher Mili­tär­ope­ra­tio­nen füh­ren könn­te. Des­halb muss davon aus­ge­gan­gen wer­den, dass auch die US-Droh­ne, mit der Sol­ei­ma­ni und sei­ne Beglei­ter getö­tet wur­den, unter Mit­wir­kung der Ram­stei­ner Relais­sta­ti­on in ihr Ziel gesteu­ert wor­den ist.

 

 

Ram­stein und extra­le­ga­le Tötungen

Die Lie­gen­schaf­ten der US Air Base sind kein exter­ri­to­ria­les Gebiet. Sie gehö­ren zum deut­schen Staats­ge­biet und sind den US-Streit­kräf­ten gemäß dem Zusatz­ab­kom­men zum NATO-Trup­pen­sta­tut ledig­lich auf unbe­stimm­te Zeit und zur aus­schließ­li­chen Nut­zung zu Ver­tei­di­gungs­zwecken über­las­sen wor­den. Dem NATO-Trup­pen­sta­tut zufol­ge sind die in Deutsch­land sta­tio­nier­ten Trup­pen gene­rell ver­pflich­tet, das Recht des Auf­ent­halts­staa­tes zu ach­ten. Zu den von aus­län­di­schen Trup­pen in Deutsch­land zu beach­ten­den Rechts­vor­schrif­ten gehö­ren vor allem auch das Ver­bot eines Angriffs­krie­ges gemäß Art. 26 Grund­ge­setz sowie die Ein­hal­tung völ­ker­recht­li­cher Bestim­mun­gen zu mili­tä­ri­scher Gewalt­an­wen­dung. Dazu zäh­len auch die Rege­lun­gen der Gen­fer Rot­kreuz-Abkom­men zum Schutz der Opfer in bewaff­ne­ten Kon­flik­ten. Die Tötung Qas­sem Sol­ei­ma­nis und sei­ner Begleit­per­so­nen durch eine über Ram­stein mit­ge­steu­er­te Droh­ne muss als extra­le­ga­le Tötung bezeich­net wer­den. Eine extra­le­ga­le Tötung ist eine will­kür­li­che und vor­sätz­li­che Tötung eines Men­schen, die als poli­ti­scher Mord zu ver­ste­hen und des­halb welt­weit geäch­tet ist. Die Ver­ein­ten Natio­nen bezeich­nen die­ses Vor­ge­hen als eine will­kür­li­che Hin­rich­tung. Extra­le­ga­le Tötun­gen wider­spre­chen dem in Deutsch­land gel­ten­den Rechts­staats­prin­zip fun­da­men­tal. Nach deut­schem Recht war die Tötung Sol­ei­ma­nis und sei­ner Begleit­per­so­nen des­halb ein Ver­stoß gegen das Völ­ker­recht und das Strafrecht.

 

 

Ram­stein und die Strafanzeige

Dem in Deutsch­land gel­ten­den Lega­li­täts­prin­zip zufol­ge sind Straf­ver­fol­gungs­be­hör­den ver­pflich­tet, wegen aller ver­folg­ba­ren Straf­ta­ten zu ermit­teln, sofern aus­rei­chen­de tat­säch­li­che Anhalts­punk­te für ein straf­ba­res Ver­hal­ten vor­lie­gen. Bis­lang wei­gern sich die deut­schen Ankla­ge­be­hör­den aber beharr­lich, die­sem zen­tra­len Grund­satz staats­an­walt­li­chen Han­delns Fol­ge zu lei­sten und straf­recht­li­che Ermitt­lun­gen zur Rol­le Ram­steins im welt­wei­ten US-Droh­nen­krieg auf­zu­neh­men. Des­halb habe ich bei der Gene­ral­staats­an­walt­schaft Zwei­brücken eine Straf­an­zei­ge erstat­tet, in der es heißt: »Wegen Mit­wir­kung – auch durch straf­ba­res Unter­las­sen – oder son­sti­ge Betei­li­gung an der Steue­rung des Ein­sat­zes einer US-Kampf­droh­ne bei der Tötung des Ira­ners Qas­sim Sol­ei­ma­ni (und wei­te­rer Per­so­nen) über den US-Stütz­punkt in Ram­stein erstat­te ich Straf­an­zei­ge wegen aller in Betracht kom­men­den Delik­te und gegen alle in Fra­ge kom­men­den Tat­ver­däch­ti­gen aus den USA und Deutsch­land« (Straf­an­zei­ge vom 4.1.2020). Mit der Straf­an­zei­ge möch­te ich die rhein­land-pfäl­zi­sche Justiz dazu brin­gen, den vor­ge­nann­ten Sach­ver­halt juri­stisch auf­zu­klä­ren und nöti­gen­falls eine wei­te­re Nut­zung der Ram­stei­ner Relais­sta­ti­on für den US-Droh­nen­krieg zu unter­sa­gen. Zudem habe ich wegen einer zwangs­läu­fig zu erwar­ten­den mili­tä­ri­schen Eska­la­ti­on im Fal­le einer wei­te­ren Nut­zung der Ram­stei­ner Relais­sta­ti­on für US-Droh­nen­ein­sät­ze eine Ver­let­zung von Art. 2 Grund­ge­setz gel­tend gemacht. Die Gene­ral­staats­an­walt­schaft Zwei­brücken hat dar­auf­hin ein Ermitt­lungs­ver­fah­ren ein­ge­lei­tet und inzwi­schen die Staats­an­walt­schaft Zwei­brücken mit den wei­te­ren Ermitt­lun­gen beauf­tragt. Mit Schrei­ben vom 5. Janu­ar 2020 erklärt Staats­an­walt Papen­heim hier­zu: »Straf­an­zei­ge gegen Unbe­kannt wegen Mor­des u. a. […] in dem vor­ge­zeich­ne­ten Ermitt­lungs­ver­fah­ren tei­le ich mit, dass ich das Ver­fah­ren mit der Bit­te um Über­nah­me an die Staats­an­walt­schaft Zwei­brücken abge­ge­ben habe. Im Fal­le der Über­nah­me wer­den die wei­te­ren Ermitt­lun­gen dort geführt« (2 UJs 1/​20). Der Ter­mi­nus »Mord« stammt von der Gene­ral­staats­an­walt­schaft Zwei­brücken. Es bleibt nun abzu­war­ten, wel­chen Ver­lauf die wei­te­ren Ermitt­lun­gen neh­men wer­den. Soll­te die Staats­an­walt­schaft Zwei­brücken das Ermitt­lungs­ver­fah­ren ein­stel­len, so wer­de ich ein Kla­ge­er­zwin­gungs­ver­fah­ren prü­fen und gege­be­nen­falls eine Ver­fas­sungs­be­schwer­de vor dem Rhein­land-Pfäl­zi­schen Ver­fas­sungs­ge­richts­hof einlegen.

 

 

Ram­stein und die Menschenrechte

Die Men­schen­rech­te sind uni­ver­sell, unver­äu­ßer­lich, unteil­bar und bedin­gen sich gegen­sei­tig. Ihr beson­de­rer Cha­rak­ter lei­tet sich aus der Wür­de des Men­schen ab, die nie­mals einem Men­schen abge­spro­chen wer­den kann. Sie hät­ten des­halb auch für Sol­ei­ma­ni und sei­ne Beglei­ter gel­ten müs­sen und zwar völ­lig unab­hän­gig davon, wel­cher Ver­bre­chen sie selbst schul­dig gewor­den sind. Fast auf den Tag vor 75 Jah­ren wur­de das Ver­nich­tungs­la­ger Ausch­witz befreit, das zur Chif­fre für den Holo­caust gewor­den ist. Mit der Kapi­tu­la­ti­on des »Drit­ten Rei­ches« am 8. Mai 1945 ende­te die Schreckens­herr­schaft der Nazis. Wenn die All­ge­mei­ne Erklä­rung der Men­schen­rech­te (AEMR) von 1948 beklagt, dass die Miss­ach­tung der Men­schen­rech­te zu »Akten der Bar­ba­rei« führ­te, die das »Gewis­sen der Mensch­heit mit Empö­rung erfül­len«, so geschah dies im Bewusst­sein der natio­nal­so­zia­li­sti­schen Ver­bre­chen, die als tota­li­tä­re Kata­stro­phe in unse­re Geschichts­bü­cher ein­ge­gan­gen sind. Auch des­halb gel­ten die Men­schen­rech­te als uni­ver­sell, unver­äu­ßer­lich, unteil­bar und sich gegen­sei­tig bedin­gend. Und des­halb hät­ten sie auch Sol­ei­ma­ni und sei­nen Beglei­tern nicht ver­wei­gert wer­den dür­fen. Soll­ten sie für Kriegs­ver­bre­chen ver­ant­wort­lich sein, so hät­ten sie vor einem inter­na­tio­na­len Straf­ge­richt ange­klagt wer­den müs­sen. Ihre extra­le­ga­le Tötung ist selbst ein Akt der Bar­ba­rei und unse­rem Rechts­staats­prin­zip fol­gend unent­schuld­bar. Auf die­sem Hin­ter­grund ist es alter­na­tiv­los, dass die deut­sche Justiz den Sach­ver­halt lücken­los auf­klärt und die Bun­des­re­gie­rung end­lich extra­le­ga­le Tötun­gen, die das US-Mili­tär und die CIA unter Nut­zung des US-Stütz­punk­tes Ram­stein welt­weit durch­füh­ren, end­gül­tig ver­bie­tet. Was hät­ten wir in 75 Jah­ren auch sonst aus jenem tota­li­tä­ren Abschlach­ten ler­nen sol­len, wenn nicht ein muti­ges und beherz­tes Rin­gen um die Ein­hal­tung unse­res Rechtsstaatsprinzips?