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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Mensch, Meyer

Na, wer war es denn nun? Und wo? War es die chi­ne­si­sche Fle­der­maus? Oder das chi­ne­si­sche Gür­tel­tier vom Wild­tier­markt? Oder das myste­riö­se, undich­te Labor in Wuhan? Oder doch Bill Gates? Wir hät­ten es wis­sen kön­nen. Hät­ten wir nur auf­merk­sam hin­ge­schaut. Nicht alles als gut erfun­den abge­tan. Bes­ser der wis­sen­schaft­li­chen Recher­che des Ver­fas­sers ver­traut, die Erzäh­lung auf einen mög­li­chen Wahr­heits­ge­halt abge­klopft. Einen Blick auf die Meta­ebe­ne gewor­fen. Die bei­den Äste – die Bild- und die Sach­ebe­ne – wie bei einer Para­bel Schritt für Schritt von­ein­an­der gelöst, mit Sze­na­ri­en ver­bun­den, wie sie auch unse­re Bun­des­re­gie­rung ange­stellt hat, wie sie welt­weit ange­stellt wur­den, für den Fall einer Pan­de­mie nach der Vogel- und der Schwei­negrip­pe. Aber wir haben ja nicht hingeschaut.

Es war schon eine Iro­nie der Geschich­te, der Evo­lu­ti­on. So wie die Mensch­heit aus Afri­ka kam, kam auch das töd­li­che Virus von dort:

»Man wuss­te, dass das Fie­ber aus Afri­ka gekom­men war. Man wuss­te, dass zwei Viren­stäm­me mit­ein­an­der ver­schmol­zen waren, einer vom Men­schen, einer von der Fledermaus.«

Dann star­ben die Leute.

»Ein Arzt ver­öf­fent­lich­te einen Arti­kel mit einer Hypo­the­se dar­über, wie alles begon­nen haben könn­te …« Halt, haben wir das nicht gera­de gele­sen, im Fern­se­hen gese­hen, mehr­mals, die Geschich­te des ein­sa­men Rufers in der Wüste von Wuhan?

»Ein Mann lag irgend­wo im tro­pi­schen Afri­ka unter einem Man­go­baum. Der Mann war anfäl­lig für Krank­hei­ten« – ›Vor­er­kran­kun­gen‹, sagt man heu­te –, »weil er HIV-posi­tiv war und kei­ne Medi­ka­men­te dage­gen erhielt.« So ist es nun mal in Afri­ka, auch jetzt noch. Aber lesen wir wei­ter: »Im Blut des Man­nes befand sich bereits ein Coro­na­vi­rus. Das war nichts Außer­ge­wöhn­li­ches; Coro­na­vi­ren kamen rela­tiv häu­fig vor. In der Zeit vor dem Fie­ber kann­te man min­de­stens vier Typen, die Grip­pe- und Erkäl­tungs­sym­pto­me bei Men­schen auslösten.«

Coro­na­vi­ren leb­ten auch in Tie­ren. »In dem Man­go­baum saß eine Fle­der­maus mit einer ande­ren Art Coro­na­vi­rus im Blut … Sie hat­te Durch­fall und schiss dem Mann unter dem Man­go­baum ins Gesicht, in die Augen, die Nase oder den Mund. So gelang­te das zwei­te Coro­na­vi­rus ins Blut des Mannes.«

Viren­stäm­me ver­misch­ten sich, ver­mehr­ten sich in der Luft­röh­re. Ein neu­es Coro­na­vi­rus wur­de gebo­ren. Der Mann leb­te in einer armen Gegend. Beengt. Rasch steck­te er ande­re an. Das Virus mutier­te, ver­brei­te­te sich wei­ter, durch die Luft, steck­te einen Ver­wand­ten an, der am Flug­ha­fen arbei­te­te, der huste­te einen Rei­sen­den an. So kam das Virus in die Welt.

Ich mache Schluss. Es ist ja nur ein Span­nungs­ro­man: »Fever«, 2016 auf Afri­kaans unter dem Titel »Koors« erschie­nen, auf Deutsch in der Über­set­zung von Ste­fa­nie Schä­fer im Auf­bau Ver­lag. Von Deon Meyer.