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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Mein Rauch ist besser

Seit einem hal­ben Jahr ist Can­na­bis in Deutsch­land legal. Also teil­wei­se. Nicht in der Nähe von Spiel­plät­zen und Schu­len kon­su­mier­bar. Nicht frei ver­käuf­lich. Nicht unbe­grenzt anbau­bar. Der Ein­schrän­kun­gen sind vie­le, nur weni­ge ken­nen alle Regeln. Die Poli­zei soll­te von der Ver­fol­gung harm­lo­ser Kif­fer ent­la­stet wer­den und hat nun alle Hän­de voll zu tun mit Fort­bil­dun­gen, Fall­un­ter­su­chun­gen, Fein­tu­ning. Und die Betrof­fe­nen fra­gen sich: Sind wir aner­kannt als Men­schen, die einem beson­de­ren Genuss frö­nen? Öff­net sich uns die Gesell­schaft der ande­res Genie­ßen­den? Oder geht die Aus­gren­zung weiter?

Ich besu­che die Inter­Ta­bac in Dort­mund – die welt­weit größ­te Mes­se für Rauch­wa­ren und, zusam­men mit der Inter­Sup­p­ly, für alles rund ums Rau­chen Inter­es­san­te. Haut­nah mit dabei in den Mes­se­hal­len ist dies­mal die CB Expo, eine Can­nabusi­ness-Aus­stel­lung, die letz­tes Jahr noch vom benach­bar­ten Kon­gress-Zen­trum aus win­ken muss­te mit ihrem Ange­bot. Ich will raus­krie­gen, ob die so unter­schied­li­chen Kul­tu­ren der Zigar­ren­rau­cher und der Kif­fer in den letz­ten sechs Mona­ten auf­ein­an­der zu gegan­gen sind, oder ob man die alten Vor­be­hal­te wei­ter kultiviert.

Zuerst ler­ne ich, dass die Inter­Ta­bac sich als »Fach­be­su­cher­mes­se« wört­lich nimmt. Auch am letz­ten der drei Mes­se­ta­ge sind End­ver­brau­cher uner­wünscht. Einen Kaf­fee krie­gen die zwei jun­gen Män­ner vor mir in der Schlan­ge zwar zube­rei­tet, aber nicht aus­ge­hän­digt, bis sie die Fra­ge »Which com­pa­ny are you from?« beant­wor­tet haben. »Wel­che sol­len wir neh­men?«, fragt der eine. Der ande­re zieht eine Busi­ness­kar­te aus der Tasche und gibt sie ab. Man nimmt den Kaf­fee ent­ge­gen und schlen­dert zu einer Sitz­grup­pe mit Club­ses­seln. Auf dem Tisch ein Zigar­ren­aschen­be­cher. Mit einem Kaf­fee, den ich im Schlepp­tau der bei­den ergat­tert habe, set­ze ich mich dazu und erfah­re, dass die Jungs Zigar­ren pro­bie­ren wol­len. Ihre Klei­dung und die Basis­in­fos, die wir aus­tau­schen, ver­ra­ten mir, dass mit jedem von ihnen als Kon­su­men­ten ein vier­stel­li­ger Umsatz zu machen ist. Im Monat. Inter­es­siert das hier kei­nen? Die Dame von Swis­her Sweets Ciga­ril­los, die eilends unse­ren Tisch ansteu­ert, hat nur den Auf­trag zu sagen: Die Plät­ze sei­en Händ­ler­ge­sprä­chen vor­be­hal­ten. Sie wünscht uns einen schö­nen Tag.

Sei­ten­wech­sel. Auch die CB Expo ist eine Fach­be­su­cher­mes­se. Her­stel­ler von Can­na­bis­pro­duk­ten und Acces­soires aller Art – aus­ge­nom­men rei­nes Mari­hua­na – tref­fen auf die Inha­ber von Head­shops und Dis­tri­bu­to­ren. Man tauscht sich aus, netz­werkt, schließt Ver­trä­ge, heckt Pro­jek­te aus. So weit, so gewöhn­lich. Am Stand von Roy­al Queen Seeds, einem Saat­gut­händ­ler, belau­sche ich dann ein Fach­ge­spräch der ande­ren Art. Ein Alt­hip­pie, nach­läs­sig geklei­det, hat im Früh­jahr gekauft und ein­ge­sät, sei­ne drei erlaub­ten Mari­hua­napflan­zen ste­hen vor der Ern­te. Aber wann ist der rich­ti­ge Zeit­punkt? fragt er und zeigt Han­dy­fo­tos von den Pflan­zen. Anto­nio von RQS betrach­tet sie ein­ge­hend, zoomt in die Blü­ten, zeigt auf ihre wei­ße Behaa­rung. »Wenn Sie da mehr brau­ne als wei­ße Fäden sehen, dann ist es so weit«, sagt er und ergänzt, dass recht­zei­tig vor­her die Dün­gung been­det und aus­gie­big gewäs­sert wer­den müs­se. Hin­ge­bungs­voll, als wären es die eige­nen, befasst Anto­nio sich mit den Sor­gen des Endverbrauchers.

Da ver­glei­che ich aller­dings Äpfel mit Bir­nen. Anders als auf der CB Expo belau­fen sich auf der Inter­Ta­bac die Kosten eines Aus­stel­lers, von der Stand­mie­te und -betreu­ung über den Mes­se­bau bis zum Waren­ein­satz, schnell auf fünf­zig­tau­send Euro. In den drei Tagen muss viel pas­sie­ren. Und trotz­dem, vie­le Her­stel­ler kla­gen über rück­läu­fi­gen Absatz, den Rück­gang von Neu­kun­den – und suchen hän­de­rin­gend nach neu­en Ver­triebs­we­gen. Zwei Tage vor Eröff­nung der Mes­se wer­den EU-Plä­ne bekannt, das Rau­chen auch drau­ßen, in Kaf­fee­ter­ras­sen, an Bus­hal­te­stel­len, im Zoo, vor öffent­li­chen Gebäu­den und vie­ler­orts sonst zu ver­bie­ten. Aha, die Auto­ab­ga­se und die Abluft der Öl-, Gas- und Pel­let­hei­zun­gen möch­ten uns drau­ßen exklu­siv erfül­len. Noch sind das Vor­schlä­ge, in man­chen Mit­glieds­staa­ten aber bald Geset­ze. Betrof­fen sind alle, auch die Vaper und natür­lich die Cannabisraucher.

Ist dage­gen eine Alli­anz zwi­schen brau­nem und grü­nem Rauch denk­bar? Wenn die Ver­bän­de es beschlie­ßen, jeder­zeit, sagt Mat­thi­as Rinn, Geschäfts­füh­rer der Zigar­ren­ma­nu­fak­tur Don Ste­fa­no. Dem alten Herrn im moos­grü­nen Anzug, der einen grie­chi­schen Kun­den mit den Anfangs­zei­len der Odys­see auf Alt­grie­chisch begrüßt, hät­te ich die­se Libe­ra­li­tät nicht zuge­traut. Doch Rinn erweist sich rund­um als Frei­geist. »War­um rau­chen Frau­en kei­ne Zigar­ren? Sich wie die Män­ner quä­len in Uni­form und Fuß­ball­dress – aber die Genüs­se den Her­ren der Schöp­fung über­las­sen?« Rinn ist es egal, ob ein Händ­ler oder ein Afi­ci­o­na­do ihm gegen­über­sitzt. Um ein gutes Gespräch geht es ihm, um Lie­be zur Qua­li­tät. Der mit Homer begrüß­te Grie­che Theo ist auch »nur« End­kun­de, erfah­re ich. Ihm aller­dings öff­nen sich alle Stän­de bereit­wil­lig, Inha­ber von Welt­mar­ken wie Arturo Fuen­te wol­len ein Sel­fie mit ihm. Mein kur­zer Gang mit Theo durch die Hal­len wird immer wie­der unter­bro­chen von Wild­frem­den, die ein Foto machen oder Details zu The­os Out­fit wis­sen wol­len. Sein Charme und sein an der Klei­dung ables­ba­rer Geschmack sind unwiderstehlich.

Die sind doch nicht weni­ger ver­rückt als die Kif­fer, den­ke ich mir. Ich wech­se­le noch mal zur CB Expo. Auf dem Weg mache ich eine Erfah­rung, die mir im Gespräch mit einer Can­na­bi­no­id­händ­le­rin bestä­tigt wird: Ich fin­de kaum hin. Die unzäh­li­gen Weg­wei­ser und Lage­plä­ne auf der Inter­Ta­bac ver­schwei­gen uni­so­no die Hal­le der grü­nen Kon­kur­renz. »Die tun so, als gäbe es uns nicht«, höre ich. Im E-Ziga­ret­ten-Seg­ment sei die Abgren­zung weni­ger harsch. Immer mehr Vaper-Pro­duk­te ent­hiel­ten Can­na­bi­no­ide, vor­nehm­lich das beru­hi­gen­de CBD. Da öff­ne man sich, weil die Kund­schaft es ver­lan­ge. Aber Zigar­ren und Mari­hua­na, das sei wie Öl und Was­ser, lacht die Frau, dar­an ände­re sich nichts. Auch die Kund­schaft sei streng zwei­ge­teilt, wei­se kei­ne Über­schnei­dun­gen auf. Sie will aber nicht nament­lich zitiert wer­den, »weil mein Chef viel­leicht gera­de eine Koope­ra­ti­on mit Liga Priva­da aus­han­delt. Dann bin ich der Depp«. Ihr Lachen ver­rät: Das war ein Hoax, mehr nicht.

Auf bei­den Sei­ten des Mes­se­ge­län­des feh­len die Besten. Can­nabusi­ness ohne Mari­hua­na ist letzt­lich wie Essen ohne Run­ter­schlucken. Der deut­sche Gesetz­ge­ber will es so. Das Haupt­ge­schäft, das mit der gezackt­blätt­ri­gen Pflan­ze zu machen wäre, bleibt ille­gal. Wenn man auf der Inter­Ta­bac die Kol­le­gen von der CB Expo igno­riert, liegt das zu einem Groß­teil an deren wirt­schaft­li­cher Bedeu­tungs­lo­sig­keit. Auf der gegen­über­lie­gen­den Sei­te fehlt der Bran­chen­pri­mus: Cuba. Sei­ne Zigar­ren sind auf der gan­zen Welt knapp, die begehr­te­sten in Deutsch­land nur noch sel­ten zu krie­gen. Um die explo­die­ren­de Nach­fra­ge zu bedie­nen, müss­te die Kari­bik­in­sel sich ver­drei­fäl­ti­gen. Zur Ver­kaufs­för­de­rung auf eine Mes­se zu fah­ren haben die Genoss:innen defi­ni­tiv nicht nötig. Unge­stört von ihnen peilt der Kapi­ta­lis­mus in Dort­mund sein eige­nes Ziel an, die Geld­ver­meh­rung. Schnel­ler hin kommt man, wenn Pro­duk­te nicht sinn­voll gebraucht, son­dern miss­braucht wer­den. Beim Rau­chen wie bei Autos, Mode, Rei­sen, Schnaps, Com­pu­ter­spie­len hel­fen Abhän­gig­kei­ten und Süch­te, die an die Stel­le von Nut­zen, Frei­heit und Spaß tre­ten. Gesund­heits­ver­träg­lich wäre der gele­gent­li­che Griff zum Genuss­mit­tel, kein Dau­er­kon­sum. Aber nur der kon­so­li­diert die Gewinn­erwar­tung. Den größ­ten Erfolg als Ziel­grup­pe ver­spricht die Jugend, da sie ein schlei­chen­des Gesche­hen wie das Abhän­gig wer­den noch nicht durch­schaut und ihre Betä­ti­gun­gen spä­ter die Gewohn­hei­ten von zah­lungs­kräf­ti­gen Erwach­se­nen sind. Dea­ler aller Rauch­wa­ren, ver­ei­nigt euch! Euer Ziel tut es längst.

So wür­de der Markt spre­chen, wäre er mehr als ein Hirn­ge­spinst. Viel­leicht war es doch eine genia­le Idee Karl Lau­ter­bachs, den Zugang zu Mari­hua­na und Haschisch in Deutsch­land nicht über die­sen Markt zu öffnen.