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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Magischer Zurrealismus

Die Serie »200,0 Skiz­zen zu 2000 Jah­ren Geschich­te« mal­te Zurab Sum­bad­ze in den Jah­ren 1999 und 2000, um die Jahr­tau­send­wen­de zu bege­hen, die er seit sei­ner Jugend­zeit erwar­te­te: die erste Jahr­tau­send­wen­de, wel­che die Mensch­heit dank Jung­tür­ken und Lenin end­lich gemein­sam bege­hen wür­de – nach dem Kalen­der Gre­gors XIII., der 1572 zu Ehren der Bar­tho­lo­mä­us­nacht die Gedenk­mün­ze »VGONOTORVM STRAGES« prä­gen ließ. Die Welt schrei­tet über bren­nen­de Stu­fen und die Mensch­heit fin­det sich auf blu­ti­gen Wegen im Welt­dorf ein.

In Sum­baz­des geor­gi­scher Mut­ter­spra­che heißt der Mensch Ada­mia­ni: Sohn des Adam. Über Jahr­hun­der­te leb­ten die Kin­der des ersten Men­schen über die Welt ver­streut. Inzwi­schen sind sie wie­der in vir­tu­el­ler Nähe ver­eint wie einst in Babel, spre­chen ein gemein­sa­mes Glo­bish und ver­ste­hen sich den­noch nicht. Sum­bad­zes Serie ist der Ver­such, in poe­ti­scher Bil­der­spra­che das Gemein­sa­me der 2000 Jah­re meta­pho­risch dar­zu­stel­len, die Geschich­te moti­visch zu begrei­fen, als Geor­gi­er, der die Ewig­keit im Augen­blick sucht, weil stets irrt, wer sich nicht jeder­zeit die End­lich­keit ver­ge­gen­wär­tigt, weil der Mensch lebt, um sich des ver­lo­re­nen Edens zu erin­nern, weil er lebt, um Eden zu stif­ten, weil die, die die zeug­ten, die uns zeug­ten, und die, die das bezeug­ten, was war und ist und sein wird, ewi­ge Zeit­ge­nos­sen sind dem, der im Augen­blick die Ewig­keit sucht. Des­halb tritt er in den Bil­dern in die Ver­gan­gen­heit ein, er kommt an ihren Sta­tio­nen an: ein iko­ni­scher Dreh, welt­ge­schicht­li­che Betrach­tun­gen in Farbe.

Der Ver­such, sich selbst zu ver­or­ten in der Geschich­te, sich Klar­heit zu ver­schaf­fen über den Stand­punkt, den eige­nen Ort in der Mensch­heits­ge­schich­te: Wo bin ich in der Zeit, die fort­wäh­rend fließt, im gro­ßen Raum des Alls, sei­ner über­wäl­ti­gen­den Schön­heit – dem Kos­mos? Der Ver­such, die Ewig­keit ein­zu­fan­gen, ist eine Suche nach Eden. Die Suche nach dem Kam­mer­ton Eden ist die Mehr­stim­mig­keit der Hei­mat Sum­bad­zes: sie singt poly­phon. Die Ereig­nis­se und Erleb­nis­se des eige­nen Lebens sind durch den Künst­ler in den Stoff der Geschich­te ein­ge­wo­ben. Ver­wo­ben sind Ver­gan­gen­heit und Gegen­wart. Wir selbst, unser Leben bil­det des Gewe­bes Fäden. Spie­le­risch ver­sucht er, die Moti­ve ins Gedächt­nis zu rufen, die sich im Lau­fe der Zeit in unter­schied­li­cher Gestalt wie­der­ho­len: die Sym­pho­nie der Geschich­te. Wie in einem Kalei­do­skop, des­sen Stei­ne ihre Posi­ti­on ver­än­dert haben, sich neue Bil­der aus Altem bil­den, begeg­net uns, was ver­gan­gen ist, wieder.

Ein deut­scher Phi­lo­soph wür­de an die­ser Stel­le bemä­keln, das Ver­gan­ge­ne sei, was vor­bei ist; das Gewe­se­ne blei­be. Wozu das Gewe­se um Wör­ter? Dann war es halt das Gewe­se­ne. Und außer­dem: Die Ver­gan­gen­heit ist doch noch nicht mal ver­gan­gen, nie tot. Die Deut­schen bewäl­ti­gen doch das Ver­gan­ge­ne, dann kann es nicht tot sein. Sie den­ken viel magi­scher als die gebirgs­ge­or­gi­schen Swa­nen, die ein­mal im Jahr die Toten bewir­ten. Mit köst­li­chen Spei­sen: Jeder kommt auf sei­ne Kosten. Die Toten tre­ten ins Licht. Sie sei­en im Licht. Sub gra­tia: im Licht der Welt. Fol­low Me, sprach das Licht, vade mecum.

Auf der Web­site des Künst­lers https://www.sumbadze.com/ fin­den Sie die Serie der zwei­tau­send Jahre.