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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Mächtig prächtig

Ich muss ein Geständ­nis los­wer­den. Mir wur­de ein auf unglaub­li­che Wei­se von Spott und Hohn durch­setz­tes Papier zuge­spielt. Die fol­gen­den Zei­len schockier­ten mich so, dass ich sie umge­hend wie­der los­wer­den möch­te. Ich stel­le sie mit eini­gem Wider­wil­len einer durch die rela­tiv über­schau­ba­re Ver­brei­tung die­ser Zeit­schrift begrenz­ten Öffent­lich­keit zur Ver­fü­gung. Von eini­gen dar­in ent­hal­te­nen über­spitz­ten Schluss­fol­ge­run­gen muss ich mich dabei unbe­dingt distanzieren.

»Ach du grü­ne Neu­ne! Der angeb­lich auf die Pik Neun alt­deut­schen Kar­ten­blatts bezo­ge­ne, fast schon ver­ges­se­ne Aus­ruf des Erschreckens hat ad hoc auf gut Säch­sisch einen brand­ak­tu­el­len Bezug. Ganz bio­lo­gie­fremd und par­tei­fern kommt Grü­nes ins alar­mier­te Gespräch. Das Grü­ne fin­det sich nicht nur in den auf Wap­pen und Ban­nern ver­ewig­ten Lan­des­far­ben der Sach­sen, son­dern ist mani­fest in dem Grü­nen Gewöl­be des Dresd­ner Resi­denz­schlos­ses. Ein Kabi­nett der Super­la­ti­ve kuli­na­ri­schen Kunst­ge­nus­ses lockt stän­dig eine Schar hin­ge­ris­se­ner Bewun­de­rer und her­ge­lau­fe­ner Nei­der an.

Der Glanz der dort gehor­te­ten Juwe­len soll der (Aus-)Sage der momen­tan Regie­ren­den nach die Iden­ti­tät des gan­zen ein­hei­mi­schen Volks­stam­mes wider­spie­geln. Tücki­sches Diebs­volk schlug bei einem fei­gen Raub­zug in völ­lig unvor­her­ge­se­he­ner Strom­ab­schal­tung mit böser Axt zu. Eine als bruch­si­cher gel­ten­de Vitri­ne war zu Klump getrüm­mert. Ent­wen­det wur­den uner­mess­lich wert­voll schmuck­ver­zier­te Orden und Ehren­zei­chen, wel­che einst die Brust der hier herr­schen­den Wet­ti­ner zier­ten. Not­falls ehren­hal­ber auch mal die der ihnen die­nen­den Dome­sti­ken. Sel­bi­ges gilt nun als iden­ti­scher Aus­druck säch­si­schen Lebensgefühls.

Da ist guter Rat so teu­er wie ein­leuch­ten­de Auf­klä­rung und neue Sicher­heits­tech­nik. Man sieht sich geprellt um eine Selbst­be­stä­ti­gung. Hier bewähr­te sich immer­dar die Kunst­stadt Dres­den in ihrer ehren­hal­ber auf Hoch­glanz mate­ria­li­sier­ten Edel­stein­ver­si­on. Selbst in den dik­ta­to­risch ent­stell­ten fin­ste­ren Not­zei­ten der Ver­gan­gen­heit gab es immer das feu­dal ver­klär­te Leuch­ten in den erst not­dürf­tig impro­vi­sier­ten Räu­men des Alber­ti­nums. Nie durf­te eine ein­zi­ge kost­ba­re Per­le feh­len. Zeit­ge­nös­si­sche Male­rei konn­te dane­ben ledig­lich ein Schat­ten­da­sein fri­sten. Tri­ster Rea­li­tät und mensch­li­cher Anteil­nah­me ver­pflich­tet, blieb sie nur blas­ser Abglanz gegen­wär­ti­gen Daseins.

Und nun ver­sag­te die Bewa­chung so bla­ma­bel, dass der seli­ge August stark befrem­det wäre. Und sei­ne Nach­fah­ren bereits Straf­maß­nah­men erwä­gen dürf­ten. Erklä­rungs­be­darf wuchert über die Zei­len der Gazet­ten. Tele­ge­ne Kanä­le und digi­ta­le Medi­en wägen Ver­mu­tun­gen gegen Ver­ur­tei­lun­gen ab. Ein uner­sätt­li­cher Markt greift schon mit lan­gen Fin­gern zu. Stets muss er neu­en Nach­schub aus staat­lich lei­der ver­un­treu­tem Waren­be­stand von Kost­bar­kei­ten erlan­gen. Zeit ist Geld. Erfolg ist Pflicht. Poli­zei­li­che Ermitt­lun­gen lau­fen auf Hoch­tou­ren – aber streng geheim. Fin­der­lohn in Halb­mil­lio­nen­hö­he weckt lai­en­haf­te Detek­tiv­kräf­te. Das Grü­ne Gewöl­be bebt in sei­nen feu­da­len Grund­fe­sten. Erwar­tungs­fie­ber end­li­cher Auf­klä­rung des Tat­her­gangs adelt den Vor­gang zu dem, was alle über alles lie­ben: zum Kri­mi. Da sind Pri­vat- und Staats­an­wäl­te die Stars.

So wird aus dem Volk der Dich­ter und Den­ker das der Ermitt­ler und Ver­schen­ker. Jedes Mit­tel ist recht dafür, ein­sti­ge Herr­lich­keit zu lob­prei­sen – selbst auf Kosten aller eige­nen Por­to­kas­sen. Ent­eig­nun­gen nach Kriegs­in­fer­no und Total­nie­der­la­ge, für null und nich­tig erklärt, sind rück­gän­gig zu machen. Ver­ach­tens­wer­te Gewalt­herr­schaft? Gekrön­te Häup­ter lei­ste­ten da kei­nen Vor­schub. Sie waren stets mit dem Nach­schub fürs eige­ne Wohl aus­ge­la­stet. Den säch­si­schen Wet­ti­nern gelang Eini­ges an Fisch­zü­gen im Gold­strom des Volks­ver­mö­gens. Das war den preu­ßi­schen Hohen­zol­lern Anlass zum Über­trump­fen: Sie waren schließ­lich die kai­ser­li­chen Hohei­ten. Was alles an ›Preu­ßi­schem Kul­tur­be­sitz‹ noch ihnen in Ber­lin gehört, darf der Jetzt-Staat nur als abruf­ba­re Leih­ga­be betrach­ten. Da ist jeder­zeit ein Gewinn abzu­schöp­fen. Da kirch­li­che Wür­den­trä­ger bereits die Pots­da­mer Gar­ni­son­kir­chen-Replik mit­tra­gen, ist man hier auf die bewähr­ten Vasal­len der Juris­pru­denz als Ver­bün­de­te angewiesen.

Na, da geht schon eine Batail­le juri­sti­scher Knif­fe und Püf­fe los. Seri­ös argu­men­tie­ren­de Histo­ri­ker müs­sen um ihren guten Ruf fürch­ten, denn sie sol­len mit einem Sün­den­re­gi­ster ver­leum­de­ri­scher Behaup­tun­gen straf­fäl­lig gewor­den sein. Wel­che Lust, die Kory­phä­en soli­der Wis­sen­schaft auf die Ankla­ge­bank zu zer­ren und sie als Vor­be­straf­te in die dann glor­reich umzu­schrei­ben­de Geschich­te zu ent­las­sen. Gut­ach­ter wer­den gegen angeb­li­che Schlecht­ma­cher in Stel­lung gebracht, um sie zur Strecke zu brin­gen. Nicht umsonst ist das hohen­zol­lern­sche Selbst­wert­ge­fühl ins Uner­mess­li­che gestie­gen, seit­dem das bau­li­che Sym­bol der deut­schen demo­kra­ti­schen Dik­ta­tur der Wie­der­errich­tung der kai­ser­li­chen Herr­lich­keit des Resi­denz­schlos­ses in Ber­lin wei­chen muss­te. Das Ver­bre­chen des Abris­ses einer Rui­ne gilt seit­dem rechts­staat­lich nur mit Ver­nich­tung des total und per­fekt funk­tio­nie­ren­den Nach­fol­ge­baus zu sühnen.«

So lesen Sie selbst: Nur ein lei­der all­zu leicht zu Maje­stäts­be­lei­di­gun­gen hin­zu­rei­ßen­der Hunds­fott kann den über­ra­gen­den Rang der schüt­zens­wer­ten Edel-ein­rich­tun­gen des Grü­nen Gewöl­bes und der nun zum Hum­boldt­fo­rum demo­kra­ti­sier­ten Zwing­burg in Zwei­fel zie­hen. Was einst in Wichs und Gala daher­ge­kom­me­ne fei­ne Leu­te an sich brach­ten, darf ihnen nicht weg­ge­nom­men wer­den. Eigen­tum ver­pflich­tet bekannt­lich ein­zig dazu, es den Eigen­tü­mern zu sichern.