Leicht hat er es nicht, unser Bundesaußenminister Heiko Maas. Obwohl er sich von Anfang an abstrampelte, fanden die Medien immer wieder einen Grund, an ihm herumzumäkeln. Charakteristisch für diese Beckmesserei ist ein Beitrag, den der Berliner Tagesspiegel unter der Schlagzeile veröffentlichte: »Heiko Maas, die unemanzipierte Hilfskraft. Große Zeiten für die Außenpolitik, aber der Außenminister bleibt bisher eigentümlich blass«. Die in dem Beitrag geübte Kritik an Maas war harmlos im Vergleich zu der Schimpfkanonade Henryk M. Broders, die dieser unmittelbar nach der Ernennung des früheren Justiz- zum Außenminister vom Stapel gelassen hatte. Eine maßlose schmalbrüstige Eitelkeit strahle Maas aus. Er sei einfach eine Katastrophe in jeder Beziehung. Dieses verdruckste, verschüchterte Auftreten, der Anzug zwei Nummern zu klein, aber immer chic auf Taille geschnitten. Und dann vor allem diese Phrasenhaftigkeit seiner Äußerungen. Es gebe von Maas keinen einzigen zitierfähigen Satz mit einem originellen Gedanken.
Nein, alles was Recht ist, eine solche Kritik hat Maas nicht verdient! Er ist eigentlich ein Prachtkerl, ein wahrer außenpolitischer Tausendsassa. Wie er schon unmittelbar nach seinem Amtsantritt die Russen abgebürstet hat, das war schon erste Sahne. (s. Ossietzky 8/2018) Die Bürger der russischen Föderation werden ihn schwerlich einen Молодец nennen, aber deren Auffassung ist eh nicht so wichtig. Viel bedeutender ist das Echo, das unser Heiko in Washington findet.
Was er für ein toller Bursche ist – kann man das über einen Außenminister eigentlich sagen? –, das hat er während seiner Lateinamerika-Reise Anfang Mai überzeugend demonstriert. Rein zufällig, so das Auswärtige Amt, fand die Reise zu einem Zeitpunkt statt, an dem der von Washington gesteuerte Staatsstreichversuch in Venezuela noch in vollem Gange war. In Brasilien, wo Maas übrigens der erste EU-Außenminister war, der dem ultrarechten Präsidenten Jair Bolsonaro seine Aufwartung machte, sowie in Kolumbien und Mexiko stellte er sich erneut nachdrücklich an die Seite des putschenden venezolanischen »Interimspräsidenten« Juan Guaidó. Auch in dieser Frage beweist er, dass er, obwohl auf außenpolitischem Gebiet noch immer ein Berufseinsteiger, ein profunder Kenner des Völkerrechts ist. Hinsichtlich Venezuela und Guaidó lässt er sich von niemandem belehren. Selbst wenn Experten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages ihm hilfreich zur Seite springen wollen, dann schert ihn das nicht. Bekanntlich hatte der Dienst die Anerkennung des Oppositionspolitikers durch die Bundesregierung in Frage gestellt. In einer zehnseitigen Ausarbeitung waren die Rechtswissenschaftler zu dem Schluss gekommen, es gebe »starke Gründe« für die Annahme, dass es sich bei der Anerkennung Guaidós um eine »Einmischung in innere Angelegenheiten« handelt. Die Frage, ob die Anerkennung Guaidós als unzulässige Intervention zu bewerten ist, bezeichneten sie als »durchaus berechtigt«. Zu Recht meinte Maas, was interessiert mich das theoretische Geschwätz der Bundestagsjuristen, ich muss praktische Außenpolitik betreiben und auch morgen noch meinen US-amerikanischen Kollegen und Freunden in die Augen sehen können. Schließlich hatte er von Anfang an dafür gesorgt, dass sich die Bundesrepublik gemeinsam mit anderen EU-Staaten ohne Zögern auf die Seite des Putschisten Juan Guaidó stellte. Dem amtierenden Präsidenten Nicolás Maduro stellten sie zur gleichen Zeit versöhnungsbereit ein kleines Ultimatum. Innerhalb von acht Tagen sollte er Neuwahlen ausrufen, anderenfalls würden sie den selbsternannten »Übergangspräsidenten« Juan Guaidó anerkennen. Einfallsreich beriefen sie sich bei dem Erpressungsversuch auf Artikel 233 der venezolanischen Verfassung, nach dem im Falle von Krankheit oder Tod des Präsidenten Neuwahlen angesetzt werden müssen. Im Eifer des Gefechts hatten sie übersehen, dass Präsident Maduro noch gar nicht verstorben ist und sich recht guter Gesundheit erfreut. Da sich die Regierung in Caracas nicht erpressen ließ, erkannten die gescheiterten Erpresser das »Trump-Baby« an.
Aber wie soll der Auserkorene an die Macht gebracht werden? Eine militärische Intervention schließt der Lateinamerika-Reisende Maas aus. Das erklärte er nach einem Treffen mit seinem mexikanischen Kollegen Marcelo Ebrard in Mexiko-Stadt. Wörtlich fügte er hinzu: »Wir stellen an vielen Plätzen der Welt fest, dass militärisch gelöste Konflikte in Wahrheit keine gelösten Konflikte sind, sondern nur verschobene Konflikte.« Ja, wo er Recht hat er Recht, unser Minister für Äußeres.
Wie er sich die Lösung vorstellt, darüber gibt sein Aufenthalt in Kolumbien Aufschluss. In Bogotá traf er mit einer Gruppe venezolanischer Oppositioneller, darunter der »Schatten-Außenminister« Guaidós, Julio Borges, zusammen. Ihnen sicherte er die Unterstützung Deutschlands in der Auseinandersetzung mit Maduro zu: »An unserer Haltung hat sich nichts verändert: Für uns ist Juan Guaidó der Übergangspräsident, der den Auftrag hat, Neuwahlen zu organisieren. Das ist auch das Ziel, das wir weiter verfolgen … Deswegen werden wir auch weiter Druck ausüben.«
Doch damit nicht genug. Maas, der nicht müde wird, das »unermessliche Leid des venezolanischen Volkes« zu beklagen, sagte den Gegnern der venezolanischen Regierung zu, sich für neue Sanktionen einzusetzen; wohl wissend, dass diese nicht die einzige, aber wohl die entscheidende Ursache für die miserable Wirtschaftslage Venezuelas sind. Sanktionen seien »ein Thema, über das wir reden müssen in Europa mit unseren europäischen Partnern«. Bei diesem Versprechen an die Anhänger Guaidós war er sich wohl bewusst, dass bei weitem nicht alle EU-Staaten den Sanktionskurs unterstützen. Doch darüber verlor er in seinen öffentlichen Erklärungen kein Wort. Wozu auch? Schließlich ist er darin ein Meister, die halbe für die ganze Wahrheit auszugeben. Ein gelungenes Beispiel lieferte er, als er in einem Interview in der Welt am 23. März behauptete, Maduro verweigere in einer dramatischen Notlage dem venezolanischen Volk jegliche Hilfe von außen. Und empört fügte er hinzu: »Das finde ich infam.« Keineswegs infam war es jedoch, dass er bei dieser Aussage die erfolgten Hilfslieferungen der UNO, des Roten Kreuzes, Russlands, Kubas, Chinas und der panamerikanischen Gesundheitsorganisation verschwieg. Der überlastete Minister litt in diesem Moment möglicherweise nur an einem zeitweiligen Blackout.
Allerdings verbirgt sich hinter der halben Wahrheit meist eine Lüge. Auch dafür hat der Minister ein schönes Beispiel geliefert. Am 3. Oktober des vergangenen Jahres eröffnete er in den USA das unter dem Motto »Wunderbar together« stattfindende »Deutschlandjahr«. In seiner Eröffnungsrede erfreute er das dankbare Publikum mit einer historischen Erkenntnis der besonderen Art, indem er feststellte: »Die Amerikaner haben die deutsche Einheit ermöglicht, das werden wir niemals vergessen.« Bei solcher einseitigen Geschichtsbetrachtung können unsere US-amerikanischen Freunde schon jetzt auf den 75. Jahrestag eines denkwürdigen welthistorischen Ereignisses hoffen, wenn Außenminister Maas erklären wird: »Die Amerikaner haben das deutsche Volk vom Hitlerfaschismus befreit. Das werden wir niemals vergessen.« US-Amerikaner werden sich freuen, die Russen aber werden sich ein wenig wundern.